Zwischen Führungsrolle und Mitarbeiter*innen-Interessen
Wie Coaching Führungskräfte in Krisenzeiten unterstützen kann
Führungskräfte stehen täglich vor der Herausforderung, bei unternehmerischen Entscheidungen die Balance zwischen Führungsrolle und persönlichem Verständnis für die Mitarbeiter*innen zu finden. Damit das auch in Krisenzeiten gelingt, nehmen immer mehr Unternehmer*innen Coaching in Anspruch. Nicole Ruckser, Vorstandsmitglied der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS), unterstützt Führungskräfte dabei, aktuelle Herausforderungen zu reflektieren und Lösungen zu finden. Sie erklärt, welche Themen ihre Klient*innen derzeit besonders beschäftigen und worauf Unternehmer*innen in diesen Situationen achten sollten.
„Entscheidungsträger*innen sind mehr denn je gefordert, eine Balance zwischen sozialen, psychischen und finanziellen Herausforderungen ihrer Mitarbeiter*innen und ihrer eigenen Verantwortung gegenüber dem Unternehmen zu finden“, sagt Nicole Ruckser. „Das Bedürfnis nach Sicherheit ist in Krisenzeiten größer und diese zu vermitteln braucht Zeit und Sichtbarkeit. Führungskräfte sind daher gefordert, transparent und klar zu kommunizieren, um eine vertrauensvolle Basis zu ihren Mitarbeiter*innen zu schaffen.“
Zwischenmenschliche Beziehungen trotz räumlicher Distanz
Home-Office ist seit dem ersten Lockdown für viele zur Norm geworden. Auch Onboarding-Prozesse finden immer häufiger auf Distanz statt. Oft müssen Unternehmer*innen aus finanziellen Gründen Büroräumlichkeiten aufgeben oder verkleinern – zu Lasten eines direkten Austauschs zwischen Mitarbeiter*innen. „Durch die räumliche Trennung von Mitarbeiter*innen kommt der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen eine gesteigerte Bedeutung zu, wird aber gleichzeitig erschwert“, so Ruckser. „Die Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen muss komplett neugestaltet werden. Wer seine Mitarbeiter*innen täglich sieht, findet leicht Zeit für ein paar Worte der Anerkennung und ein ‚Wie geht’s?‘ im Vorbeigehen oder in der Kaffeeküche. Auf Distanz müssen Führungskräfte aktiv zum Telefon greifen oder digitale Alternativen finden.“
Wirtschaftliche Entscheidungen werden soziale Entscheidungen
Natürlich sind auch Mitarbeiter*innen von den Folgen der Energie- und Rohstoffkrise sowie den damit einhergehenden finanziellen Belastungen betroffen. „Entscheidungen wie das Auflösen eines Arbeitsverhältnisses oder das Ablehnen einer Gehaltserhöhung sind nicht mehr rein betriebswirtschaftlicher Natur – sie bekommen eine starke soziale Komponente“, erklärt Ruckser. Auch die Motivation hinter Gehaltsverhandlungen verändert sich. Es geht vielen derzeit weniger um die Vergütung für erbrachte Leistung oder übernommene Verantwortung, sondern vielmehr darum, sich das eigene Leben leisten zu können. „Gleichzeitig möchten die meisten ihren bestehenden Lebensstandard auch in Krisenzeiten beibehalten oder verbessern. Hier besteht ein Interessenkonflikt, der häufig Gegenstand von Coachinggesprächen ist“, so Ruckser.
Die Anforderungen der Arbeitnehmer*innen verändern sich
Viele Branchen kämpfen mit dem Fachkräftemangel. Führungskräfte müssen sich also aktiv mit der Attraktivität ihres Unternehmens als Arbeitgeber*in auseinandersetzen. „Die Tendenz, das potenzielle Arbeitnehmer*innen zunehmend Anforderungen stellen, hat natürlich etwas Gutes: Unternehmen müssen sich überlegen, wie sie Mitarbeiter*innen halten und neue Talente für sich gewinnen“, sagt Ruckser. „Allerdings fühlen sich viele Unternehmer*innen den Forderungen potenzieller Mitarbeiter*innen ausgeliefert. Gerade bei Unsicherheiten kann Coaching mit gezielten Fragestellungen helfen.“
Laut Ruckser ist es besonders in Krisenzeiten notwendig, sich mit der eigenen Verantwortung als Unternehmer*in, der eigenen Führungsrolle sowie den Bedürfnissen der Mitarbeiter*innen auseinanderzusetzen. „Die Arbeit im Coachingprozess ermöglicht Reflexion und schafft Klarheit darüber, was im eigenen Wirkungsbereich machbar und möglich ist. Damit bildet Coaching eine gute Grundlage für einen positiven Umgang mit der aktuellen Situation“, so Ruckser abschließend.