UX-Design – Barrierefrei durchs Internet

© Schaitl, Liechtenecker, Salzbrunn
M. Schaitl, PXP/X; S. Liechtenecker, Agentur Liechtenecker; B. Salzbrunn, FH Technikum Wien

Ist es Ihnen schon mal passiert, dass Sie eine Tür öffnen wollten und beim ersten Versuch gescheitert sind? Was man als einfacher Verwender nicht bedenkt: Eine Tür kann nach innen oder nach außen geöffnet werden und ja: Manche kann man auch schieben. Diese Fülle an Möglichkeiten im Produktdesign betrifft nicht nur unsere haptische Erlebniswelt, sondern spielt auch im digitalen Raum eine gewichtige Rolle.

Subtile Psychologie. Psychologie-Professor Don Norman, weltweit erster User Experience Architect für Apple, hat sich in seinem Buch „The Design of Everyday Things“ bereits 1988 eingehend mit Lust und Frust bei der Nutzung von Gegenständen beschäftigt und damit die Bibel für das heute stark nachgefragte User Experience Design vorgelegt. Die nach ISO-Norm als „Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher Systeme“ definierte Herangehensweise stellt positive Kundenerfahrungen mit den Produkten und Services einer Marke in den Mittelpunkt. Durch Webauftritte, Applikationen und Internet-of-Things-Anwendungen werden heute Services als eigene Produkte wahrgenommen und sollen darum auf das bestmögliche Nutzererlebnis hingetrimmt werden.

Berührungspunkte. Bei User Experience Design geht es darum, durch die Gestaltung digitaler Produkte und Services das Nutzererlebnis von Anfang bis Ende verlässlich und intuitiv zu gestalten – und das über alle möglichen Touchpoints. Geht es nach Agenturchefin Susanne Liechtenecker, nehmen UX-Designer eine Schlüsselfunktion ein, indem sie die Brücke zwischen Endkunden beziehungsweise Nutzer, Technik und Unternehmensangebot schlagen: „Die Erwartungshaltung der Menschen steigt in der Interaktion mit digitalen Produkten und Services, da sie täglich mit digitalen Inhalten interagieren. Nur eine gute Technik oder nur ein schönes Design reichen nicht. Das ganze Erlebnis macht den Unterschied für die Nutzung und damit wiederum für den Unternehmenserfolg.“
Neben den technischen Skills ist psychologisches Wissen dafür das Um und Auf. Michaela Schaitl, UX-Konzepterin bei PXP/X, macht das mit bekannten Beispielen auch für Laien offensichtlich: „Viele Micro- UX-Elemente, die heute zum Standard gehören wie Scarcity (‚Nur mehr 1 Platz verfügbar‘) Urgency (‚Nur mehr 1 Stunde gültig‘) oder Social Proof (‚x deiner Freunde finden das auch gut‘) basieren auf psychologischen Erkenntnissen, die lange vor dem Internet erforscht wurden.“

Ganzheitliche Sicht. Schon vor Jahren hat sich gezeigt, dass sich Internetnutzer schon lange vor dem Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung dafür entscheiden. Doch bis zum Geschäftsabschluss bringen sie oft eine lange Reise hinter sich. Es wird der Nutzen des Produkts analysiert, die Produktionsbedingungen und die Qualität und nicht zuletzt der mögliche Statusgewinn ab Kauf. Gefragt sind also Empathie sowie eine ganzheitliche Sicht für Nutzer zu entwickeln und das in festgelegten Arbeitszyklen immer wieder zu verbessern. Laut Liechtenecker kann man in drei Schritten zum Ziel kommen: „Eine gute User Experience zeichnet sich dadurch aus, dass ein Produkt oder ein Service einen relevanten Nutzen stiftet (Utility), einfach und selbsterklärend in der Bedienung ist (Usability), Freude bereitet und zur erneuten Verwendung motiviert (Desirebility). Der Haken daran ist nur, es klingt zwar einfach, der Weg dahin ist aber harte Arbeit und bedingt eine bedingungslose Sicht aus der Perspektive und Denkweise der Kundinnen und Kunden und nicht des Unternehmens.“
Benedikt Salzbrunn von der FH Technikum Wien betont in diesem Zusammenhang: „Es ist wichtig, AnwenderInnen immer darüber zu informieren, was gerade passiert, wo sie sind und wie es weitergeht. Sprache soll man so formulieren, dass AnwenderInnen diese verstehen können – wir verwenden oftmals viel zu technische und unklare Begriffe. Außerdem ist es maßgeblich, sich selbst konsistent zu bleiben und sich an Standards zu halten. So kann zum Beispiel eine Kalender-App sehr innovativ sein, aber das Erstellen eines neuen Eintrags sollte nicht gelernt werden müssen.“

Im Zyklus. Folgt man dem UX-Kanon, steht am Anfang jeder Arbeitseinheit eine Beobachtungsphase. Dafür werden Nutzer befragt, Tests gemacht und Benchmarks analysiert. Es folgt die Reflexion, wo Beobachtungen verdichtet und Stärken und Schwächen analysiert werden. Die Umsetzung steht am Ende eines jeden Zyklus, bei dem durch Visualisierung und den Bau von Prototypen Kohärenz über alle Kanäle geschaffen werden soll. Gehen die neu designten Elemente in Betrieb, beginnt erneut die Phase der Beobachtung. UX-Konzepterin Michaela Schaitl beschreibt dies so: „Einerseits ist es immer wichtig, den User in den Mittelpunkt des gesamten Prozesses zu stellen. Dazu zählt auch die Beobachtung der potenziellen User durch Befragung, Usability Tests usw., um ein User Centered Design erschaffen zu können. Andererseits ist es wichtig, ganzheitlich zu denken und wie schon angemerkt das Benutzererlebnis End-to-End zu gestalten. Und gleichzeitig muss gutes UX-Design spürbar sein, das heißt, es muss Emotionen auslösen können.“ „Gutes User Experience De sign ist ein Prozess – iterativ, empathisch und analytisch und vereint am Ende Mensch, Business und Technologie, aus deren Symbiose ein Mehrwert für den Menschen entspringt“, bringt Digital-Profi Susanne Liechtenecker den Nutzen auf den Punkt.

KMU-Tipp. Obwohl die Verantwortung für UX-Design meist innerhalb von Agenturen liegt, macht es laut Salzbrunn für KMU in jedem Fall Sinn, Berater zu laufenden Projekten einzuladen: „Gerade bei kleineren Projekten und Unternehmen ist es durchaus ausreichend, externe Beratung in Anspruch zu nehmen. Wichtig hierbei: Lieber früher als später, gegen Ende sind Änderungen immer teuer.“