Kickl stellt sich im Parlament der Opposition
Das Innenministerium war am Dienstag bemüht, die Bedeutung jenes öffentlich gewordenen Papiers, in dem Maßnahmen wie eine Informationssperre gegen kritische Medien vorgeschlagen werden, herunterzuspielen. Kritik an den Plänen kam von den Medien, von der Opposition und auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) will sich am Mittwoch der Opposition stellen.
Der Innenminister wird sich in einer Dringlichen Anfrage im Zusammenhang mit Plänen seines Ministeriums, eine Info-Sperre gegen kritische Medien zu verhängen und den Fokus in der polizeilichen Medienarbeit stärker auf Ausländerkriminalität zu legen, im Nationalrat Rede und Antwort stehen.
Zunächst hatte es geheißen, Kickl lasse sich in der Nationalratssitzung am 26. September, bei der auch eine Dringliche Anfrage der Opposition an den Innenminister geplant ist, von seiner Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) vertreten. Ein entsprechendes Schreiben über diese Vertretungsregelung ging im Parlament ein. Das Innenministerium stellte inzwischen gegenüber der APA aber klar, dass sich die Vertretung durch Staatssekretärin Edtstadler auf die Tagesordnungspunkte zum Rechnungshofausschuss beziehe.
Vorerst schickte Kickl schickte den Leiter der Präsidialsektion, Karl Hutter, in der Causa vor. „Von einer ‚Informationssperre‘ kann keine Rede sein“, stellte Hutter fest. Im kritisierten Schreiben des Ressortsprechers, das an verschiedene Polizeidienststellen versandt wurde, werde nicht nur ausdrücklich auf das „rechtlich vorgesehene“ Maß der Zusammenarbeit mit Medien hingewiesen, sondern es wurde zur Erläuterung auch eine umfangreiche Passage aus dem Auskunftspflichtgesetz beigefügt.
Hutter betonte als Vorgesetzter des Verfassers, dass es sich bei dem Mail weder um eine Weisung handle noch um ein Schreiben, das im Auftrag oder auch nur im Wissen des Innenministers oder seines Kabinetts verfasst wurde. Formulierungen wie „Schreiben aus dem Ministerbüro“ oder gar „Geheimpapier“ seien deshalb unzutreffend, erklärte Hutter in einer Aussendung.
„Das Mail stellt auch keineswegs eine Leitlinie für die Arbeit der Kommunikations-Mitarbeiter im Bundesministerium und den Landespolizeidirektionen dar“, sagte Hutter. Die Prinzipien der Medienarbeit seien aktuell im „Erlass für die interne und externe Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Inneres (BMI) und der nachgeordneten Behörden und Dienststellen“ geregelt.
Das Innenministerium will die aktuelle Debatte zum Anlass für eine Neufassung der Grundlagen der Medienarbeit nehmen. „Wir werden unter meiner Koordination und unter Federführung des Kommunikations-Abteilungsleiters neue Leitlinien erstellen. Diese werden nach Fertigstellung auch den Kolleginnen und Kollegen der Medien zur Verfügung gestellt“, kündigt Hutter an.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) übte am Rande der UNO-Generalversammlung in New York Kritik an den Plänen des Innenministeriums. „Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel“, so Kurz‘ Botschaft in Richtung Innenminister Herbert Kickl vom Koalitionspartner FPÖ.
Dass das Innenministerium angekündigt hat, eine neue Kommunikationsrichtlinie zu erarbeiten und eine faire Zusammenarbeit mit allen Medien anzustreben, hält Kurz für richtig. Nachsatz: „Die Ausgrenzung oder der Boykott von ausgewählten Medien darf in Österreich nicht stattfinden. Das gilt für die Kommunikationsverantwortlichen aller Ministerien und öffentlichen Einrichtungen.“
Der Kanzler betonte zudem, dass das für alle Parteien gelte. Im Bundeskanzleramt verwies man darauf, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu solchen Versuchen von Kommunikationsverantwortlichen gekommen sei, etwa unter dem früheren Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), dessen Team Anfang 2017 wegen eines für die damalige Regierung wenig erquicklichen „Bürgerforums“ vorübergehend den ORF boykottiert oder im Herbst 2017 einen Inseratenboykott über eine österreichische Tageszeitung verhängt hatte.
„Kurier“ und „Standard“ hatten über ein Mail des von Kickl eingesetzten Ministeriumssprechers an diverse Polizeidienststellen berichtet, wonach die Kommunikation mit kritischen Medien wie „Kurier“, „Standard“ oder „Falter“ auf das Nötigste – rechtlich vorgesehene – Maß zu beschränken sei und es keine „Zuckerl“ geben soll, weil diese Medien laut Innenministerium einseitig und negativ berichten würden. Als positives Beispiel werden in dem Schreiben hingegen vom Innenressort abgenommene Polizei-Formate des Privatsenders ATV genannt.
