Warum jetzt die Zeit für verhaltensorientierte Preisgestaltung gekommen ist
In den Zeiten nach Corona wird die Optimierung Ihrer Preisstrategien genauso wichtig sein wie die
Entwicklung Ihres datengesteuerten Marketings, sagt Fabien Cros, Consulting Director bei der AI- und Data-driven Consulting-Firma Artefact.
I n der heutigen Marketingwelt ist Personalisierung von entscheidender Bedeutung – alle Marken sind regelrecht versessen darauf, die richtigen Botschaften zur richtigen Zeit an die richtigen Leute zu übermitteln. Aber neben maßgeschneiderten Botschaften gibt es eine Sache, die viele Marken nicht berücksichtigen: personalisierte oder verhaltensorientierte Preisstrategien. Kurz gesagt werden den Kunden dabei auf Grundlage ihrer jeweiligen Bedürfnisse unterschiedliche Preise oder Angebote präsentiert.
Der Markt befasst sich seit fast einem Jahrzehnt mit der verhaltensorientierten Preisgestaltung, aber bisher haben nur wenige Marken diese richtig umgesetzt, was hauptsächlich auf einen Mangel an relevanten Daten und eine umständliche Umsetzung zurückzuführen ist. Nun ist jedoch für mehrere Marken endlich der richtige Zeitpunkt gekommen, sich für eine verhaltensorientierte Preisgestaltung zu entscheiden. Dies hat drei Gründe.
Erstens sind Kunden heute an Preisschwankungen beim Einkaufen gewöhnt, vor allem in digitalen Ökosystemen, in denen Ride-Sharing-Apps oder Reise-Websites die Preise ständig ändern.
Zweitens können Marken dank hochentwickelter, datenbasierter und digitaler Tracking-Funktionen präzisere Kundencluster und gezieltere Angebote erstellen als je zuvor.
Drittens ist der Internetverkehr in einer Zeit, in der Covid-19-Beschränkungen die Menschen zur Isolation zwingen, in einigen Märkten um bis zu 90 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass mehr Menschen dafür empfänglich sind, zu Hause attraktive Angebote von Marken zu erhalten.
Wie können Marken also ihre Strategien richtig gestalten?
Verbraucherpsychologie verstehen. Es ist entscheidend, den Kontext zu verstehen. Die Kunden werden einen Preis zahlen, der für sie auf der Grundlage ihrer Bedürfnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt „sinnvoll“ ist. Einige werden immer die niedrigsten Preise bevorzugen, andere wiederum werden gerne mehr für die gleichen – oder auch zusätzliche – Produkte zahlen, wenn Sie einen kontextbezogenen Mehrwert anbieten, wie z. B. Express-Versand oder eine Geschenkverpackung bei der Suche nach Last-Minute-Geschenken.
Uber oder Lyft wissen zum Beispiel, dass Fahrgäste in Zeiträumen mit hoher Nachfrage bereit sind, variable Beträge zu zahlen, während einige Lieferservice-Apps, wie Seamless oder Doordash in den USA, für Essenslieferungen ab einer bestimmten Uhrzeit einen Spätzuschlag verlangen.
Hier liegt der Knackpunkt der verhaltensorientierten Preisgestaltung. Statt sie einfach „nur“ zum Kauf zu bewegen, müssen Marken darüber hinaus lernen, was Verbraucher in bestimmten Situationen bereit sind zu zahlen. Da dies sehr unterschiedlich aussehen kann, müssen Marken ihre Kunden auf der Grundlage verschiedener psychologischer, emotionaler und verhaltensbezogener Faktoren sowie ihrer bisherigen Kaufbereitschaft für niedrig- oder hochpreisige Produkte und Dienstleistungen clustern.
Diese Cluster ähneln denen des personalisierten und datengesteuerten Marketings (DDM), welche auf First- und Third-Party-Daten (wie Hobbys und bisherige Käufe) basieren, aber Daten aus einer vielfältigeren Reihe von Quellen nutzen – einschließlich Browserverläufen, demografischen Daten, Treueprogrammen und (zunehmend) Social Media, um ausgereiftere Verbraucherprofile zu erstellen.
Die Auswertung dieser Daten ist ein komplexer Prozess, aber er lohnt sich. Wenn Sie den gesamten Verkaufstrichter verstehen, insbesondere die letzten Sekunden, können Sie eine Steigerung des Nettogewinns um 10 bis 15 Prozent erzielen (je nach Sektor).
