Funke-Vorsitzende: „Medienbranche fehlt es an Mut“
Der Medienbranche fehle es an Mut und Konsequenz, konstatierte Julia Becker, Aufsichtsratsvorsitzende der deutschen Funke-Mediengruppe („WAZ“), bei den Österreichischen Medientagen in Wien. Um guten Journalismus in die Zukunft zu führen, brauche es nun einen klaren strategischen Fokus auf digitale Produkte, ohne gedruckte Zeitungen zu vernachlässigen. Gleichzeitig müsse man in die klügsten Köpfe und damit Qualität investieren und auf die beste Technik setzen.
Prinzipiell ortete die Funke-Aufsichtsratsvorsitzende „großartige Zeiten für den Journalismus“. Aufgrund der Vielzahl an Krisen suchen Menschen nach verlässlichen Informationen. Daher sei die „Suche nach der Wahrheit unser wichtigstes Geschäft“. Damit Nutzerinnen und Nutzer Qualitätsmedien erhalten bleiben, brauche es nun einen klaren Fokus auf digitale Produkte. Dabei müsse „datenbasiert, aber nicht datenbesessen“ gearbeitet werden. „Wir wollen unsere Nutzerinnen und Nutzer ja auch überraschen“, so Becker.
Auch wenn die Zukunft des Journalismus digital sei, dürfe auf Print nicht vergessen werden. Denn letztlich finanzieren Printleserinnen und Printleser die digitale Transformation. Zeitungen sollten weiterhin mit „hoher Leidenschaft“ gestaltet werden. Sonst verspiele man ein großes Erbe. Für die Übergangszeit sei auch die Hilfe des Staates nötig, meinte sie und forderte den Wegfall der Mehrwertsteuer auf gedruckte Zeitungen. Auch müsse der Netzausbau vorangetrieben werden. „Ich kann niemandem ein iPad in die Hand drücken, wenn es einen Tag dauert, ein ePaper downzuloaden.“
Der Funke-Mediengruppe, die unter anderem die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) herausgibt, und der Familie Dichand gehören jeweils die Hälfte der „Kronen Zeitung“. Seit 2018 ist in Funkes Beteiligungsunternehmen auch die Signa-Holding des österreichischen Immobilienunternehmers Rene Benko an Bord. Das Verhältnis der Eigentümer ist durch Streitigkeiten geprägt, die seit Jahren vor Gericht ausgetragen werden. Becker sprach zur „Kronen Zeitung“ gefragt von einem „strategisch wahnsinnig wichtigen Inhalt“ für die Funke Mediengruppe. Gleichzeitig meinte sie, dass man nicht dadurch aufgefallen sei, sich außerhalb des Gerichtssaals in das operative Geschäft einzumischen.
Susanne Dickstein, Chefredakteurin der „Oberösterreichischen Nachrichten“, zeigte sich „völlig überzeugt“, dass Print eine Zukunft habe. „Ich warne stark davor, das totzureden.“ Digitalisierung sei dennoch klares Wachstumsfeld. Große Herausforderung sei es somit, „endenwollende Kapazitäten“ bestmöglich zuzuteilen. Auch Bewegtbild haben die „Oberösterreichischen Nachrichten“ Platz eingeräumt. Dieses sei wichtig, aber als „Ergänzung zum kompletten Storytelling“ zu sehen, so Dickstein. Man habe nicht den Anspruch, einen eigenen Fernsehsender aufzubauen.
Ralf Schuler, Leiter der Parlamentsredaktion bei der deutschen „Bild“, machte auf einen Trend aufmerksam: „Junge Medienutzerinnen und -nutzer gehen davon aus, dass Nachrichten sie erreichen.“ Das müssten Medienhäuser berücksichtigen und Nachrichten in passender, konsumierbarer Form aufbereiten. Schuler strich speziell die Vorzüge von Newslettern hervor, um sich einen Überblick zu verschaffen und sich bei Bedarf näher zu informieren.
„Zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen man dachte, man kann nur mit kleinen Häppchen orientieren“, meinte dagegen „profil“-Herausgeber Christian Rainer. Große Reportagen, Long-Reads und aufwendige Grafiken funktionieren laut Rainer gut. Den Journalismus sieht er in einer Übergangsphase, in der sich die zu erzählenden Geschichten an sich aber nicht ändern würden.
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