Ein Konjunkturpaket für Blauer-Engel-Druckprodukte

Der Blaue Engel kennzeichnet im Allgemeinen besonders umweltschonende Produkte. Seit der Einführung des Umweltzeichens im Jahr 1978 unter Federführung des damaligen deutschen Innenministers Gerhart Baum, gibt es Recyclingpapiere mit dem Blauer- Engel-Siegel auf dem Markt. Sie sind nicht nur innovativ, sondern helfen in hohem Maß, den Druck auf das Ökosystem Wald zu vermindern.

Leider führen diese Papiere bis zum heutigen Tag mehr oder weniger ein Schattendasein. Laut dem Papierkompass 2019 des Verbandes Deutscher Papierfabriken (VDP) liegt der Marktanteil grafischer Recyclingpapiere momentan bei knapp 5 Prozent, obwohl sie sowohl von Umweltministerien wie auch von NGOs wie Greenpeace, Robin Wood oder der Initiative Pro Recyclingpapier stark beworben werden.
Offenbar fehlen jedoch finanzielle Anreize, um diese Papiere flächendeckend auf dem Markt zu positionieren. Seit einigen Jahren gibt es nun das Blauer-Engel-Siegel RAL UZ-195 für zertifizierte Druckprodukte, das nicht nur den Einsatz von Recyclingpapieren vorschreibt, sondern zusätzlich einen zertifizierten umweltfreundlichen Druckprozess voraussetzt. In der europäischen DACH-Region gibt es mittlerweile etwa 50 Druckereien, die Druckprodukte mit diesem Siegel anbieten können.
Dennoch besteht weiterhin das Problem, diese Produkte auf dem Markt durchzusetzen. Aus diesem Grund haben namhafte nachhaltig produzierende deutsche und österreichische Druckereien, die sich im Projekt UmDEX/print zusammengefunden haben, beschlossen, gemeinsam mit führenden Personen aus Wirtschaft und Politik eine Kampagne zur Lösung dieses Problems ins Leben zu rufen.
Mit dieser Kampagne soll von der Bundesregierung ein zukünftiges Konjunkturpaket anhand konsequent nachhaltiger Leitlinien gefordert werden, wie sie im Sinne des Zertifikats Blauer Engel RAL UZ-195 festgelegt sind. Dabei sind auch soziale und technische Innovationen, Klimaschutz und gesetzlich verankerte Gemeinwohlorientierung zu berücksichtigen, damit nachhaltig produzierende Druckunternehmen, die nach RAL UZ-195 und zusätzlich einem Umweltmanagementsystem wie EMAS oder DIN ISO 14001 zertifiziert sind, langfristig gestärkt werden.

Sinnvolle Subventionen in Klimaschonung sind unabdingbar. Die Bundesrepublik und viele andere Regierungen weltweit haben sich zur Erreichung der Pariser Klimaziele und der Umsetzung der SDGs der Vereinten Nationen verpflichtet. Daher müsste jedes aus öffentlichen Geldern finanzierte Konjunkturpaket ausschließlich der Erreichung dieser langfristigen gesellschaftlichen Ziele dienen.
Die bisherigen Konjunkturpakete berücksichtigten diese Ziele jedoch nur marginal. Laut dem Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) flossen im Verlauf der jüngsten Weltfinanzkrise in den Jahren 2007 bis 2011 lediglich 13 Prozent der über 80 Milliarden Euro starken deutschen Konjunkturpakete in ökologisch nachhaltige Maßnahmen. Das darf nicht noch einmal passieren, denn die Klimakrise schreitet weiter voran, das Klimaschutzprogramm 2030 wird die gesetzten Ziele voraussichtlich nicht erreichen.
Die aktuelle Corona-Pandemie wird zusätzlich eine langfristige Wirtschaftskrise nach sich ziehen. Doch auch hier berücksichtigen die beschlossenen Konjunkturpakete nur sehr zögerlich die Transformation hin zu einer nachhaltigen, klimafreundlichen Form des Wirtschaftens. Nach wie vor sind die Infrastrukturausgaben für gemeinwohlorientierte Maßnahmen wie öffentlicher Nahverkehr, Gesundheitssystem, Altenversorgung, Klimaschutz nicht ausreichend. Dagegen werden umweltschädliche Industrien mit hohen Geldsummen subventioniert, während vielen nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen, wie den nach RAL UZ-195 und Umweltmanagementsystemen wie EMAS zertifizierten Druckereien, die monetäre Wertschätzung verweigert wird.

