Gebührenverrechnung, Brand Safety, Ad Fraud – diese Themen haben die Diskussionen zu Programmatic Media Buying 2017 dominiert. Ein Gespräch mit Marius Rausch von AppNexus über die Trends bis 2020.
MedienManager: Transparenz – in Bezug auf Gebührenverrechnung, Brand Safety, Ad Fraud etc. – hat die Diskussionen zum Thema Programmatic Media Buying 2017 dominiert. Welche Anstrengungen werden vonseiten AppNexus unternommen, um das Kundenvertrauen zu stärken?
Marius Rausch: Programmatic ist vor zehn Jahren im Markt vorgestellt worden mit dem Versprechen, die Abläufe des Media Buying in der digitalen Welt zu vereinfachen und sie effizienter und transparenter zu gestalten. Dieses Versprechen wurde dann anfangs nicht eingelöst. Ein gewisser Vertrauensverlust war die Folge. Wir als Branche müssen uns nach wie vor stärker bemühen, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Bei AppNexus nehmen wir diese Themen sehr ernst. Teams von Experten arbeiten beispielsweise intensiv an der Erkennung und Vermeidung von Ad Fraud. Einige Methoden der Betrüger haben wir kürzlich in einem Whitepaper vorgestellt, um am Markt das Wissen um diese Methoden zu stärken. Zudem haben wir unsere Demand Side Platform (DSP) komplett neu entwickelt und vergangenes Jahr unter dem Namen AppNexus Programmable Platform (APP) vorgestellt. In Kürze werden wir sie nach einer Betaphase für alle Kunden öffnen. Es ist ein ganz neues DSP-Angebot, das sich stark von dem unterscheidet, was aktuell am Markt als Standard gilt. Das komplexe Machine Learning von APP bekämpft Fraud im Hintergrund und stellt Brand Safety sicher. Gleichzeitig ermöglicht APP als erste programmierbare DSP, einerseits Mikrooptimierungen beim Media Buying automatisiert durchführen zu lassen und andererseits Raum für die Intuition der Trader zu lassen. Bezüglich Transparenz haben wir noch einiges vor. Mit Adobe haben wir bereits eine Partnerschaft angekündigt, die den Marketern aufzeigt, welche Gebühren von welchen Dienstleistern auf dem Weg von der Media-Buchung bis zur Ausspielung einer Anzeige anfallen.
Was sind die größten Unterschiede zwischen dem europäischen und dem US-Markt bei Programmatic Media Buying?
Rausch: Zunächst werden Technologien in den einzelnen Märkten nach wie vor mit sehr unterschiedlichem Tempo implementiert. Der USMarkt und beispielsweise Großbritannien sind bezüglich Programmatic Media Buying schon sehr weit. Doch auch in Deutschland und der Schweiz werden mittlerweile knapp die Hälfte der digitalen Werbebudgets programmatisch gesteuert. Diese Marktreife führt dazu, dass wir in diesen Märkten die Technologie an sich nicht mehr erklären müssen. Es geht vielmehr darum, die vielfältigen Möglichkeiten darzustellen und den Verlagen wie auch den Einkäufern dabei zu helfen, das jeweils optimale Setup zu implementieren. Interessant ist auch, dass Europa gerade deutlich in den Fokus rückt, denn die Datenschutzdebatte hat ja hier ihren Ursprung. Wenn zuvor die Entwicklungen stark von den USA getrieben waren, geben die Anforderungen der europäischen Region gerade den Ton an.
Österreich entwickelt sich übrigens etwas anders. Programmatic macht hier noch zwischen 20 und 30 Prozent aus, wobei es sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten in der Umsetzung gibt. Microsoft hat beispielsweise das komplette Advertising auf Programmatic umgestellt. Die klassischen Publisher hingegen, die bei diesem Thema eher verhalten agieren, setzen bislang eher 10 bis 15 Prozent programmatisch um. Das liegt unter anderem an der Bedeutung von persönlichen Beziehungen. Da es im Markt nur wenige große Publisher gibt, liegt der Fokus eher auf dem Direktgeschäft zwischen Verkäufern, Websitebetreibern und Einkäufern, bei dem Preise im Vorfeld verhandelt werden. Der offene Marktplatz spielt hier eine untergeordnete Rolle. Zusammen mit unseren Partnern vor Ort werden auf unserer Plattform solide Systeme für die automatisierte Abwicklung von Kampagnen erstellt, bei denen die Konditionen schon feststehen.
Was ist Prebid Video und was kann es?
Rausch: Prebid allgemein ist eine Open-Source-Lösung für Header Bidding. Wenn Publisher Anzeigenflächen über programmatische Systeme verkaufen, ermöglicht es das Header Bidding, Gebote mehrerer Bieter gegeneinander laufen zu lassen. Publisher sind somit nicht mehr von einer einzigen SSP (Supply Side Platform) abhängig, sondern können die Anzahl der Gebote auf eine Anzeigen-Impression maximieren, um so den besten Preis zu erzielen. Prebid Video ist ein Teilbereich davon, der speziell für Bewegtbildwerbung konzipiert wurde. Damit können übrigens sowohl Werbeplätze vor Videoinhalten (Pre- Roll) versteigert werden als auch sogenannte Outstream-Werbung, die im redaktionellen Teil einer Website platziert wird, oder sogar Videos in Werbeplätzen, die normalerweise für Banner vorbehalten sind. Da Prebid Video von der Open Source Community entwickelt wird, haben Einkäufer und Verkäufer die Möglichkeit, die Technologie gemeinsam so anzupassen, dass sie für jeden Beteiligten die ideale Lösung darstellt.
