Experte: Nachdem sich 5G in Pandemie bewährte kommt 2030 6G

„Mobile 5G-Kommunikationsnetze haben sich in der Covid-19-Pandemie in Österreich bewährt“, sagte der Mobilfunkexperte Thomas Zemen vom Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien im Gespräch mit der APA. Es ermöglichte Homeoffice in großem Maßstab und somit effektives Social Distancing. Zemen forscht schon am Nachfolger 6G, denn für die künftige wichtige Kommunikation unter bewegten Maschinen wären selbst die gute Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit von 5G nicht genug.

„Bei der Mobilfunk-Kommunikation geht es schon heute um sehr viel mehr als bloße ortsunabhängige Sprachkommunikation, die erstmals mit 2G, vulgo GSM, in den 1990er-Jahren für eine breite Öffentlichkeit anwendbar wurde“, erklärte er. 3G ermöglichte rund um die Jahrtausendwende Videotelefonate sowie Internetsurfen und 4G etwa größere Downloads sowie TV-Streaming. „All diese Systeme waren auf menschliche Benutzer und Benutzerinnen zugeschnitten, die solche Services nutzen“, so Zemen. Es gäbe aber zunehmend Bedarf von schneller und zuverlässiger Kommunikation zwischen Maschinen, etwa für Steuerungssysteme in Auto und Bahn, sowie bei Fertigungsanlagen.

Während bei der alltäglichen Sprachkommunikation von Mensch zu Mensch Verzögerungen (Latenzzeiten) von einer Zehntelsekunde (100 Millisekunden) akzeptabel sind, braucht man für professionelle und automatisierte Anwendungen kürzere Latenzzeiten, sagte Zemen: „Damit sich ein Sänger bei Aufnahmen selber hört, sollten sie weniger als fünf Millisekunden sein.“ Bei ferngesteuerten Maschinen, die dem Tastsinn Feedback liefern, müssten sie noch kürzer ausfallen, und dürfen rund eine Millisekunde nicht überschreiten. So schnell wird 5G erst in einigen Jahren sein.

In europäischen Forschungsprojekten wollen Zemen und seine Kollegen bei 6G eine noch kürzere Latenzzeit von 100 Mikrosekunden (also einer Zehntelmillisekunde) gewährleisten. Dies würde miteinander kooperierenden Fertigungsrobotern eine hohe Genauigkeit ermöglichen. Gleichzeitig sollen keine Datenpakete verloren gehen; mathematisch ausgedrückt: Die Zuverlässigkeit sollte größer als 99,999 Prozent sein. Bei bewegten Kommunikatoren wie Autos, Flugzeugen und Schienenfahrzeugen ist das eine veritable Herausforderung, sagte Zemen.

Funksignale sind elektromagnetische Wellen mit rund zehn Zentimetern Wellenlänge, die von einer Antenne ausgesendet werden, sich in alle Raumrichtungen ausbreiten, und bei der Antenne des Empfängers ankommen sollen. Auf ihrer Reise mit Lichtgeschwindigkeit werden sie an Gebäuden, Bergen oder Bäumen in verschiedene Richtung reflektiert. An der Empfangsantenne summieren sich nun all diese Ausbreitungspfade und können sich dabei verstärken oder auslöschen. Diese Schwankung des Empfangssignals ist bei bewegten Sendern verstärkt. „Die Empfangsqualität ist daher ein zufälliger Prozess und kann einmal gut, einmal schlecht sein“, so der Experte. Steigern kann man sie, indem man das gleiche Signal mittels Mehrfachantennensystemen über verschiedene Ausbreitungspfade sendet. „Damit stellt man sicher, dass ein Signal bestmöglich beim Empfänger ankommt“, sagte er.

Eine zweite Herausforderung wäre der Energiekonsum. „Die Funkkommunikationssysteme und das Internet verbrauchen aktuell etwa vier Prozent des weltweiten Energiebudgets“, erklärte Zemen. Mit erhöhtem Datenvolumen und Sendegeschwindigkeiten würde der Energieaufwand steigen. Um klimaneutral zu werden, müsse man jedoch Energie sparen. „Damit beschäftigen wir uns auch, wir erforschen etwa Ansätze mit Quantensensorik, auch die Koppelung von elektronischen mit optischen Systemen ist derzeit ein großes Thema“, so der Forscher. Zemen schätzt, dass es ungefähr zehn Jahre Forschungsarbeit auf europäischer und weltweiter Ebene benötigt, bis 6G anno 2030 kommerziell verfügbar sein wird.