Beschreibung des aktuellen Status quo. Zurzeit gibt es keine verbindlichen Vorschriften bei öffentlichen Ausschreibungen, die eine Auftragsvergabe an Druckunternehmen favorisieren, die nach Blauer Engel RAL UZ-195 zertifizierte Druckprodukte anbieten.
Im Mittel haben Druckprodukte, die nach Blauer Engel RAL UZ-195 zertifiziert sind, lediglich einen Marktanteil von etwa 10 bis 20 Prozent.
Obwohl die Produktionskosten von Recyclingpapieren in der Regel günstiger sind als bei vergleichbaren Frischfaserpapieren, liegt der Handelspreis im Durchschnitt über dem vergleichbarer Frischfaserpapiere, da die Nachfrage für recyceltes Papier noch immer wesentlich geringer ist.

Hintergrund der Kampagne. In Deutschland gibt es knapp 50 nachhaltig wirtschaftende Druckunternehmen, die nach Blauer Engel RAL UZ-195 zertifiziert sind. Außerdem haben diese Druckereien zusätzliche kosten- und zeitaufwändige prozessorientierte Umweltmanagementsysteme wie EMAS oder DIN ISO 14001 in ihren Unternehmen implementiert.
Druckunternehmen, die das Zertifikat Blauer Engel RAL ZU-195 sowie eines der genannten prozess­orientierten Umweltmanagementsysteme besitzen, reduzieren ihren CO2-Fußabdruck im Mittel um jährlich mehr als 208 Tonnen CO2 gegenüber konventionell produzierenden Druckereien. Bezogen auf die 50 nachhaltig produzierenden Druckunternehmen liegt die CO2-Einsparung bei 10.400 Tonnen jährlich gegenüber konventionellen Druckereien.
Jede Tonne Recyclingpapier reduziert zudem die CO2-Emission um 8 bis 13 Prozent gegenüber Frischfaserpapieren, das sind im Mittel 80 kg CO2 pro Tonne. Bei einem mittleren jährlichen Papierverbrauch von 500 Tonnen pro Unternehmen könnten durch den entsprechenden Einsatz von Recyclingpapier zusätzlich weitere 40 Tonnen CO2 eingespart werden.
Würden alle genannten 50 nachhaltig wirtschaftenden Druckunternehmen ihren Anteil an verarbeitetem Recyclingpapier entsprechend erhöhen, läge die CO2-Einsparung bei zusätzlich 2.000 Tonnen jährlich.
Der Markt für Druckprodukte ist seit Jahren heiß umkämpft. Dumpingangebote sind die Regel, und oft bleiben nachhaltig ökologisch produzierte Druckprodukte aufgrund der Kundenentscheidung für billigere, weil herkömmlich produzierte und darum umwelt- und klimaschädliche Drucksachen auf der Strecke. Billiganbieter sind hier im Vorteil, da sie auf kostenaufwändige nachhaltige prozessorientierte Umweltmaßnahmen verzichten.
Systematischer betrieblicher Umweltschutz kostet Geld. Neben Investitionen in entsprechende umweltrelevante maschinelle und energieeffiziente Maßnahmen fallen Kosten für umweltrelevante prozessorientierte Datenerhebungen, Schulungen, Auditierungen, Umwelterklärungen etc. an. Die durchschnittlichen Personenstunden für systematisches Umweltmanagement liegen je nach Größe des Unternehmens zwischen 500 und 1.000 Stunden jährlich. Hinzu kommen die Kosten für die jeweiligen Gutachten und Re-Validerungen der entsprechenden Zertifikate.
Nachhaltig produzierende Druckdienstleister stehen daher vor der betriebswirtschaftlichen Entscheidung, diese Kosten in ihre Produktangebote einzukalkulieren (was aufgrund der Marktlage oft nicht möglich ist), oder diese Betriebsausgaben als Minderung des ökonomischen Betriebsergebnisses selbst zu übernehmen.

Ziel der Kampagne
Grundsätzlich gilt es, einen sozial-ökologischen Aufschwung zu gestalten, der eine den umweltpolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angemessene klimafreundliche Form des Wirtschaftens ermöglicht.
Konkret bedeutet das für die nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen der Druckbranche:
Vergabe von Subventionen zur Unterstützung der Druckunternehmen, die wesentliche Klimaschutzkriterien bei der Umsetzung von Umweltmaßnahmen wie RAL UZ-195, EMAS und/oder DIN ISO 14001 erfüllen.
Behördliche Vorschriften für öffentliche Ausschreibungen, die nachhaltig hergestellte Produkte, wie RAL-UZ-195-zertifizierte Druckprodukte, fördern.
Mit diesen Maßnahmen soll der Marktanteil nachhaltig produzierter Druckprodukte – und damit auch die CO2-Neutralisierung – erhöht werden, indem die entsprechenden Druckunternehmen zielorientiert die Preisunterschiede zwischen umweltfreundlichen und umweltschädlichen Druckprodukten so stark minimieren können, dass Drucksacheneinkäufer sich aufgrund des Preisvorteils mehrheitlich für klimafreundliche Alternativen entscheiden.


Guido Rochus Schmidt