Der Online-Handel gewinnt an Relevanz – der Offline-Handel muss seine Relevanz mit viel Service unter Beweis stellen
Die MCÖ Homeoffice Talks, das Onlineformat für Lösungen, Strategien und Ideen während der Coronakrise, widmete sich zum bereits dritten Mal dem Themenfeld Marketing in Zeiten von COVID-19 und darüberhinaus.
„Wir lassen uns nicht unterkriegen, schon gar nicht von der Corona-Pandemie“, mit diesen Worten eröffnete Moderator Maximilian Mondel die dritten MCÖ Homeoffice Talks am Abend des 20. April 2020. Dazu diskutierten dieses Mal Martin Kompan (Lead Agile Coach beim Lebensmittelhersteller Dr. Oetker), Christian W. Krpoun (CEO bei der Agentur Currycom), Lisa-Maria Neuhofer (Marketing Director beim Sporthändler Decathlon) sowie Marco Vitula (Co-Founder und Geschäftsführer der Versandapotheke Vamida) am Online-Podium.
Den Auftakt machte Christian W. Krpoun und präsentierte eine kürzlich präsentierte Studie der Agentur Currycom gemeinsam mit Online-Marktforschungsagentur Marketagent mit dem Titel „Marketing und Kommunikation im Zeichen der Corona-Krise“. Die Ergebnisse der Studie fördern vor allem folgendes zu Tage: Zwei Drittel der Befragten sehen eine Bedrohung für die jeweilige Branche, 59 Prozent erwarten außerdem Marktbereinigungen. Genau gegengleich lautet die mehrheitliche Einschätzung für das eigene Unternehmen: Hier sehen 6 von 10 keine Gefahr, ein möglicher Grund dafür könnte etwa die laut 79 Prozent der Befragten gute Motivation im Team sein.
Aufbruch und neue Denkweisen
Lisa-Maria Neuhofer von Decathlon begründet diese Ergebnisse mit der positiven Selbsteinschätzung der Geschäftsführer und Marketer: „Nur die Unternehmen, die flexibel und aufgeschlossen sind, haben wirklich Chancen in dieser Krise. Not macht erfinderisch und im Marketingbereich gibt es viele Möglichkeiten. Es ist eine Dynamik von Aufbruch und neuen Denkweisen zu spüren.“ Dabei erläutert sie auch die momentane Situation bei Decathlon: „Weltweit sind 80 Prozent unserer Filialen geschlossen. Die einzige österreichische Filiale dürfen wir am 2. Mai wieder öffnen. In den vergangenen Wochen haben wir uns natürlich stark auf den Onlineshop fokussiert, der Umsatz hat sich dort verdoppelt, sogar verdreifacht. Dies hat zwar die Filialumsätze nicht vollständig kompensiert, aber Ostern kam sehr gelegen. Wir mussten die Lieferzeiten nach oben korrigieren, aber zum Glück waren unsere Kunden sehr geduldig.“
Hamsterkäufe wurden verhindert
Auch Marco Vitula, Geschäftsführer der Versandapotheke Vamida ist der Meinung, dass aktuell diejenigen Unternehmen die Gewinner seien, die vorher schon gut vorbereitet waren. „Am 16. März gab es über Nacht ein unglaubliches Wachstum. Wir waren von der Anzahl der Bestellungen überwältigt. Das führte uns natürlich auch vor logistische Schwierigkeiten.“ Das Unternehmen habe sich in der Kommunikation stark darauf konzentriert, die Kunden über den Bestellstatus zu informieren. Es mussten in den ersten Tagen sogar Versandplätze aufgebaut und schnell neue Mitarbeiter eingeschult werden. „Gleich zu Beginn war es unbedingt notwendig, die Hamsterkäufe zu unterbinden und die erlaubten Bestellmengen pro Produkt zu reduzieren.“ Vitula gab auch einen interessanten Einblick in Maßnahmen des Onlinemarketings: „Die Zyklen unserer Onlinekampagnen-Feeds waren nicht auf diesen Ansturm abgestimmt. Wir mussten dann manuell nachjustieren. Bei 80.000 Keywords war das eine große Herausforderung.“
Das Vertrauen der Führungskräfte und die Motivation der Mitarbeiter
