Multimedialer ORF-Newsroom hat Verbesserungsbedarf

Der ORF-Stiftungsrat hat sich am Donnerstag mit dem in Bau befindlichen multimedialen Newsroom befasst. Dieser ist laut Thomas Zach, Leiter des bürgerlichen „Freundeskreises“ im obersten Gremium des Medienunternehmens, als „größte Veränderung des ORF in Jahrzehnten“ auf den „Prüfstand“ gestellt worden. Er sei „nicht ausreichend vorbereitet“. „Ein großes Stück des Weges ist noch zu gehen“, so Zach. Generaldirektor Alexander Wrabetz sieht den ORF „auf Kurs“.

Die Etablierung des multimedialen Newsrooms bedeute die „größte Veränderung bei Arbeitsprozessen seit Jahrzehnten“. Eine dementsprechend intensive Befassung und Zusammenarbeit mit den betroffenen Journalisten und Journalistinnen erwartet sich Zach von der Geschäftsführung. Ziel sei, die Meinungsvielfalt zu stärken. „Wir werden uns im Juni wieder mit diesem Thema beschäftigen und schauen, ob eine Verbesserung eingetreten ist“, kündigte der bürgerliche Stiftungsrat an. „Die Zeit drängt“, so Zach. Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-„Freundeskreises“, meinte, dass der Newsroom auf einem guten Weg sei, aber noch viele Aufgaben im Detail geklärt werden müssen.

Laut Zach wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass ein zentraler Chefredakteur im multimedialen Newsroom keine Zustimmung fände. Auch der von den Grünen entsandte Stiftungsrat Lothar Lockl sah von der Geschäftsführung ein „klares Bekenntnis zu Pluralität und Vielfalt“. Erfreut zeigte er sich darüber, dass der ORF in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt auf die Suche und Ausbildung von jungen Mitarbeitern legt. Das bereits angekündigte Traineeprogramm des ORF, mit dem viele „natürliche Abgänge“ in den nächsten Jahren kompensiert werden, solle nur ein erster Schritt sein, dem noch weitere folgen.

Lederer betonte, dass bei der Rekrutierung auf Multimedialität geachtet werden müsse. Dafür brauche man nicht zuletzt auch Begleiter und Coaches für die Auszubildenden, die dieser Aufgabe gerecht werden. Das Kollektivvertragsniveau bereitet ihm Sorge, es sei nicht wettbewerbsfähig. „Es ist wichtig, dass wir die Besten bekommen und diese die besten Bedingungen vorfinden“, so der Stiftungsrat.

„Sehr sensibel“ reagiert der SPÖ-„Freundeskreis“ auf die „heute klar angesprochene audiovisuelle Konkurrenzsituation“ zu Netflix und Co. Der ORF-Player müsse starten und eine für die vollständige Entfaltung nötige Gesetzesnovelle noch vor Sommer kommen. Was auch ohne Gesetz umsetzbar ist, solle möglichst rasch etabliert werden. Das würde für Bindung beim jungen Zielpublikum sorgen und die Verhandlungsposition gegenüber der Regierung stärken, meinte Lederer. Lockl sah den heimischen Medienstandort „wie auf einer Eisscholle, die schmilzt“. Es brauche geeignete Rahmenbedingungen, aber auch eigene Anstrengungen, um Jüngere zu erreichen.

Der ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sah das größte Medienunternehmen des Landes „in allen Bereichen auf Kurs“, wie er in einer Aussendung im Anschluss an die Stiftungsratssitzung zitiert wurde. Man habe trotz der herausfordernden Corona-Situation den Sendebetrieb abgesichert, die Marktführerschaft im Radio-, TV- und Online-Bereich gehalten und ein drohendes Verlustszenario von 75 Millionen Euro abgewendet. Das Publikumsvertrauen befinde sich auf einem Rekordniveau.

Das „Plattformzeitalter“ sah Wrabetz endgültig angebrochen. „In den USA wurden Streaminganbieter erstmals stärker genützt als traditionelle Broadcaster. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung beschleunigt“, so der ORF-Generaldirektor. Es sei „unerlässlich“, gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle zu schaffen, damit nationale Medienmärkte bestehen könnten.

Laut vorläufigem Jahresabschluss für 2020 erzielte die ORF-Muttergesellschaft ein operatives Ergebnis von 7,7 Millionen Euro. Das operative ORF-Konzernergebnis beläuft sich auf 22,3 Millionen Euro. Die Umsatzerlöse der ORF-Muttergesellschaft lagen im Vorjahr bei rund 966 Millionen Euro – davon rund 645 Millionen Euro aus Programmentgelten und 200 Millionen aus Werbung. Letztere stabilisierten sich im zweiten Halbjahr, nachdem sie zuvor zurückgingen.