Expertentum als Kommunikationskapital
Wer in erfolgreiche Kommunikation mit seinen Kunden investiert, kann viel gewinnen. Der MEDIENMANAGER hat die wichtigsten Lektionen renommierter Medienmacher für Sie aufbereitet und mit Handlungsstrategien versehen.
Wer in der Kommunikation arbeitet, weiß, die Spielregeln haben sich in den letzten Jahren massiv verändert. Aus der puren Informationsvermittlung ist ein Gespräch geworden, die Leser und Kunden wollen gehört und verstanden werden. Das kostet inzwischen oft mehr Zeit und Ressourcen als die Umsetzung der Kampagne selbst. Der Media Innovation Day des Wiener Forums für Journalismus und Medien hat sich für einen Tag genau diesem Thema angenommen und Experten aus ganz Europa gebeten, ihre Erfahrungen mit Communityaufbau und im Umgang mit Usern für ein diverses Publikum aufzubereiten.
Die Erfahrungen sind dabei nicht nur für Medienmacher nutzbar, auch die Privatwirtschaft kann von den präsentierten Learnings 1:1 profitieren.
Dauerbrenner Aufmerksamkeit.
Aufmerksamkeit ist das höchste Gut der Medienökonomie. Wer die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen kann, kann diese auch monetarisieren. Jost Lübben, erfolgreicher Erneuerer der Westfalenpost, hat dazu einen klaren Fahrplan entwickelt. „Kommunikation muss modern und nah an den aktuellen Lebensfragen der Menschen sein“, meint er und erklärt, dass gerade das Offensichtliche bei der medialen Themenwahl oft unter den Tisch falle. Um bei den Menschen ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, also eine Community anzustiften, müssten die richtigen Themen aufgegriffen werden, die gerade eben eine Energie haben, im besten Falle im Untergrund brodeln und noch nicht benannt wurden.
Design. Auch die Verpackung der Themen habe einen essenziellen Einfluss auf den Erfolg von Projekten. Oft werde unterschätzt, welche unglaubliche Wirkung ein zeitgemäßer Look auf die Menschen habe, Design als Katalysator der Dringlichkeit sozusagen.
Lektion 1:
Sprich wichtige Themen an und kleide sie gut ein
Um heutzutage wichtige Themen anzusprechen, brauchen Sie nicht mehr zwangsläufig eine PR-Agentur oder die Unterstützung traditioneller Medien (auch wenn diese nach wie vor wichtige Verstärker in der Verbreitung von Botschaften sind). Sie verwenden entweder Ihren Unternehmensblog als Plattform oder bringen Ihre Social-Media-Kanäle ins Spiel. Wenn Sie ein dringliches Problem ansprechen, ja vielleicht sogar eine Lösung dafür parat haben, dann investieren Sie einen Tag in gute Fotos, einen aufrüttelnden Text und in die Überlegung, welche Hashtags das Thema am besten umschreiben und Sie in das Blickfeld neuer Kunden bringen könnten. Achten Sie bei aller Sachlichkeit darauf, dass die Materie leicht erfassbar ist und modern präsentiert wird. Dabei sind vor allem ansprechende Bilder und Videos Trumpf.
Lokal agieren. Maria Jelenko-Benedikt, ehemals bei Heute und aktuell Chefredakteurin bei der RMA, diagnostiziert wie ihre Kollegen ein riesengroßes Bedürfnis nach Mitsprache, das auf Plattformen eingeladen und kanalisiert werden will. Besonders im lokalen Bereich seien gerade Themen wie Feuerwehrfeste und Co. identitätsstiftend und in der Berichterstattung nicht zu vernachlässigen.
Eine weitere Stimme für die Konzentration auf die Nische kam von Lukas Sustala vom bereits wieder eingestellten Bezahlportal nzz.at. Anstatt sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren, wollte der österreichische Laborversuch der renommierten Schweizer Mutter viel zu viel, gesteht Sustala im Rückblick, ja sogar Kochshows mussten im Programm sein. Damit habe man sich heillos übernommen und letztlich am Markt und am Publikum vorbeiproduziert.
