Kommunikation in der Beziehung – ein Phänomen für sich?
Ein Blick in den Social-Media-Kanal reicht und Freunde, Bekannte und sogar Arbeitskollegen können sehen: Der Beziehungsstatus wurde gerade von „Single“ auf „In einer Beziehung“ aktualisiert. Doch für manche fängt die eigentliche Herausforderung jetzt erst an – denn eine Partnerschaft ist ja bekanntlich harte Arbeit. Was dabei gut helfen kann, ist die optimale Kommunikation. Passend zum Internationalen Kuss-Tag schaut der Kommunikationsexperte Stefan Häseli hier einmal etwas genauer hin…
Die Beziehung: Für die einen ist dieser Zustand erstrebenswert, für die anderen kommt er eher zufällig oder war eigentlich gar nie absichtlich gewollt. Gezwungenermaßen wird eine derartige Situation wohl kaum entstehen, in den meisten Fällen sind zwei Personen (pro-) aktiv daran beteiligt. Grundsätzlich ist es ratsam, eine Beziehung auch zu wollen, bevor man sie eingeht – selbst wenn es nur mal ein Versuch ist…
Die Beziehung als solche beginnt dort, wo man sich darüber einig ist, dass nun diese Etappe eingeläutet wird. Bereits die erste Hürde zeigt sich, wenn es gilt, die Definition bei allen Beteiligten zu klären: Wo ist es noch Freundschaft und wo geht man einen Schritt darüber hinaus? Oder warum wird aus „Freundschaft-plus“ jetzt eben eine Beziehung? Rituelle Details wie die Verabredung eines offiziellen Jahrestages, das erste gemeinsame Tattoo oder die Bekanntmachung über diverse Kanäle sind das eine. Was hingegen zum Minenfeld werden, zumindest aber ein hochspannendes Thema, mitunter sogar ein explosives Gemisch sein kann, ist die Kommunikation in der Beziehung. Insbesondere diejenige zwischen Mann und Frau…
Kommunikation auf der persönlichen To-do-Liste
Der zentrale Satz „Du verstehst mich einfach nicht“ entstammt nicht etwa einem Theoriebuch, sondern zählt wohl zu einem der Top-Ten-Sätze aus dem Repertoire von Diskussionen in Beziehungen, die die Phase „hochverliebt“ bereits erfolgreich abgeschlossen haben. Die Zeit der Konsolidierung, in der Menschen aneinanderwachsen, wird gerne als wichtig umschrieben. Und das ist sie auch.
Prägend für eine Beziehung ist die Kommunikation – immer. Sichtbar ist vor allem, wenn es damit nicht so klappt. Im Umkehrschluss heißt das: Praktisch sämtliche Beziehungsproblem fußen irgendwo in einer schlechten, mangelnden Kommunikation oder der einen und anderen sehr erheblichen Kommunikationspanne. Wer nun mit dem Anspruch in die Beziehung tritt, es besser zu machen als beispielsweise in der vorausgegangenen Beziehung oder im Vergleich zu Familienmitgliedern oder Freunden, der soll sich als Vorbereitung auf den neuen Beziehungsstatus das Kommunikationsthema ganz vorne auf die persönliche To-do-Liste setzen.
Feminine vs. maskuline Kommunikationsmuster
Gibt es die klassische Männer- und Frauen-Sprache? Sind das tatsächlich unterschiedliche Welten? Ja, es gibt per Definition eine feminine Kommunikation und eine maskuline. Bevor Sie jetzt aber jubelnd zu Ihrer Gattin rennen und sie liebevoll mit dem „Siehst du, ich hab’s ja schon immer gesagt!“ konfrontieren, um dann als Mann erstaunt darüber sind, dass sie sauer reagiert, sei folgendes festgehalten: Feminine Kommunikation zielt darauf ab, in erster Linie Beziehungen zu stärken. Maskuline Kommunikationsmuster dagegen dienen in erster Linie der Informationsvermittlung.
Die Art und Weise, wie die beiden Geschlechter kommunizieren, ist jedoch nicht zwingend an das menschliche Geschlecht gebunden. Auch Männer tun, können und sollten vielleicht sogar vermehrt eine Kommunikation anwenden, die weniger die Sache in den Vordergrund rückt und sich mehr der Beziehungsebene widmet. Umgekehrt dürfen auch Frauen einfach mal klipp und klar wissen oder äußern, was Sache ist. Wir können also voneinander lernen und brauchen tun ja beide Geschlechter beide Varianten.
Aussagen auf Zielsetzung überprüfen
Aber zugegeben, aus der Praxis einer bald 30-jährigen Beziehung erlaube ich mir festzuhalten: ein wenig stimmt es vielleicht schon, dass Frauen tendenziell eher die feminine Kommunikation anwenden und sich die Männer der maskulinen bedienen. Für beide gilt: es gibt nun mal beide Ausdrucksweisen und das Schöne ist ja, dass man versuchen kann, sich zu verstehen, in dem man auch Aussagen auf die Zielsetzung hin überprüft. Dann läuft vieles einfacher.