Keine Diskriminierung. Es ist wichtig zu betonen, dass eine verhaltensorientierte Preisgestaltung nicht bedeutet, dass bestimmte Personen „diskriminiert“ werden dürfen. Amazon zum Beispiel wurde früher dafür kritisiert, die Preise für Menschen in wohlhabenden Stadtgebieten erhöht zu haben. Auch die Reise-Website Orbitz hat einen ähnlichen Fehler bei Apple-Nutzern gemacht. Besonders in Krisenzeiten ist es äußerst wichtig, solche Taktiken zu vermeiden.
Stattdessen passen die besten verhaltensorientierten Preisstrategien die Angebote auf Grundlage der Verbraucherinteressen an und bieten Upselling-Möglichkeiten sowie ergänzende Dienstleistungen an. Eine Preiserhöhung kommt nur dann in Frage, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt.
Um zu verstehen, worin der Unterschied zwischen den beiden Vorgehensweisen besteht, betrachten wir das Beispiel eines Kinos in den USA. Im Jahr 2015 versuchte das Unternehmen, Mac-Benutzern für ihre Eintrittskarten mehr zu berechnen als PC-Benutzern. Macs sind teuer, also müssen diese Leute doch sicher über ein höheres Einkommen verfügen, oder? Dies war eine offensichtliche Preisdiskriminierung und sorgte für öffentlichen Unmut.
Stattdessen hätte das Kino sein Publikum auf Basis früherer Käufe und Kundentreue in Clustern segmentieren sollen. Es hätte dann beispielsweise Premium-Sitzplätze für echte Kinoliebhaber, Vorverkaufskarten für Fans von Blockbustern und Ticketpakete für Schnäppchenjäger bewerben können.
Ähnliche Strategien könnten auch in anderen Sektoren angewandt werden. So könnten Lebensmittelgeschäfte z. B. Express-Lieferung für Vielkäufer oder exklusive Angebote für Produkte mit limitierter Verfügbarkeit anbieten. Bau- und Heimwerkermärkte können dagegen ein ergänzendes digitales Kursangebot zur Verfügung stellen, welches auf die erworbenen Produkte abgestimmt ist (z. B. Tapeziertipps für Personen, die Tapeten kaufen.)
Letztlich geht es bei der verhaltensorientierten Preisgestaltung nicht per se darum, zu einem höheren Preis zu verkaufen. Vielmehr geht es darum, durch ein besseres Verständnis der Kundenbedürfnisse intelligenter zu verkaufen – und das ist etwas, worüber sich alle Marken Gedanken machen müssen, wenn sie in Zukunft auch in Krisenzeiten rentabel sein wollen.
5 Wege zum Einstieg in die verhaltensorientierte Preisgestaltung. Verhaltensorientierte Preise richtig zu gestalten ist nicht einfach, aber die korrekte Vorgehensweise führt zu optimierten, individuellen Kundenerfahrungen und kann zur Stärkung der Kundenbindung beitragen. Dazu müssen Sie Folgendes tun:
- Ordnen Sie Ihre First-Party-Daten. Sie müssen verstehen, was Ihre Kunden dazu veranlasst, mehr oder weniger Geld für Ihr Unternehmen auszugeben. Wenn Sie das „Was“ und das „Warum“ nicht kennen, müssen Sie sich auf die Verbesserung Ihrer Datenerhebung und -reife konzentrieren.
- Beginnen Sie damit, die Preise online zu dynamisieren . So haben Sie eine bessere Möglichkeit, die Ergebnisse zu verfolgen, A/B-Tests durchzuführen und Risiken zu minimieren.
- Sprechen Sie zunächst die weniger preissensiblen Kunden an. Es ist einfacher, verhaltensorientierte Preisgestaltung an einem Cluster zu testen, für den Qualität und Service mehr Gewicht haben als der Preis.
- Erstellen Sie eine Roadmap für die Zielgruppenansprache. Sobald Sie Erfolg mit der verhaltensorientierten Online-Preisgestaltung für Ihre Top-Tier-Cluster haben, können Sie weitere Customer Journeys optimieren. Schulen Sie Ihre Teams schrittweise dahingehend, den Schwerpunkt auf die qualitative Verbesserung der Verkaufsgeschäfte zu legen, anstatt einfach nur mehr zu verkaufen.
- Hören Sie nie auf, den Prozess weiterzuentwickeln. Eine preisgesteuerte Customer Journey ist nie „abgeschlossen“. Es gibt immer Möglichkeiten, Ihre Zielgruppenansprache zu verbessern. Verwenden Sie Methoden der „kontinuierlichen Verbesserung“, um Ihren Ansatz für die verhaltensorientierte Preisgestaltung zu perfektionieren.
Gastbeitrag Artefact