„Kurier“-Chefin Salomon will Medienhaus trimedial aufstellen
Die neue „Kurier“-Chefredakteurin Martina Salomon will das Medienhaus „trimedial“ aufstellen. Einen neuen Online-Chef wird es nicht geben, sondern die Chefredaktion „für alle Kanäle zuständig sein“, sagt sie im APA-Interview. Der „Kurier“ werde weiter „klassische Familienqualitätszeitung“ sein, mit „konstruktivem Journalismus mit Nutzwert“. Politischen Hintergrund habe ihr Avancement nicht.
Der bisherige Chefredakteur Helmut Brandstätter, der Herausgeber bleibt, sei wegen seiner kritischen Kommentare auf Regierungswunsch via Eigentümer Raiffeisen abgelöst wurden, wurde rund um Salomons Bestellung in der Branche gemunkelt. „Der Eigentümer hat mich gefragt, nicht die Politik“, sagt Salomon, die stets betont, allen Parteien gegenüber die gleiche kritische Distanz zu wahren, dazu. Sie sei auch nicht die einzige Kandidatin gewesen, „ich habe durchaus ehrenvoll andere gute Kandidaten aus dem Feld geschlagen. Politik hat dabei keine Rolle gespielt.“ Außerdem werde Brandstätter weiter Leitartikel schreiben.
„Meine Herausforderung ist weniger die Politik als neue Erlösmodelle“, meint Salomon, die mit diesem Montag (1. Oktober) ihr neues Amt offiziell antritt. Sie will „unsere Trimedialität leben“: Der „Kurier“ ist ja neben Print und Online seit einiger Zeit mit „SchauTV“ auch im Fernsehen aktiv. „Größte Herausforderung“ ist für die bisherige stellvertretende Chefredakteurin, „wie man die jungen Zielgruppen interessieren kann“. Viele Leser seien „mit dem ‚Kurier‘ am Küchentisch“ aufgewachsen, „ihr Herz hängt am ‚Kurier‘: Diese Begeisterung will ich bei den Jungen auch wecken.“
Die Online-Chefredaktion, seit dem Abgang von Stefan Kaltenbrunner zu „Addendum“ vakant, wird nicht nachbesetzt. Das gesamte Team der Chefredaktion werde künftig als „große Aufgabe“ haben, die Kanäle Print, Online und Bewegtbild zu verschränken. Salomons Stellvertreterriege besteht aus Gerd Korentschnig und Michael Jäger. Dass wieder eine dritte Person dazukommt, auch um „die Trimedialität abzubilden“, sei denkbar, sagt Salomon auf eine entsprechende Frage.
Der Trend von Medienhäusern zu „Online First“ geht auch am „Kurier“ nicht vorbei, schon seit Jahresende finde ein Beratungsprozess statt, „den werde ich natürlich fortsetzen. Und wir haben schon etliches an unserer Arbeitsweise geändert: Wer in der Früh beginnt, arbeitet zuerst einmal online, und dieser Fokus wird weitergehen“, künftig „noch viel mehr vom Newsdesk“ gesteuert.
Inhaltlich ist Salomon „constructive journalism“ ein Anliegen, „weil die Welt nicht nur aus ‚bad news‘ besteht“, Journalismus „sachlich und ohne Schaum vorm Mund, der nicht am hohen Podest sitzt, der Nutzwert stiftet.“ Journalismus sei keine „Einweg-Kommunikation mehr“, sondern müsse auf die Nutzer zugehen. Das „Kurier“-Medienhaus sei mit starken journalistischen Marken gut für die Zukunft aufgestellt. Eine Re-Regionalisierung will Salomon vorantreiben: „Wir waren einmal sehr stark im Regionalen und sollten das wieder sein. Das ist eine Marktlücke, die wir gut ausfüllen können.“ Das benötige „volle Power“ vor allem in der Chronik-Redaktion, „auch digital müssen wir uns mehr überlegen“. Für die Länder-Redaktionen, wo es einen „Sparkurs“ gab, könnte dies einen Ausbau bedeuten.
Die Seite eins des „Kurier“ wurde zuletzt umgestaltet, auch, um Platz für Hinweise auf regionalen Content zu schaffen. Einen generellen „großen Relaunch“ stellt Salomon derzeit nicht in Aussicht, doch „ich werde versuchen, es noch ein bisschen sichtbarer zu machen, dass wir eine Qualitätszeitung sind“. Thematisch sollen etwa Wissenschaft, die Futurezone, aber auch Kulinarik – Salomon ist selbst begeisterte Köchin – mehr Raum erhalten.
Öffentlich ausgetragene Gefechte mit Mitbewerbern wird es im „Kurier“ künftig eventuell selten geben. Brandstätter hatte öfters „Österreich“ im Visier und sparte auch nicht mit ORF-Kritik. „Da bin ich der deutlich friedfertigere Typ“, meint Salomon: Im aktuellen „Transformationsprozess“ der Branche sollte man „sich nicht gegenseitig die Augen aushacken. Natürlich bin ich mit manchen Methoden der Mitbewerber nicht einverstanden, aber ich bin nicht der Typ, der an die große Glocke hängt, was die anderen falsch machen.“
Im Oktober wird die „Kurier“-Redaktion gemäß Statut über Salomons Bestellung abstimmen. „Ich wäre sehr überrascht, wenn mich zwei Drittel ablehnen“, blickt sie dem gelassen entgegen: „Man kennt mich seit acht Jahren und weiß, wofür ich stehe“. Sie setze auf eine „Politik der offenen Tür“ und „Hineinhorchen in die Redaktion“, wo viel „kreatives Potenzial“ vorhanden sei.
Salomon ist 58 Jahr alt, erreicht also in rund zwei Jahren das gesetzliche Pensionsalter – wird sie dann die Redaktionsführung wieder abgeben? „Sicher nicht“, lacht sie. „Ich habe in Tausend Kommentaren geschrieben, dass ich es für falsch halte, wenn Frauen mit 60 Jahren in Pension gehen.“ Sie stehe der Zeitung auch über diesen Zeitpunkt hinaus voll zur Verfügung.