Man spricht hier auch von Codes, die oft wie Schlüssel eine Aussage verpacken. Und es gelingt einfacher, das wahre Ziel eines Satzes zu verstehen, wenn man den gleichen Schlüssel nimmt, um ihn zu entpacken. Nehmen wir ein Beispiel und ich betone, dass ich mich bewusst einem Klischee bediene, um es fassbar zu machen. Solche Bilder können etwas helfen, weil die Welt damit so herrlich einfach zu erklären ist. Und das im vollen Bewusstsein, dass es in der Realität nicht zwingend so sein muss – aber durchaus so sein kann…
Sie sind der Mann. Ihre Frau sagt Ihnen am Abend, halb beiläufig, halb fokussiert: „Liebling, morgen ist Müllabfuhr.“ Als Mann könnten Sie nun überfordert sein. Sie stellen sich nun innerlich die Frage: „Aus welchem Grund vertont meine Frau den Müllkalender unserer Stadt?“ Völlig klar: Je länger die Beziehung dauert, desto schneller und klarer kennen Sie den Code, mit dem der Satz verpackt wurde und sie können ihn wieder entschlüsseln. Dieses zugegeben einfache Beispiel meint natürlich „Liebling, trag morgen, wenn du zur Arbeit gehst, den Müll runter.“ Hier kommt die feminine Sprache ins Spiel. Die Frau wollte das nicht so direkt sagen, weil es grundsätzlich nicht gerade charmant ist, Befehle zu erteilen. Das „beziehungsschonende Anordnen“ erscheint ihr da sinnvoller.
Diese Kommunikationsform ist weder richtig noch falsch, sie ist einfach so. Das Problem ist dann jedoch dort zu suchen, wo der Mann im kommunikativ-maskulinen Modus also in der reinen Informationskommunikation steckt. Er fragt nach: Was willst du damit sagen?“ Er meint es sachlich und keineswegs böse, schon gar nicht provokativ. Weil sie aber wiederum im femininen Modus steckt, sieht sie eine Beziehungsaussage mit einem Interpretationsgehalt, der in eine ganz bestimmte Richtung zielt, nämlich: „Ich stelle mich mal blöd, weil ich eh zu faul bin, den Müll runterzutragen, wenn ich schon um 5 Uhr aus dem Haus muss.“
Und dann geht’s so richtig los:
Sie: „Ja was wohl, denk doch einfach etwas mit!“ Er: „Man wird ja wohl noch fragen dürfen!“
Sie: „Ich weiß genau, dass du das nicht gerne tust!“
Er: „Wer sagt das?“
Sie: „Gut, dann trag ich den Müll halt selbst hinunter!“
Er: „Das habe ich nicht gesagt!“
Sie: „Aber gemeint hast du es!“
Und so weiter, und so weiter… Wenn zwei mögen, können sie die ganze Nacht noch über den Müll-Heruntertragen-Modus reden. Bis die Nacht durch ist und das Wachhaltetraining absolviert ist. Spannend wird es, wenn noch ein Zusatzschlüssel zum Code dazu kommt. Das passiert, wenn eine Aussage als Rätsel getarnt wird – in der Hoffnung, der andere versteht, was die Lösung dessen ist. Um das an einem Beispiel etwas konkreter zu machen:
Sie: „Schatz, soll ich die roten oder die blauen Schuhe kaufen?“
Er überlegt, analysiert und entscheidet: „Nimm die Blauen.“
Sie: „Weshalb die Blauen, gefallen dir die Roten nicht?“
Er – versteht die Welt nicht mehr…
Ein Tipp für die Herren unter uns: In einer solchen Situation braucht es nicht nur den Kommunikationsschlüssel, sondern auch noch den Geheim-Code für die Kreditkarte. Selbstverständlich antworten Sie als beziehungserprobter Mann auf die Frage „blau oder rot“ mit einem liebevollen „Nimm doch beide!“ Wenn die Herzallerliebste dann mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit mit einem „Ist nicht nötig“ antwortet, legen Sie nach ihr As drauf, indem Sie sagen: „Doch, geht auf meine Karte.“ Nun müssen Sie nur noch dafür sorgen, dass die Kreditkarte gedeckt ist, sonst sind Sie in Sachen Argumentation und bei der Konstruktion von guten Ausreden gleich nochmals kommunikativ auf das Äußerste gefordert. Viel Erfolg!
Über den Autor
Stefan Häseli ist Kommunikationstrainer, Keynote-Speaker, Moderator und Autor mehrerer Bücher. Er betreibt ein Trainingsunternehmen in der Schweiz. Der Kommunikationsexperte begleitet seit Jahren zahlreiche Unternehmen bis in die höchsten Vorstände von multinationalen Konzernen. Er doziert an Universitäten und Fachhochschulen im Themenfeld Kommunikation. Als Experte nimmt er im Radio und TV-Stationen immer dann Stellung, wenn Kommunikation irgendwo auf der Welt gerade eine entscheidende Rolle spiel, wie beispielsweise die ersten Wochen „Donald Trump“ oder der Blick auf das Kommunikationsverhalten von Boris Johnson.