Glaubensarbeit am Individuum
Die Zähmung des Lesers haben die Qualitäts- und Fachzeitungen des Landes schon vor Jahren erledigt – nun geht es darum, das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit mit qualitativ hochwertiger Berichterstattung zu bestätigen.
Mit Slogans wie „Würden Sie bei Zahnschmerzen Ihren Mechaniker um Hilfe bitten?“ oder „Würden Sie sich den Blinddarm von einem Koch entfernen lassen?“ versucht aktuell der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) Aufmerksamkeit für das journalistische Handwerk und die damit einhergehende Glaubwürdigkeit der Medien zu generieren. Längst ist der Ausdruck „Fake News“ zur zeitgeistigen Phrase verkommen und fliegt Bürgern vom Volksmund bis hin zur Politikdiskussion in regelmäßigen Abständen um die Ohren.
„Was wir von der Gesellschaft und ihrer Welt wissen, wissen wir fast ausschließlich durch die Massenmedien“, erkannte Systemtheoretiker Niklas Luhmann bereits vor Jahrzehnten. Durch die Digitalisierung und die damit einhergehende Demokratisierung der Nachrichtenproduktion erleben wir seit Jahren eine Bedrohung klassischer Medien in ihrer Monopolstellung für Informations- und Meinungsvermittlung. Es wird in diesem Zusammenhang vom postfaktischen Zeitalter gesprochen, ein bedrohliches Szenario für faktenbasierte Erzählpraktiker.
Die Wahrheit der Zahlen. Doch trifft dieses Phänomen wirklich zu, oder ist es nur eine Erfindung der Populisten?
Glaubt man aktuellen Studien, deren Ergebnisse sich sowohl aus persönlichen Gesprächen als auch Onlinebefragungen ergeben, profitieren derzeit Qualitätszeitungen sowie Fachmagazine, besonders im Segment der Entscheidungsträger, von einem einerseits angelernten Glaubwürdigkeitsbonus, andererseits von der gestiegenen Wertschätzung intensiver Recherchearbeit. Der Vertrauensverlust der Medien scheint im Angesicht der aktuellen Zahlen eine Erfindung der Politiker zu sein, denn die Glaubwürdigkeit österreichischer Medien hat im letzten Jahr sogar zugenommen, allen voran die der Tageszeitungen.
So hat die Leseranalyse Entscheidungsträger (LAE) 2018 einmal mehr ergeben, dass Entscheidungsträger in wirtschaftlichen Organisationen ab fünf Mitarbeitern sich stark auf Informationen aus Standard, Presse und Kurier verlassen. Ein ähnliches Ergebnis lieferte kürzlich auch die Fachzeitschriften- Entscheiderstudie 2018. Die Nutzungsdauer pro Woche für Fachzeitschriften liegt bei beeindruckenden 220 Minuten und bestätigt damit die Rolle von Fachmedien als geschätzte und glaubwürdige Informationsquelle für Entscheidungen. Auch eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts marketagent.com zur Glaubwürdigkeit österreichischer Medien zeichnete ein ähnliches Bild. An der Spitze lag 2018 derStandard.at vor Ö1 und diepresse.com.
Entgegen der viel besprochenen Fake-News-Realität scheinen die traditionellen Medienschaffenden doch einiges richtig zu machen. Und das nach dem Bespiel des VÖZ sogar mit einer Prise Humor. „Mit dieser Initiative schärfen die VÖZMitgliedsmedien das Bewusstsein dafür, dass in einer immer komplexer werdenden Informationswelt nicht jede Quelle gleich vertrauenswürdig ist. Die Journalistinnen und Journalisten von Österreichs Zeitungen und Magazinen sind Informationsprofis und lichten jeden Tag den immer dichter werdenden Informationsdschungel“, so VÖZPräsident Markus Mair. Damit haben Journalisten und Medien eine verantwortungsvolle Aufgabe inne, die sie im Sinne ihrer Leser, der gesellschaftlichen Meinungsbildung und nicht zuletzt wegen des wirtschaftlichen Erfolges mit großer Ernsthaftigkeit wahrnehmen sollten.
Autor: Tatjana Lukás