ROG: Türkei schränkt mit Gesetz Meinungsfreiheit ein

Die Türkei schränkt mittels des Anti-Terror-Gesetzes die Meinungsfreiheit ein. Dies stellte Erol Önderoglu, Vertreter von Reporter ohne Grenzen (ROG) in der Türkei, am Dienstagabend in Wien fest. „Manche Paragrafen des türkischen Strafgesetzbuches werden politisch eingesetzt, um die freie Meinungsäußerung einzuschränken“, so Önderoglu im Juridicum der Universität Wien.

Mit dem Abbruch des Friedensdialogs mit der kurdischen Führung und dem Beginn massiver militärischen Operationen gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK hat seiner Ansicht nach die Türkei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte und demokratische Werte aufgegeben. Damals habe es die türkische Justiz es verabsäumt, die Entscheidungen der Regierung zu verurteilen und sei politisiert worden, so der Aktivist bei der von ROG und der Menschenrechtsorganisation Amnesty International mit Unterstützung der Österreichischen UNESCO-Kommission organisierten Podiumsdiskussion „Türkei – Wie und warum jeder als Terrorist angeklagt werden kann“. Önderoglu droht selbst eine 15-jährige Haftstrafe, weil er an einer symbolischen Solidaritätskampagne für ein pro-kurdisches Medium teilgenommen hatte und ihm daraufhin Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgeworfen wurde.

Der zweite Moment sei die Reaktion auf den Putschversuch im Juli 2016 gewesen, mit der die türkische Regierung jeden Bezug zu den fundamentalen Werten der EU verloren habe, meinte Önderoglu vor studentischem Publikum. In den letzten Jahren sei das Ziel der türkischen Regierung gewesen, die säkulare Bewegung zu zerschlagen, erklärte der Aktivist. Nach der auf den gescheiterten Putsch folgenden Ausrufung des letztlich rund zwei Jahre dauernden Ausnahmezustandes seien Journalisten, Anwälte, Richter und Akademiker entlassen oder inhaftiert worden, vor allem jene mit Verbindung zu dem Prediger Fetullah Gülen.

Die Progressive Lawyers‘ Association (PLA, Türkisch: CHD) sei das erste Ziel gewesen, sagte die frühere Menschenrechtsanwältin Ceren Uysal und Vorstandsmitglied der PLA, die per Regierungsdekret verboten wurde. Dies sei jedoch kein Spezifikum der Türkei: „In jedem Regime werden jene, die es infrage stellen, als erstes verfolgt.“ Angst sei die Hauptmotivation des Handelns der Regierung, meinte Uysal und verwies auf die Proteste im Gezi-Park als Beispiel für die hohe Unzufriedenheit der Bevölkerung.

Die türkische Definition habe nichts mit dem internationalen Übereinkommen über Terrorismus zu tun – die Menschenrechte einzufordern, reiche aus, um angeklagt zu werden, so Uysal, die heute an der Universität Wien Gender Studies studiert. Anwälte würden angeklagt, wenn sie ihren Klienten rieten, die Aussage zu verweigern, bestätigte der auf Asyl- und Fremdenrecht spezialisierte Rechtsanwalt Clemens Lahner, der als Beobachter der Wiener Rechtsanwaltskammer Prozesse gegen Anwälte in der Türkei verfolgt.

„Um Frieden zu bitten, kann dich zu einem ‚Terroristen‘ machen“, sagte die ehemalige Menschenrechtsanwältin Uysal. Sie halte das für eine Ehre und wünschte sich noch mehr Menschen, die in diesem Sinne als Terroristen gelten. Die Juristin äußerte die Hoffnung, dass eine breite Allianz der Opposition eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit herbeiführen könnte. „Die türkische und kurdische Bevölkerung hat großes Wissen über Widerstand“, fügte Uysal hinzu. In der Vergangenheit sei es schlimmer gewesen. „Damals haben wir gewonnen und auch in der Zukunft werden wir gewinnen“, sagte sie.