Darüber hinaus wird in dem Schreiben darauf hingewiesen, bei der polizeilichen Medienarbeit künftig generell die Herkunft von Tätern zu nennen und Sexualdelikte, die in der Öffentlichkeit begangen werden, offensiver zu kommunizieren. Das Innenministerium will damit den Fokus stärker Richtung Ausländerkriminalität richten.
Das Ministerium versuchte nach Bekanntwerden des Papiers – wie schon in der BVT-Affäre – vor allem den Eindruck zu vermitteln, dass der politisch verantwortliche FPÖ-Minister mit dem Vorgehen seiner Mitarbeiter und Beamten nichts zu tun habe. Kickl sei „weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung“, hieß es in einer Aussendung. Die durchgesickerten Pläne wurden als „Anregungen und Kommentare ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter“ bezeichnet. Zugleich wurde in der offiziellen Ministeriumsaussendung aber festgehalten, dass der „Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien“ angesichts der Berichte über die Pläne des Ministeriums „nicht aus der Luft gegriffen“ seien.
„Kurier“-Herausgeber Helmut Brandstätter warf dem Innenminister unterdessen versuchte Manipulation der Öffentlichkeit vor. Das Recht der Bevölkerung auf Information soll beschnitten werden. „Der Innenminister und andere Kräfte in unserem Land wollen nicht akzeptieren, was das Wesen des Journalismus ist.“ Investigativer Journalismus kläre die Öffentlichkeit auf, indem er Informationen der Regierung und privater Institutionen bekannt mache, die diese sonst unterdrücken würden, zitierte Brandstätter aus den Leitlinien des berühmten Pulitzer-Preises. „Unsere Demokratie darf nicht in Dunkelheit sterben, nur weil sich ein Minister zu schwach fühlt, Kritik auszuhalten und offenbar ungeeignet für dieses sensible Amt ist.“
Beim „Standard“ sprach man von einem „Frontalangriff auf die Medienfreiheit“. Kritik am Innenministerium kam auch von Boulevardmedien. „Das ist eine deutliche (und nebenbei ziemlich stumpfsinnige) Grenzüberschreitung und brüskiert alle Medien, nicht nur die Genannten. Ich empfehle: Zurückziehen, Fehler eingestehen, Sicherstellung der professionellen Zusammenarbeit mit allen Medien“, erklärte etwa „Heute“-Chefredakteur Christian Nusser via Twitter.
Auch die Oppositionsparteien übten heftige Kritik an den Überlegungen des FPÖ-geführten Innenministeriums. SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda nannte die „Empfehlungen“ des Innenministeriums einen „Maulkorberlass für unabhängige Medien“. Politisch verantwortlich dafür sei der Innenminister. Die Letztverantwortung dafür trage allerdings Bundeskanzler Sebastian Kurz, der dem Treiben seines Innenministers auch beim BVT seit Monaten tatenlos zusehe. „Ich fordere Kurz auf, seinem Bekenntnis zu Pressefreiheit Taten folgen zu lassen und klare Konsequenzen zu ziehen, um diese versuchte Orbansierung Österreichs zu verhindern“, so Drozda.
Der Versuch einer Einflussnahme nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ auf die Vierte Gewalt im Staat sei in Österreich einmalig und entschieden zurückzuweisen, erklärte der SP-Mediensprecher. Der Kärntner Landeshauptmann und SPÖ-Chef Peter Kaiser sowie die oberösterreichische SPÖ-Chefin Birgit Gersthofer legten Kickl den Rücktritt nahe.
Besorgt reagierte NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger. „Ein derart frontaler Angriff auf die Pressefreiheit ist völlig inakzeptabel. Der Innenminister verliert jede Hemmschwelle. Kritische Stimmen zu bestrafen und gefügige Medien zu belohnen, kennt man eigentlich nur aus illiberalen Autokratien. Kickl ist ein echtes Risiko geworden – er ist endgültig rücktrittsreif“, so Meinl-Reisinger. Dass die Herkunft von Tätern öffentlich genannt werden soll und keine Rücksicht mehr auf den Opferschutz bei Sexualdelikten genommen wird, zeige wohin die Reise geht.
Dass Kickl vom Schreiben seines Ressortsprechers angeblich nichts wusste, sei das übliche Spiel des Ministers. „Kickl muss sich verantworten und Konsequenzen ziehen.“ Die NEOS wollen den Innenminister daher während der Nationalratssitzung am Mittwoch ins Plenum holen, um eine Dringliche Anfrage an ihn zu richten. „Sollte er sich wieder mit absurden Begründungen herausreden wollen und erneut jede Verantwortlichkeit von sich weisen, werden wir einen Misstrauensantrag gegen Herbert Kickl einbringen“, sagte Meinl-Reisinger. Den Worten von Bundeskanzler Kurz müssten Taten folgen. „Ich hoffe, dass dies nicht zur Message-Control von Bundeskanzler Kurz gehört. Es braucht hier endlich Konsequenzen.“