Gerangel um EU-weites Urheberrecht

Am Mittwoch stimmt das Europaparlament über eine Reform ab. Österreichische Institutionen formulieren ihre Vorstellungen für ein Gelingen.
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VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger
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Nicht nur der Sommer war heiß, auch im Europaparlament ging es hitzig im Juli her: Die Abgeordneten sollten über die Reform eines EU-weiten Urheberrechts sowie generell über ein Leistungsschutzrecht abstimmen. Ergebnis: Es wurde bis September vertagt. Strittige Punkte waren vor allem so genannte Upload-Filter (eine Software, die es z.B. YouTube ermöglichen könnte, urheberrechts-strittige Inhalte gleich gar nicht hochzuladen), aber auch um das Leistungsschutzrecht gab es ein Gerangel. Demnach sollen Plattformen wie Google künftig nicht mehr Texte bzw. Textteile von Presseberichten ohne Erlaubnis von (und Bezahlung an) Verlagen verwenden dürfen. Kritiker sehen dadurch das freie Internet bedroht. Freilich vermuten Medien-Vertreter hinter diesen Kritikern hauptsächlich milliardenschwere Lobbyisten-Engagements der betroffenen Digitalriesen. Den Sommer über hatten die Branchenverbände nun Zeit, mit entsprechenden Info-Kampagnen europaweit vom Nutzen eines EU-weiten Regelwerkes zu kontern. Ob dies Früchte getragen hat, wird man am kommenden Mittwoch sehen, wenn das EU-Parlament neuerlich zum Thema abstimmt.
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Clemens Pig GF APA und Vorstandsmitglied der EANA (European Alliance of News)
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Erwartungen. „Wir erwarten uns ein EU-weites Urheberrecht, das die Inhalte der europäischen Contentindustrie endlich effektiv vor der kommerziellen Ausbeutung Dritter schützt“, formuliert etwa Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ), seine Erwartungen: „In Europa haben sich 5.300 Zeitungstitel und über 15.000 Zeitschriftenverlage mit 50.000 Titeln für eine Reform ausgesprochen. In einem global gewordenen, digitalen Markt braucht es faire Rahmenbedingungen, damit wir den nachhaltigen Fortbestand der europäischen Medienlandschaft sicherstellen.“ Clemens Pig, Geschäftsführer der Austria Presse Agentur (APA) und  Vorstandmitglied der European Alliance of News Agencies (EANA), argumentiert ähnlich: „Die EANA erwartet sich, dass die Abstimmung im Europaparlament am 12. September im Bewusstsein passiert, dass Nachrichtenagenturen und Verlage im Falle einer kommerziellen Nutzung ihres Contents durch Internetgiganten wie Google und Facebook angemessene Erträge erhalten müssen. Die Erstellung und Finanzierung der Inhalte erfolgt schließlich durch die Medienhäuser“. Google nutze diese Inhalte und generiere mit deren Vermarktung hohe Werbeeinnahmen, so Pig: „Es geht hier um eine faire Bezahlung für den eigenen Aufwand.“
Unterschiedliche Sicht. Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA (Internet Service Providers Austria), kann der Entwicklung bislang etwas Positives abgewinnen: „Das Votum im Juni hat dazu geführt, dass sich einerseits die EU-Parlamentarier nochmals ausführlich mit der Sache beschäftigt haben und neue Vorschläge von allen Seiten unterbreitet wurden und dass sich andererseits die Politik auch in Österreich nun mit den Stakeholdern getroffen hat, um über das Thema zu diskutieren.“ Es konnte hierbei zwar kein Konsens erreicht werden, doch grundsätzlich sei es gelungen, eine konkrete politische Diskussion nach Österreich zu holen, ist Schubert überzeugt: „Unabhängig davon, wie das Votum ausgehen wird, unter demokratiepolitischen Gesichtspunkten war dies sicherlich ein Gewinn.“
