Lisi Niesner gewinnt Objektiv 2019
In Zeiten von Fake-News steigt die Bedeutung authentischer Pressefotografie – bei der Preisverleihung für die besten Pressefotos des Jahres wurden Fotografinnen und Fotografen geehrt und ausgezeichnet.
Die Staats- und Regierungschefs der EU positionierten sich bei einem informellen EU-Gipfel in Salzburg im Herbst 2018 für ein Familienfoto und drehten der Fotografin hinter ihnen den Rücken zu. Nur die isoliert stehende britische Premierministerin Theresa May blickte zu ihren Amtskollegen und damit auch in Lisi Niesners Kamera. Schlicht „Brexit“ nannte die Reuters-Fotografin ihre Aufnahme, die am Montag, 24. Juni, im Wiener Metropol mit dem „Objektiv 2019“-Hauptpreis sowie dem Kategoriepreis für Innen- und Außenpolitik prämiert wurde. Der Preis wurde von der APA – Austria Presse Agentur und der Bundesinnung der Berufsfotografen vergeben.
Niesner habe das, worauf es ankommt, erfasst – mit Ästhetik und ohne Photoshop, so Laudator Heinz Mitteregger, Bundesinnungsmeister der Berufsfotografen. „Das Wichtigste ist der Augenblick, und das sieht man sehr gut bei diesem Foto, der Augenblick, den viele sonst gar nicht sehen.“
In der Kategorie Chronik überzeugte erstmals in der Geschichte des Objektiv eine Drohnenaufnahme. Das Bild wurde weltweit, u.a. in der New York Times, publiziert. Der APA-Fotograf Helmut Fohringer nahm ein Auto auf, das eine Brücke überquerte. Durch die Distanz von oben sei es ihm gelungen, nicht die Last des Winterchaos zu Beginn des Jahres, sondern seine Schönheit zu zeigen, sagte APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger: „Das Bild mutet fast druckgrafisch an – auch das kann Pressefotografie leisten.“ Gleich zweimal wurde Heinz Stephan Tesarek (ZWISCHENZEIT ONLINE) ausgezeichnet. Mit der Aufnahme „Der kleine Tod des Cinéma érotique“ aus dem Saal eines Erotikkinos gewann er in der Kategorie Kunst und Kultur. Laudatorin Luzia Strohmayer-Nacif, Leiterin APA-PictureDesk, bemerkte Analogien zwischen Kino und Fotografie: „Digitale Welten würden reale Ereignisse übernehmen und somit auch Einsamkeit schaffen“. Tesarek sei es einmal mehr gelungen, ein Zeichen der Zeit in einem einzigen Bild einzufangen.
Auch in der Kategorie Fotoserien überzeugte Tesarek mit einem Beitrag über die Wrestlerin „Chabela, die Königin vom Kella“. Die Bildreportage sei die „Königsklasse“ des Fotojournalismus, betonte Nana Siebert, stv. Chefredakteurin, Der Standard. „Heinz Tesarek sieht es als seine fotojournalistische Aufgabe, den Fokus seiner Kamera auf die Personen zu richten, die sonst nicht im Rampenlicht stehen.“
Reuters-Fotograf Leonhard Foeger (Kategorie Sport) überzeugte die Jury mit dem Foto „Abschied“ der Skirennläuferin Lindsey Vonn, die mit herausgestreckter Zunge stolz alle jemals von ihr gewonnenen Medaillen präsentiert. Ein emotionaler und exklusiver Schnappschuss, der auch Vonn gut charakterisiere, würdigte Reuters-Fotograf Kai Pfaffenbach das Gespür seines Kollegen.
Die freie Fotografin Nina Strasser siegte mit der Aufnahme „Erika die Erste“ für die Straßenzeitung Augustin in der Kategorie Wirtschaft. Erika Wieser ist die einzige Baukranführerin Österreichs und trug bis vor sechs Jahren einen männlichen Vornamen. „Es ist ein perfektes Aufmacherbild“, sagte Ulrich Schnarr, Landesinnungsmeister der Berufsfotografen. Durch die Diskrepanz – eine Frau im Kleid auf einem Baukran – sei die natürliche Neugierde des Betrachters geweckt, dieser sei „quasi gezwungen weiterzulesen“.
Ausstellungen 2019/20: Die Siegerbilder werden österreichweit in mehreren Ausstellungen zu sehen sein, u.a.: Judenburger Photowerk- STADT, Hauptbücherei Urban- Loritz-Platz, Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt, Russmedia Verlag, OÖ. Presseclub, Presseclub Concordia. Der mit insgesamt 16.000 Euro dotierte „Objektiv“ richtet sich an Pressefotografinnen und -fotografen und wurde 2019 gemeinsam von der APA – Austria Presse Agentur und der Bundesinnung der Berufsfotografen vergeben.