Soziale Medien ohne Grenzen
In der Social Media-Welt gibt es mit der App Vero einen neuen Herausforderer für Facebook und Instagram – sowohl für User als auch Werber.
Es war offensichtlich nur eine Frage der Zeit: Nachdem sich social networks wie Facebook, Instagram oder Twitter immer mehr zu Medienplattformen mit gesteuertem Content und Werbeeinschaltungen entwickelten, erschien nun ein neuer Anbieter auf der Oberfläche: Mit der App namens Vero soll die Sehnsucht der User nach mehr Social Life und weniger Social Media gestillt werden. Vero will werbefreibleiben und ohne Algorithmus arbeiten. Ein ehrgeiziges Unterfangen, denn für Branchenkenner ist es noch unklar, wie sich die App einerseits finanzieren will und andererseits die Inhalte in Zukunft notwendigerweise aufbereiten bzw. sortieren wird. Im Interview mit dem Medienmanager erläutert Cosima Serban, Group Account Director von Newcast (Publicis Media Austria) und iab-Vorstandsmitglied für Agenturen, welchen Platz Apps wie Vero in Zukunft einnehmen könnten.
Medienmanager: Wer hat etwas von der neuen App Vero? Was hält die Mediaplanung davon?
Cosima Serban: Die neu entdeckte App Vero, die in einer von Werbung überfluteten Welt, Wahrheit, Mehrwert, weniger Social Media und mehr Social Life verspricht, kann auf Nutzerseite nur gewinnen. Für Mediaplaner, Strategieentwickler und Werbetreibende öffnet die „True Social“ Ausrichtung von Vero neue Horizonte, schließt aber auch zugleich andere Möglichkeiten. Denn Marketingprofis werden sich neue Inszenierungsformen und innovative Darstellungen für ihre Produkt-USPs überlegen müssen und näher mit ihren PR-Abteilungen und Owned & Earned Media-Verantwortlichen arbeiten müssen.
Medienmanager: Was heißt das konkret?
Serban: Banner zu buchen ist die einfachste Möglichkeit, Onlinewerbung zu betreiben – die hohe Kunst ist, Bannerausspielungen mit den richtigen Botschaften, den sinnvollen Targetings und dem unterhaltsamen, emotionalen Konzept dahinter zu kombinieren, um Informationen zu liefern, aber die höchste Aufmerksamkeit und Wirkung bei den Empfängern zu generieren. Sobald Bannerschaltungen oder andere werbliche Schaltungen in Form von Bewegtbild, Native Ads usw. nicht mehr möglich sind, wird es komplizierter.
Medienmanager: Welche Konsequenzen hätte Werbefreiheit?
Serban: Vero ist soweit werbefrei – aber stellt dennoch für Werbetreibende eine neue Möglichkeit, die eigenen Produkte durch geschickte Inszenierungen richtig zu positionieren. Vielleicht sind gekaufte Ad Platzierungen nicht möglich, aber niemand sagt nein z.B. zu Content Marketing mit Testimonials, Online PR/Influencer Relations oder Guerilla Aktionen – somit kann Vero bzw. können alle vergleichbaren Social Life Apps neue Chancen mit sich bringen. Wie sich die App finanzieren wird, ist noch ein Rätsel. Zwar soll die App für immer werbefrei bleiben, aber das meinten andere Social Media-Netzwerke auch, bevor sie groß genug wurden. Mit einem Abo-Modell zu arbeiten, ist eine Fivty-Fivty-Chance auf Erfolg. Der Mehrwert für den Nutzer muss gegeben sein, dann wird die App generell erfolgreich und kann auch eine monatliche Gebühr dafür verlangen.
Medienmanager: Welche Möglichkeiten, Erlöse zu generieren, könnte es geben?
Serban: Was wenige noch aktuell in Erwägung ziehen, ist, dass die App neue Möglichkeiten im Bereich Affiliate Marketing, Referrals öffnen könnte. Auch für die Generierung von Zielgruppeninsights, Earned Media Sentimentanalysen und Datenclusterungen können Angebote wie Vero von hoher Bedeutung sein– denn die Struktur der App erlaubt der Nutzerschaft viel zu teilen, viel Meinung zu liefern und aber im Sinne von Online Word of Mouth Empfehlungen auszusprechen.
Medienmanager: Welche Herausforderungen orten Sie bezüglich der Content-Sortierung?
Serban: Die chronologische Nachrichteneinspeisung im Algorithmus-freien Newsfeed erleichtert den Informationskonsum und sichert schon den ersten Pluspunkt – Vero zeigt die neuesten Beiträge zuerst, losgelöst von verschachtelten Logiken und priorisierenden Reihenfolgen. Als reine Publishing Plattform, aber auch als solche, die eine indirekte Datensammlung und direkte Datenanalyse mit richtig wertvollen Insights ermöglicht, ist Vero für kleinere Brands – die noch keine Paid Strategie oder viel Investmentpotenzial haben -, aber auch für große Player durchaus interessant. Die App wird als Zusatzkanal für die Identifizierung neuer Nutzersegmente, mit dem Gewinn von mehr und mehr lokalen Nutzern immer relevanter werden.
Medienmanager: Ihre Einschätzung zu den Zukunftschancen?
Serban: Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schwierig, eine Prophezeiung zu wagen. Die App könnte mit der werbefreien Ausrichtung nur Pluspunkte generieren und zu einem der neuen top Content Marketing & Distribution Kanäle werden und es schaffen, als Teil einer größeren, crossmedialen Plattformintegration betrachtet zu werden. Es kann aber auch passieren, dass Vero in Vergessenheit geraten wird aufgrund der besseren Reichweiten und höheren Potenziale der Monopolisten Facebook, YouTube, Snapchat, Twitter usw.
Medienmanager: Was wird realistischerweise kommen?
Serban: Vermutlich ist die wichtigste Frage auf der höchsten Meta-Ebene: wenn es keine sichtbaren Ads sind, ist es keine Werbung, wenn es Content ist, ist es frei von Werbeinhalten? Aus einer Marketing-Perspektive ist „werbefrei“ nicht immer „frei von werblichen Inhalten“ – aber eine neue Ausrichtung der Kanäle und Plattformen würde den Fokus grundsätzlich in Bewegung bringen, von einem reinen Beeinflussungswunsch in Richtung eines Begeisterungsversuchs und aber auch weg von einer teilweise leider noch plumpen Werbung und hin zur intelligenten Markeninszenierung mit Mehrwert. Abgesehen von Vero: Die unschlagbarste App der Zukunft, die alle Grenzen sprengen könnte, ist sicher ein Aggregator – der Shazam Augmented Reality Funktionen, Spotify Playlists, Instagram Filter, Boomerang Stop Motion Elemente, Facebook Algorithmen, Netflix Video on Demand, Snapchat/Messenger Overlays, Google Maps und Twitter-Indexierungen integriert – alles für die beste Nutzerfreundlichkeit und den höchsten Mehrwert.
Autor: Erika Hofbauer