iab lädt zum Roundtable und diskutiert die Folgen des Cookie-Urteils für die Werbewirtschaft
Statt Rechtssicherheit und Klarheit wirft Urteil des EUGH mehr Fragen auf denn je. Besonders die Werbewirtschaft sieht das Urteil kritisch. Lösungsansätze bleiben vage.
Das kürzlich veröffentlichte Urteil des Europäischen Gerichtshofs sorgt in der Digitalwirtschaft für mehr Verunsicherung als Klarheit. Auf Einladung von interactive advertising bureau austria und AG Public Affairs zum iab Roundtable diskutierten die Experten Wolfgang Feiel, Leiter Recht und Öffentlichkeitsarbeit, RTR, Eugen Schmidt, Geschäftsführer, AboutMedia, Ursula Illibauer, Wirtschaftskammer Österreich – Bundessparte Information und Consulting und Isabell Lichtenstrasser, Partnerin, Hornek Hubacek Lichtenstrasser Epler Rechtsanwälte, bei vollem Haus über das umstrittene Urteil.
Zwar sind sich die Experten einig, dass für das Setzen von Cookies eine aktive Zustimmung des Users (Opt-In) notwendig ist. Unklar ist jedoch, wie oft und in welcher Ausführung dies zu erfolgen hat. Zudem wird beim Urteil des EUGH nicht darauf eingegangen, welche Cookies vom User ein Opt-In benötigen. Denn ob sich die aktive Einwilligung durch Häkchensetzen nur auf Werbecookies oder auch auf funktionale und technische Cookies bezieht, geht aus dem Urteil ebenso nicht hervor, wie die Ausführlichkeit ihrer Auflistung.
„Die unklaren Vorgaben geben uns leider nicht mehr Rechtssicherheit. Darüber hinaus verschafft es auch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber internationalen Konzernen, da sehr viel Zeit, Geld und Ressourcen investiert werden müssen. Wir wissen leider nicht was wir genau tun dürfen und was nicht. Da gibt es sehr viele Fragen die offen sind, wie beispielsweise, wann und wie gilt das ‚Berechtigte Interesse‘ oder wann und wie oft muss der User seine Zustimmung geben“, so Eugen Schmidt, Geschäftsführer von AboutMedia.
Welches Gesetz greift wo?
Während sich die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ausschließlich auf den Schutz der User und seinen personenbezogenen Daten bezieht, gibt das Telekommunikationsgesetz (TKG) bereits seit 2003 vor, auch die Erfassung von nicht-personenbezogene Daten im Impressum auszuweisen.
Der Rechtsspruch des EUGH bezieht sich dagegen auf beides, personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten und macht damit die Einwilligung durch den User für das Setzen von Cookies noch vor dem Besuch der Website verpflichtend. Eine Ausweisung im Impressum, wie bei der DSGVO vorgegeben, reicht nicht mehr aus.
„Die Einwilligung für Cookies wird auf jeden Fall benötigt. Wie ein Website-Betreiber diese Einwilligung erwirken kann, ergibt sich ausschließlich aus der DSGVO, da das TKG dazu nichts sagt“, kommentiert Feiel.
Werbetreibende sehen zudem eine Problematik im Einsatz von Analyse-Tools und befürchten einen deutlichen Rückgang in der Gewinnung von Daten. Das erschwert das Targeting, weshalb sich die Werbewirtschaft künftig mit enormen Verlusten konfrontiert sieht.
„Ist ein voreingestelltes Häkchen vorhanden, entfernen es zehn bis zwanzig Prozent der User. Ist es allerdings notwendig, ein Häkchen aktiv zu setzen, tun das ebenfalls nur zehn bis zwanzig Prozent der Nutzer. Das ist ein enormer Unterschied“, so Schmidt.