Die Medienexplosion hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass gerade Spezialisten in ihrem Bereich einen Startvorteil bei der Bildung von Nischenmedien und -communitys haben, wenn sie ihr Know-how richtig kommunizieren und sich auf ihre Nische konzentrieren.
Lektion 2:
Gib deiner Community eine Plattform
Halten Sie Ihre Mitarbeiter dazu an, Themen, die in Kundengesprächen gefallen sind, weiterzutragen. Gerade im menschlichen Miteinander ergeben sich die Ankerpunkte einer Kommunikationsstrategie oft wie von selbst. Seien Sie sich immer Ihrer Macht bewusst: Sie wissen durch Ihren Kundenkontakt von vielen Herausforderungen, die andere gar nicht mitbekommen. Schlagen Sie daraus Kapital und schwingen Sie sich auch in der Kommunikationswelt zu dem Experten auf, der sie in der analogen Welt schon lange sind.
Clubgefühl. Wer sich im Sinne der Zweikanalkommunikation für das Betreiben eines Forums entscheidet, begibt sich allerdings auf risikoreiches Terrain. Die besten Erfahrungen damit hat immerhin noch Neurowissenschafterin Maren Urner vom Onlinemedium Perspective Daily gemacht. Dort wird jeder Leser zum Clubmitglied – ein Modell, das sich auch für die Kommunikation in der Privatwirtschaft schon bewährt hat – und kommuniziert so mit Klarnamen in einem vor der Außenwelt geschützten Raum. Probleme mit Verhaltensregeln gebe es dort beinahe gar nicht.
Shouting Class. Gänzlich gegenteilige Erfahrungen hat Romanus Otte, Chefredakteur und Managing Director des Business Insider Deutschland, bei der Springer Gruppe gemacht. Die große Mehrheit der Beiträge von Usern insbesondere in Foren seien „dumm und garstig“ und männlich dominiert. Die Rede ist von der sogenannten Shouting Class, den Lauten, die allerdings nicht die Mehrheit der User repräsentieren würden. Denn diese schweigt. Dass man das Bedürfnis nach uneingeschränkter Meinungsäußerung auch zum Geschäftsmodell erheben kann, zeigt das spanische Onlinemedium El Dario. Dort gibt es die Möglichkeit zum uneingeschränkten Posten nur gegen Bezahlung.
Lektion 3:
Setze klare Grenzen
Wenn Sie auf Social Media sind, gibt es kein Zurück. Die Nutzer können jederzeit mit Ihnen kommunizie ren, und im Idealfall beantworten Sie aufkommende Fragen und Ärgernisse zeitnah, bei Lob liegt überschwängliches Bedanken nahe. Bitte achten Sie dabei auch darauf, dass Ihr Gebrauch von Emojis der Emotionalität Ihres Produkts angepasst bleibt. Falls Sie ein Forum auf Ihrer Webseite andenken, dann empfiehlt sich nach vielen Jahren der Erfahrung tatsächlich ein Clubmodell, wo die Menschen untereinander über wichtige Themen mit Klarnamen kommunizieren. Das wertet einerseits das Forum selbst auf und wirkt sich allerorts positiv auf das Verhalten der User aus. Wenn das Forum funktioniert, lässt sich daraus viel gewinnen: neue Themen, engere Verbindungen und ein emotionales Zuhause für Ihre Kunden.
Was vom Tage übrig bleibt. Die Schlussfolgerung aus dem Media Innovation Day lässt sich mit „Ein Hoch auf die Nische!“ oder „Schuster, bleib bei deinem Leisten!“ oder „Kommunikation mit der Außenwelt lohnt sich – doch!“ beschreiben. Wer die oben genannten Lektionen für sich spezifiziert, kann auf jeden Fall gewinnen, wichtig dabei ist, auf ein gutes Miteinander, nützlichen Inhalt und den richtigen Look zu setzen.
Tatjana Lukáš