Vernachlässigen Marken ihre Kunden?
Die Vielzahl an Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Unternehmen und ihren Kunden bringen Marken und ihre Produkte in Zugzwang.
Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bringt Unternehmen dazu, ihre Möglichkeiten der Kundenkommunikation kräftig zu überarbeiten. Zuletzt wurde zusätzlich ein Vorwurf (in Deutschland) laut, wonach viele Marken den Kontakt zu ihren Kunden anderen Handlungsträgern überlassen: Dem Handel, Facebook oder gleich dem Zufall. Eigene Communities könnten hier eine brauchbare Alternative sein. Ist der Vorwurf, Marken vernachlässigen ihre Kunden, in Österreich berechtigt?
Mehrere Ebenen. Günter Thumser, Geschäftsführer des Österreichischen Markenartikelverbandes (MAV), will diesen Vorwurf nicht gelten lassen: „Ich sehe aktuell eher das Gegenteil: Durch die elektronischen Medien, insbesondere im Social Media-Bereich, gab es noch nie so viele Möglichkeiten der direkten Interaktion zwischen – auch nur potentiellen – Kunden und ihren Marken. Allerdings – und das vermittelt möglicherweise ein etwas verzerrtes Bild in der öffentlichen Wahrnehmung – findet diese Interaktion auf viel mehr Ebenen statt als je zuvor.“ Die Kommunikation sei einfach viel diverser, fraktaler und damit auch individueller geworden – ebenso wie das Produktangebot. Für Thumser gelte heute daher mehr denn je Markenführung: „Jene Marken haben den größten Erfolg, die sich möglichst nahe an den Bedürfnissen ihrer Kunden beständig weiterentwickeln – das gelingt nachhaltig eben nur, wenn auch von Seiten der Markenverantwortlichen die Sensibilität für aktuelle Veränderungen und vor allem Herausforderungen der Zukunft aktiv gelebt, also unter Beweis gestellt wird.“ Der aufgeklärte Konsument ist in seiner Social Media-Aktivität und natürlich im jeweiligen Kaufverhalten die beständig sich neu kalibrierende Messlatte dazu, ist der MAV-Geschäftsführer überzeugt.
Zukunft. Freilich sieht Markenartikel-Experte Thumser eine gewisse Problematik: „Ich kann nachvollziehen, dass man sich im Speed unseres so volatilen Umfelds oft motiviert sieht, Spezialisten zu engagieren – insbesondere, wenn es um zugegebenermaßen hochkomplexe neue Entwicklungen in der Kommunikation geht.“ Generell gelte für ihn auch weiterhin: „Nur wenn das eigene Ohr nahe am Kunden ist, spricht der Kunde auch direkt ins Unternehmen hinein. Sehr ähnlich sehe ich es auch bei der aktiven Kommunikation zum Kunden.“ Das wünschenswerte Optimum sei hier wohl die konstruktive und balancierte Kooperation zwischen Experten und Markenverantwortlichen zum langfristigen Wohle der Marken und ihrer Kunden, resümiert der MAV-Geschäftsführer.
Autor: Erika Hofbauer