Wofür werden AI und Machine Learning derzeit eingesetzt, und was soll da noch kommen?
Rausch: Bei AppNexus steht die Symbiose von Mensch und Maschine im Fokus. Wir entwickeln unsere Systeme wie die AppNexus Programmable Platform (APP) so, dass die Maschine alle Mikrooptimierungen auf Basis der vorgegebenen Kampagnenanforderungen und Ziele vornehmen kann. Neben der Identifizierung des besten Weges zu passendem Werbeinventar (Supply Path Optimization), gehörn bei der Abwicklung unter anderem auch die Berechnung des optimalen Gebotspreises je Auktion (Bid Price Optimization) und die Optimierung auf Sichtbarkeit dazu. Genauso wichtig sind allerdings auch UÅNberprüfungen im Hintergrund, beispielsweise die Analyse des Umfeldes (Brand Safety) oder das Blocken von Angeboten, die auf Fraud schließen lassen. Das alles kann mit Machine Learning und künftig auch künstlicher Intelligenz dem Trader abgenommen werden. Der Mensch kann sich dann darauf konzentrieren, seine Erfahrung, Expertise und Intuition für die optimale Kampagnenplanung einzusetzen.
Welche Trends sehen Sie für die nächsten drei Jahre bis #2020?
Rausch: In den nächsten drei Jahren wird Transparenz zum Standard, insbesondere bezüglich der Gebühren, die bei der Abwicklung programmatischer Einkäufe anfallen. Zudem konzentriert sich die Politik gerade darauf, dem User mehr Kontrolle über persönliche Daten zu geben. Das ist aus unserer Sicht für den Fortbestand des offenen Internets auch unbedingt nötig. Beide Entwicklungen sind mit erheblichem Aufwand für alle Beteiligten verbunden. Der Markt wird sich daher auch deutlich bereinigen und die Anzahl der Anbieter damit schrumpfen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das offene Internet aus diesen Entwicklungen gestärkt hervorgehen wird. Publisher werden sich ihrer Kernkompetenz und ihrer Aufgabe in der Demokratie und dem „freien“ Internet wieder mehr bewusst. Sie werden sich den Walled Gardens wie Facebook und Google verstärkt entgegensetzen können und dem Nutzer hochwertig produzierte, seriöse Angebote unterbreiten. Mithilfe unabhängiger Anbieter wie uns werden sie dieses Qualitätsinventar auch angemessen monetarisieren können. Denn Werbungtreibende erkennen den Wert dieser Qualitätsumfelder für die Ansprache ihrer Zielgruppen.
Es gibt zahlreiche Initiativen für einheitliche Qualitätsstandards, denken wir an Coalition for Better Ads, IAB Gold Standard oder auch JICWEBS. Was schätzen Sie, wie lange wird es dauern, das im DACH-Markt umzusetzen, und woran scheitert es Ihrer Meinung nach am meisten?
Rausch: Die Märkte gehen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit daran, Standards umzusetzen. Das hängt damit zusammen, dass die Märkte eben unterschiedlich sind. Lobenswert ist beispielsweise die Einführung des Code of Conduct für Programmatic durch IAB Austria. Für die Bekämpfung von Anzeigenbetrug verbreitet sich zudem die Einbindung der ads.txt-Datei bei vielen Publishern schnell. Insofern sind einige Standards auch in Österreich schon auf einem sehr guten Wege. Wir bei AppNexus unterstützen solche Initiativen, denn wir haben uns, wie schon erwähnt, als oberstes Ziel gesetzt, das offene Internet anstatt geschlossener Systeme zu fördern. Letztlich muss aber jeder Markt selbst entscheiden, welche Standards angemessen und für die jeweiligen Ziele nützlich sind. Als Technologieanbieter mit globaler Entwicklungskraft und lokaler Expertise können wir diese Initiativen unterstützen und dann dem Markt überlassen, welche Bausteine er davon einsetzen möchte.
Ihre Einschätzung des österreichischen Marktes und seines Entwicklungspotenzials, bitte.
Rausch: In Österreich sehen wir noch einen vergleichsweise niedrigen Anteil von Programmatic am digitalen Werbemarkt, gleichzeitig aber eine der stärksten Wachstumsraten im europäischen Vergleich. Vor dem Hintergrund der mittlerweile hohen Reife der Technologie und auch der sich immer stärker etablierenden Standards würde ich erwarten, dass das Vertrauen der Werbebranche in Österreich in diese Art des Mediahandels auch in diesem Tempo weiterwächst. Um dem gerecht zu werden, sind wir allerdings auch als Branche gefordert in Aus- und Weiterbildung zu investieren. Qualifiziertes Personal zu finden ist für viele Marktteilnehmer in Österreich noch eine große Herausforderung.
Marius Rausch leitet als Senior Market Director Central Europe das Geschäft von AppNexus in Zentraleuropa. In seinen vorherigen Führungspositionen in der Produktstrategie und im Produktmarketing brachte er weltweit einige der innovativsten Produkte von AppNexus auf den Markt. Bevor er 2015 zu AppNexus kam, befasste er sich viele Jahre mit der Entwicklung von programmatischer und datengetriebener Werbung, sowohl auf der Verkäufer- als auch auf der Käuferseite. Diese Geschäftsbereiche baute er auch für Interactive Media/Deutsche Telekom AG auf und übernahm die Leitung.