Hilfe für Werbetreibende in Sicht
Nach aktuellem Stand entscheidet die Judikatur noch von Fall zu Fall. Beispielsweise ob Cookies zur Vertragserfüllung, wie Warenkorb-Cookies bei Online-Shops, nach der Sitzung gelöscht werden müssen oder ob sie dauerhaft auf dem Endgerät des Nutzers gespeichert werden dürfen. Aufgrund der vielen offenen Fragen wird das interactive advertising bureau austria zusammen mit der Wirtschaftskammer Österreich daran arbeiten, einheitliche und transparente Standards für die Werbewirtschaft zu entwickeln.
„Ich sehe hier einen klaren Handlungsbedarf eine Art Code-of-Conduct für die Branche zu entwickeln, um Nachteile für heimischen Medien und Unternehmen zu vermeiden. Der Branchenleitfaden soll sowohl von der Datenschutzbehörde als auch von der Werbewirtschaft mitgestaltet werden“, so die iab-austria-Vizepräsidentin Alexandra Vetrovsky-Brychta.
Bis ein einheitlicher Standard gefunden ist, empfiehlt Ursula Illibauer Cookies zu gliedern, um endlose Cookie-Auflistungen im Interesse der User-Usability zu vermeiden. Technische Cookies, die zum Betreiben einer Website nötig sind, können ausgegliedert werden, da diese laut e-Privacy-Richtlinie keine Einwilligung benötigen. Andere Cookies können beispielweise in Marketing- und Analyse-Cookies aufgeteilt werden, für dessen Einwilligung vom User lediglich zwei Häkchen einzuholen sind.
„Man muss aber sehr wohl ausweisen, welche Cookies genau gesetzt werden. Das kann durch ein Drop-Down-Menü und entsprechende Cookie-Bar-Lösungen passieren, wo der Website-Nutzer eine Auflistung aller Cookies findet und gegebenenfalls unerwünschte Cookies aushaken kann“, führt Illibauer aus und hält fest: „Auch das ist keine 100-prozentige DSB-Siegel-Lösung, aber meines Erachtens, die einzige Lösung mit der momentan gearbeitet werden kann.“
Eine Rechtsunsicherheit wird jedoch auch nach Illibauer bestehen bleiben. Diesen „Spielraum“ sieht sie allerdings bis zu einem gewissen Grad auch als Chance. Ebenfalls positiv sieht Alexandra Vetrovsky-Brychta den Erfolg in der Umsetzung der DSGVO auf nationalem Recht.
Ausblick: Neue ePrivacy-Verordnung könnte heimischen Digitalmarkt bedrohen
In Zukunft könnten weitere negative Auswirkungen für den heimischen Digitalmarkt durch die drohende ePrivacy-Verordnung zu erwarten sein. Bereits im Jänner 2017 wurde der erste Entwurf zur neuen ePrivacy-Verordnung vorgelegt. Seither werden einzelne Artikel laufend verändert und umgeschrieben, zuletzt von der finnischen Ratspräsidentschaft. Würde die Verordnung nach jetzigem Stand in Kraft treten, so würden Browser künftig die Gatekeeper-Rolle bei Einwilligungen zur Verwendung von Cookies übernehmen. Cookies könnten im Browser mit nur einem Klick, etwa bei der Installation des Browsers, abgelehnt werden.
Die Expertenrunde und das iab austria sieht das überaus kritisch, denn so droht die ePrivacy-Verordnung die heimische Digitalbranche massiv zu schwächen.
„Wir stehen in diesen Wochen vor einer maßgeblichen Richtungsentscheidung. Nimmt die finnische Ratspräsidentschaft für ihren Stand der ePrivacy-Verordnung, eine Abkürzung über den COREPER-Ausschuss, holen sie sich dadurch das notwendige Mandat für den Start der Trilog-Verhandlungen. Der Trilog würde damit bereits im Jänner 2020 starten und somit negative Folgen für den heimischen Digitalmarkt haben“, kommentiert Alexandra Vetrovsky-Brychta den Status der neuen ePrivacy-Verordnung.