Kritik an neuem EU-Digitalprojekt
Nach DSGVO und Plänen zu einer Digitalsteuer bleibt die EU-Kommission am Gas: Sie will für Onlinedienste einen verpflichtenden Uploadfilter.
Die EU-Kommission lässt nicht locker, um Player in der Digitalwirtschaft an die Leine zu nehmen. Nach DSGVO, ePrivacy und Plänen zu einer „digital tax“ möchte die Behörde nun Hostern und Onlineplattformen jeglicher Größe Maßnahmen heftig ans Herz legen, um in Zukunft rechtswidrige Inhalte auf Plattformen so rasch wie möglich sperren zu können. In Deutschland ist dieses Vorhaben bereits auf laute Kritik seitens der Digitalwirtschaft gestoßen. In Österreich ist man ähnlich skeptisch.
Übertrieben. „Die Verpflichtung zur umfassenden Filterung von User-Inhalten ist unverhältnismäßig und beschränken die Inhaltsvielfalt im Web, weil die Plattformen ihr Haftungsrisiko minimieren werden“, meint etwa iab austria-Präsident André Eckert. Es existieren keine wirksamen Mechanismen, um rechtmäßige Inhalte wie beispielsweise Kritik, Kultur, Satire oder Karikatur vor Blockung zu schützen, so Eckert weiter: „Eine weitreichende Zensur widerspricht dem Grundgedanken des freien Internets als demokratisches Medium.“ Freilich schließe sich das iab der Meinung von Digitalisierungsministerin Margarethe Schramböck an, dass es eine klare Differenzierung zwischen legalen und nicht legalen Inhalten geben muss: „Der wirksamste Filter gegen Fake News sind nach wie vor journalistische Inhalte heimischer Qualitätsmedien, die hohen redaktionellen Standards folgen.“
Bedenken. Auch Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA (Internet Service Providers Austria), hat bereits seit geraumer Zeit das Thema Upload-Filter auf dem Radar: „Die ISPA hat bereits als einer der ersten Verbände in Europa im Oktober 2016 ein Joint Statement von 16 namhaften österreichischen Verbänden erarbeitet und darin unter anderem Bedenken gegen Upload-Filter zum Ausdruck gebracht.“ Darin zeige man auf, dass eine entsprechende Überwachungspflicht nicht nur als unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte der bzw. des Einzelnen zu werten sei, sondern die Umsetzung speziell kleine Unternehmen bzw. Start-ups vor erhebliche Herausforderungen stelle und damit letztendlich der österreichische bzw. der europäische Wirtschaftsraum geschwächt werde. „Sowohl aus grundrechtlicher als auch aus wirtschaftlicher Sicht muss der Vorschlag daher abgelehnt werden“, skizziert Schubert seine Argumente gegen dieses Vorhaben.
Gründe. Upload-Filter würden Betreiber dazu verpflichten, große Mengen an Daten zu überwachen, da präventiv die Uploads aller Nutzerinnen und Nutzer überwacht werden müssten. „Dies muss äußerst kritisch hinterfragt werden, insbesondere im Lichte des Art. 15 E-Commerce-Richtlinie, in welchem bislang ein Verbot von generellen Überwachungspflichten für Access und Hosting Provider vorgesehen ist.“ Darüber hinaus käme dieser Plan einer Auslagerung der Rechtsprechung an Unternehmen gleich, was ebenfalls abzulehnen sei. Auch wären Schuberts Ansicht nach die vorgesehenen Upload-Filter technisch nicht umsetzbar: „Aufgrund der Unterschiede in den Rechtssystemen ist auch die Filter-Software nicht dazu in der Lage, Inhalte rechtlich korrekt zu beurteilen, da diese nicht an das komplexe und heterogene europäische Rechtssystem etwa im Bereich Urheberrecht und Meinungsfreiheit angepasst werden kann.“ Der ISPA-Generalsekretär sieht durch diese Maßnahme vor allem wirtschaftliche Folgen für kleine und mittelgroße Betreiber, denn: „Einige große Plattform-Betreiber setzen bereits eine vollautomatisierte Überwachung von User-Uploads ein – etwa YouTube mittels der Software Content ID -, wodurch vor allem Urheberrechtsverletzungen bzw. der erneute Upload von bereits gelöschtem Material verhindert werden sollen.“ Jedoch verfügen gerade kleine und mittelgroße Unternehmen nicht über die gleichen finanziellen und personellen Ressourcen, um einerseits den organisatorischen Aufwand sowie andererseits das rechtliche Risiko gegenüber Nutzern aufzunehmen, um solche Maßnahmen zu entwickeln oder umzusetzen – wodurch am Ende gerade die Etablierung innovativer Dienste behindert wird, schlussfolgert Schubert.
Digitaler Schwarzmarkt. iab-Präsident Eckert sieht noch andere problematische Facetten: „Sicherheitsrelevante Bedenken – Stichwort Terrorismus – sind natürlich berechtigt. Jedoch werden diese Inhalte großteils im so genannten Darknet publiziert. Eine allgemeine Zensur von Inhalten würde wohl zu einer stärkeren Verschiebung auf den ‚digitalen Schwarzmarkt‘ führen. Das ist in keinem Fall begrüßenswert.“ Die EU sei jedenfalls gut beraten, so Eckert, nicht den nächsten Schritt zu digitaler Überregulierung zu tätigen: „Er würde die Funktion des Internets gefährden, Inhalte und Informationen zu teilen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“ ISPA-Generalsekretär Schubert fügt hinzu, dass es außerdem schon Alternativen gäbe: „Mithilfe von priority flagger-Programmen können bereits jetzt Inhalte in der Regel rasch gelöscht werden.“ Dabei gewähren Betreiber Behörden oder vertrauenswürdigen Privatpersonen, Institutionen und NGOs eine spezielle Meldemöglichkeit, die dazu führt, dass von diesen gemeldete Inhalte zwar nicht automatisch gelöscht werden, aber bei der Prüfung schneller behandelt werden, da z. B. Vorprüfungsschleifen entfallen. Hierdurch wäre dem Interesse nach einer raschen Löschung entsprochen, ohne dass es zu einer massenhaften Überwachung von Inhalten kommt, so Schubert.
Autor: Erika Hofbauer