Weniger positiv sieht er hingegen den aktuellen Verhandlungsstand bzw. die aktuellen Entwürfe: „Man kann sich auch weiterhin des Eindrucks nicht erwehren, dass die Politik instrumentalisiert wird, um veraltete Geschäftsmodelle zu schützen. Wer sich dafür interessiert, mit welchem Ressourceneinsatz dies geschieht, der möge sich nur ansehen, wie viel Zeit und Geld von Seiten der Rechteinhaber in deren neue Lobbying-Offensive investiert wurde“, kritisiert Schubert. Es gebe Konsens dafür, dass Kunst- und Kulturschaffende für ihre Leistung fair entlohnt werden sollen, aber: „Die derzeitigen Vorschläge sollen dies bewirken, brächten jedoch enorme Kollateralschäden mit sich, die die Meinungsfreiheit im Internet oder den Grundsatz der freien Verlinkung ernsthaft gefährden würden“, glaubt der ISPA-Generalsekretär: „Spannend ist, dass einige der Proponenten der Regelung die Risiken völlig verleugnen und sie als hohle Tech-Propaganda abtun, während zahleiche andere Befürworter der Regelung dies sehr wohl anerkennen, jedoch einräumen, dass man eben keine besseren Vorschläge hätte und daher die Risiken in Kauf nähme.“
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Generalsekretär der ISPA, Maximilian Schubert
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Forderungen. Welche wichtigen Details hätten die Medien-Institutionen des Landes gerne in einem EU-weiten Recht zu dieser Frage? VÖZ-Geschäftsführer Grünberger: „Der Verband Österreichischer Zeitungen ist sich mit den führenden Journalisten- und Verlegerverbänden Europas einig: Das Leistungsschutzrecht soll in jener Fassung beschlossen werden, die der Rechtsausschuss bereits am 20. Juni empfohlen hat. Diese Fassung würde sicherstellen, dass Online-Giganten für die Nutzung verlegerischer Inhalte einen fairen Preis bezahlen. Nur so ist unabhängiger Journalismus langfristig finanzierbar. Die europäische Presselandschaft ist schließlich kein Selbstbedienungsladen für US-Konzerne.“ EANA-Vorstandsmitglied Pig betont ebenfalls, dass der Rechtsausschuss bereits im Sommer dieses Jahres mehrheitlich für ein Urheber- und Leistungsschutzrecht stimmte, das es ermöglicht hätte, Google und Facebook für die kommerzielle Nutzung der Inhalte von Medienunternehmen bezahlen zu lassen: „In seiner nachfolgenden Sitzung hat das EU-Parlament diese Pläne vorerst gestoppt. Wir hoffen, dass die Abgeordneten im September zu einer Einigung kommen, die mit der Ansicht des Rechtsausschusses konform geht.“
Rechteerlangung vereinfachen. ISPA-Generalsekretär Schubert ist davon überzeugt, dass User mittlerweile bereit seien, für guten Content zu zahlen: „Aufgrund der rechtlichen Zersplitterung sind die Märkte in den Mitgliedstaaten jedoch großteils Nischenmärkte. Daher ist es notwendig, dass die Rechteerlangung vereinfacht wird, um so ein europäisches Amazon, iTunes oder Netflix zu ermöglichen“. Gleichzeitig müsse man sich ansehen, ob die derzeit bestehenden Strukturen der zahlreichen Verwertungsgesellschaften den veränderten Gegebenheiten hinreichend Rechnung tragen und gegebenenfalls darüber nachdenken, ob es hierbei nicht Optimierungspotential gibt, welches letztlich gerade den Kunst- und Kulturschaffenden zugutekommen würde, meint Schubert: „In Österreich dominiert derzeit eine abwehrende Geisteshaltung des „wir gegen die“. Hiervon müssen wir uns trennen und eher überlegen, wo derzeit unsere Defizite liegen, was uns die global player voraushaben und letztlich, was getan werden muss, um gerade am kleinteiligen europäischen Markt wieder die Oberhand zu gewinnen“.
Autor: Erika Hofbauer