Breite Front gegen Radiokürzungen
Ein „sehr breites Wir“ von Kunst- und Kulturschaffenden bzw. deren Interessensvertretungen hat sich am heutigen Freitag zu einer Pressekonferenz versammelt, um kolportierten Kürzungen in ORF-Radioprogrammen entgegenzutreten. „Der ORF hat uns eine Kampfansage gemacht“, so IG Autorinnen Autoren-Geschäftsführer Gerhard Ruiss, der festhielt: „Streichungen sind keine Reform!“
Die Komponistin Morgana Petrik, Präsidentin der Österreichische Gesellschaft für zeitgenössische Musik, betonte vor allem die Gefahr der Zerschlagung des Bildungsauftrags des ORF. „Es ist traurig, dass wir das wieder und wieder durchfechten müssen.“ Der Musiker Herwig Zamernik, der auch für einen Offenen Brief an ORF-Generaldirektor verantwortlich zeichnet, betonte die Rolle von FM4 für die Förderung der jungen, alternativen und mittlerweile auch sehr erfolgreichen heimischen Musikszene. „In anderen Ländern von Schweden bis zu den USA ist Popmusik ein anerkannter Wirtschaftsfaktor. Warum der ORF das nicht versteht, entzieht sich meinem Verständnis.“
Die Förderung und das Spielen heimischer Musiker im Radio ziehe eine ganze Wertschöpfungskette nach sich, erläuterte Yvonne Gimpel, Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich. So habe die Präsenz in ORF-Radios auch einen direkten Einfluss auf die Veranstaltungskultur wie Festivals und Konzerte. „Der ORF sendet nicht nur, er baut auch auf, ist Nachwuchsschmiede und Multiplikator.“ Die nunmehr kolportierten Kürzungen sprächen von „einem Mangel an Innovationsfähigkeit des ORF“. Dieser einst beim Aufbau von Ö3 und später FM4 an den Tag gelegte Gestaltungswille fehlte allen Vertretern am Podium. „Damals wollte der ORF etwas entwickeln, jetzt bunkert er sich ein und reduziert“, resümierte Ruiss. „Wir hätten bei etwaigen Reformen gerne mitgeredet“, so der Autor und Interessensvertreter.
Der Komponist Christian Kolonovits, der seit Kurzem auch als Stiftungsrat des ORF fungiert, kritisierte die Argumentation des ORF, wonach gewisse Formate nicht dem Markt entsprächen. „Nicht die Einschaltquote, sondern die Hörer in den verschiedenen Nischen entscheiden über die Sinnhaftigkeit des Programms.“ Heutige Stars von Soap & Skin über Mavi Phoenix bis Wanda oder Bilderbuch wären ohne das FM4-Airplay nie so weit gekommen. „Ohne experimentierfreudige Formate wäre unser Hochglanzpop nur die Hülle seiner selbst.“ Keine Studie könne den Nutzen von Kunst „zur Gänze abbilden“, so Kolonovits. „Weniger Rasenmäher, mehr Skalpell. Das würde ich mir wünschen.“
„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, aber hinter vielen gibt es gar keine Wand mehr“, fand auch Peter Paul Skrepek (Musikergilde) klare Worte. Viele jener, die zur Pressekonferenz eingeladen wurden, könnten nicht teilnehmen, da sie von ihrer Musik nicht mehr leben könnten und Jobs etwa als Verkäufer nachgingen. Skrepek hegte auch die Befürchtung, dass so genannte Minderheitenprogramme künftig „ins Internet abgeschoben werden und nur mehr dort präsent sind“. Das gehe allerdings mit Problemen in Bezug auf das Nutzungsrecht Hand in Hand. „Wir werden nicht tatenlos zuschauen!“, so der Interessensvertreter in Richtung ORF.
Der jüngst von SPÖ-Kultursprecherin Gabriele Heinisch-Hosek in Diskussion gebrachte und von den IG Autorinnen umgesetzte Antrag auf Aufnahme des Kultursenders Ö1 in die UNESCO-Liste für immaterielles Kulturerbe sei ein ernsthaftes Unterfangen, wie Ruiss auf APA-Anfrage bekräftigte. Dabei gehe es nicht darum, einzelne Formate zu bewahren, sondern „den Grundcharakter von Ö1“. Der Sender sei eine „österreichische Kulturleistung“, die in Europa einzigartig sei. Nachsatz: „Wir meinen das ernst, das ist kein Gag.“
Apropos Gag: Starke Resonanz gab es in den vergangenen Tagen auch auf eine Aussage von Radiodirektorin Ingrid Thurnher, die im „Standard“-Interview vor allem im Morgenprogramm „mehr Content und weniger Köchelverzeichnis“ angekündigt hatte. Die IG Autorinnen Autoren wollen darauf am Sonntag gemeinsam mit dem Wiener Volkstheater reagieren: Um 20.30 Uhr lädt man zum „Content-Event“, bei dem Prominente wie der Schauspieler Cornelius Obonya oder die Komponistin Olga Neuwirth das gesamte Köchelverzeichnis – also das Mozart-Werkverzeichnis – vorlesen werden.