Exodus im ProSiebenSat.1-Vorstand – Chef baut um

ProSiebenSat.1 kommt nicht zur Ruhe. Mitten im Kampf gegen boomende Online-Videodienste wie Netflix baut der Fernsehkonzern seine Chefetage abermals um. Während Finanzvorstand Jan Kemper und Vermarktungsvorstand Sabine Eckhardt überraschend abtreten, richtet der seit einem Dreivierteljahr amtierende Konzernchef Max Conze das Management noch stärker auf sich aus.

Im verkleinerten Vorstand ist der 49-Jährige künftig für alle drei Sparten allein verantwortlich. Damit verliert ProSiebenSat.1 fünf Vorstandsmitglieder in nur 14 Monaten. „Wir werden unsere bisherigen Geschäftssäulen künftig in einer effizienten Holdingstruktur führen“, erklärte Conze.

„Mehr Unabhängigkeit und Eigenständigkeit im operativen Geschäft wird ProSiebenSat.1 unterstützen, das Geschäftsmodell schneller und agiler zu transformieren“, fügte Aufsichtsratschef Werner Brandt hinzu. Eine Konzernsprecherin betonte, die bisherige Strategie werde fortgesetzt, aus einer Zusammenarbeit der drei Sparten Vorteile zu ziehen. Die Abwanderung von vor allem jungen Zuschauern zu Netflix will Conze mit einer gemeinsamen Online-Video-Plattform deutscher Fernsehsender bremsen.

ProSiebenSat.1 hat wiederholt betont, die Unterhaltungssparte mit TV-Sendern und Online-Videos, die Internettochter Nucom und die Produktionsfirma Red Arrow seien gemeinsam mehr Wert als einzeln. Daran waren am Markt gelegentlich Zweifel laut geworden. Seit Conzes Amtsantritt im vergangenen Juni hat der Aktienkurs seinen Abwärtstrend fortgesetzt. Am Dienstag verlor die Aktie 2,2 Prozent, obwohl ProSiebenSat.1 erklärte, man habe die Finanzziele des vergangenen Jahres erreicht und sei mit zweistelligem Wachstum ins neue Jahr gestartet. Die genauen Zahlen will der Konzern am 7. März vorstellen.

In der obersten Führungsetage stehen Conze künftig Rainer Beaujean als neuer Finanzvorstand und Conrad Albert als altgedienter Vizechef zur Seite. Beaujean kommt im Juli vom Verpackungshersteller Gerresheimer, wo er bereits im Herbst seinen Abschied angekündigt hatte. Der Manager begann seine Karriere bei der Deutschen Telekom, leitete deren frühere Tochter T-Online und arbeitete später in der Industrie unter anderem als Finanzchef des Kranbauers Demag Cranes.

ProSiebenSat.1 holte seinen bisherigen Finanzchef Kemper erst vor knapp zwei Jahren vom Online-Händler Zalando. Nun verlässt Kemper das Unternehmen vorzeitig Ende März mit ungenanntem Ziel. Er baute als Online-Vorstand das Internet-Portfolio von ProSiebenSat.1 um und begleitete den Einstieg des Finanzinvestors General Atlantic in die neu formierte Tochter Nucom, in der etwa das Verbraucherportal Verivox und die Kontaktbörse Parship gebündelt sind. Die von üppigen Dividenden verwöhnten Anleger setzte Kemper auf Schmalkost, um das Geld in den Ausbau des Unternehmens zu investieren.

Wie Kemper beendet auch die langjährige Konzernmanagerin Eckhardt ihre Arbeit als Vertriebs- und Marketingchefin vor Ablauf ihres Vertrags. Eckhardts Aufgaben übernimmt im April eine Weggefährtin von Conze. Wie der ProSiebenSat.1-Boss kommt auch die neue Vertriebschefin Michaela Tod vom britischen Staubsaugerhersteller Dyson, wo sie 14 Jahre lang leitende Funktionen in Großbritannien und Asien ausübte. Anders als Eckhardt soll die Österreicherin nicht dem Vorstand angehören, sondern neben dem langjährigen Programmchef Wolfgang Link Co-Chefin der Unterhaltungssparte werden.

In den vergangenen Jahren gab es bereits mehrere Wechsel in der Chefetage von ProSiebenSat.1: Der langjährige Chef Thomas Ebeling trat im Februar 2018 nach einer Pannenserie ab. Ihm folgte im Sommer der für das operative Geschäft zuständige Vorstand Christof Wahl. Im Herbst kündigte Produktionsvorstand Jan Frouman seinen Abschied an. Noch zu Ebelings Zeiten waren unter anderem Finanzvorstand Gunnar Wiedenfels, Strategievorstand Ralf Schremper und Digitalvorstand Christian Wegner gegangen.