Dass Martin Kompan die Auswirkungen der Krise in seinem Unternehmen Dr. Oetker als äußerst positiv beschreibt, ist wohl nicht verwunderlich: „Als Lebensmittelhersteller profitieren wir natürlich davon, dass die Menschen zu Hause sind und mehr Zeit für Genuss haben. Das beste Beispiel ist der extreme Engpass an Germ, der gleich am Anfang der Coronakrise herrschte. Ganz Europa war auf der Suche nach Hefe, weil die Menschen selbst Brot backen wollten.“ Kompan spricht auch ein großes Lob an die Unternehmensorganisation aus: „Bei uns herrscht volle Produktion, und das administrativ im Remote Office. Das ist schon bemerkenswert, wie gut das funktioniert.“ Dabei hebt der Agile Coach besonders die Aspekte Motivation und Vertrauen hervor und bezieht sich dabei auf die Zahlen der präsentierten Studie: „Bei solchen Veränderungen, also bei mehr Digitalisierung und Homeoffice-Arbeit, ist es schön zu sehen, dass die Motivation der Mitarbeiter hoch ist und somit das Vertrauen der Führungskräfte in ihre Teams gerechtfertigt ist.“ Auch trotz der steigenden Umsatzzahlen bemüht sich der Backmittel-Hersteller um einen pietätvollen Umgang auf Social Media: „Auf unseren Kanälen steht natürlich das Backen und Kochen im Vordergrund, aber wir versuchen mit sehr viel Feingefühl zu kommunizieren. Unser neuer Pudding namens „Seelenwärmer“ war aus Zufall genau das richtige Produkt zur richtigen Zeit.“
„Rabattschlachten schaden dem Handel“
Christian W. Krpoun sieht den nächsten Wochen kritisch entgegen: „Der Onlinehandel ist wichtig, aber der stationäre Handel muss unbedingt gepuscht werden. Da hängen zig tausende Jobs daran! Nach dem Shutdown wird es in den Geschäften zwar Frequenz geben, aber die Frage ist, wie viel Geld dann ausgegeben wird. Die Menschen wollen wieder rausgehen, aber wie viel werden Sie kaufen? Darum sollte unbedingt auf Rabattschlachten verzichtet werden, da diese dem Handel mittelfristig schaden.“ Für Krpoun ist es wichtig, jetzt eine gute Balance zu finden: „Man muss den Kunden nun mit einem guten Angebot und vor allem guter Dienstleistung ins Geschäft holen. Was jetzt zählt ist Service und Beratung. Denn das Beziehungsmanagement ist so entscheidend und darin sind leider sehr viele Unternehmen schlecht.“ Zu den Chancen in der Krise meint der Kommunikationsexperte: „Gelegenheiten ergeben für all die Unternehmen, die in den vergangenen Wochen ihre Hausaufgaben gemacht haben: Wenn die Entscheider aktiv gehandelt und Führungspersönlichkeit bewiesen haben. Wenn Sie richtig mit den Zielgruppen umgegangen sind und gute Schritte gesetzt haben.“
Eine neue Achtsamkeit spürbar
Krpoun beschloss den dritten MCÖ Homeoffice Talk mit hoffnungsvollen Gedanken: „Das neue Miteinander hat meiner Meinung nach auch Auswirkungen auf unser Konsumverhalten. Das Bewusstsein hat sich verändert, es ist eine neue Achtsamkeit zu spüren. Zum Beispiel beweisen die Menschen im Supermarkt mehr Geduld und rufen nicht gleich nach der zweiten Kassa. Ich würde mir wünschen, dass diese Achtsamkeit nicht nur während der Krise vorherrscht, sondern auch in Zukunft so bleibt.“
Die MCÖ Homeoffice Talks
Mit dem neuen Onlineformat, den MCÖ Homeoffice Talks möchte der Marketing Club der Branche eine Plattform bieten, die sich auf Lösungen in der Coronakrise fokussiert. Ziel ist es, die Marketingcommunity enger zusammenrücken zu lassen und ein Angebot zu formen, das einen lösungsorientierten Austausch in der Krise ermöglicht. Am Online-Event am 20. April haben sich auf Zoom und dem Facebook-Live Stream insgesamt mehr als 100 Teilnehmer zugeschalten. Die nächsten MCÖ Homeoffice Talks #4 finden am 4. Mai und #5 am 18. Mai statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Alle Informationen und die genannte Studie sind zu finden unter www.marketingclub.at.