Fact Checking im Zeitalter von Fake News

Florian Schmidt, Verification Officer der APA, im Interview über Fake News, welche Auswirkungen sie haben und wie man sich davor schützt.

Das Wort Fake News besteht aus zwei Begriffen. „Fake“ heißt „gefälscht“ und „News“ heißt „Nachrichten“. Die Bedeutung dieses Terminus: Schlagzeilen, die aufhorchen lassen und sich meist gegen die Faktenlage der Mainstream-Medien richten. Bilder, denen man sich nicht entziehen kann, deren Herkunft jedoch fraglich ist. Behauptungen, die schlüssig klingen und scheinbar mit Fakten belegt sind, die sich ebenfalls nicht mit den Aussagen des politischen oder wirtschaftlichen Establishments und deren Eliten decken.
Das Problem ist vielfältig: Zum einen handelt es sich um das organisierte Verbreiten von Falschmeldungen, die ganze Wahlergebnisse beeinflussen, und zum anderen geht es um Darstellungen zu Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesundheit, die durchaus einleuchten und beim Empfänger der Botschaften Irritation und Verunsicherung erzeugen. Waren es anfänglich eher Randgruppen, die mit ominösen Meldungen zu den unterschiedlichsten Themen aufhorchen ließen und die allgemein recht einfach ins Eck der Verschwörungstheoretiker geschoben wurden, so sind es immer öfter die Aussagen und Faktenbelege hochseriöser und in ihrem Fachgebiet anerkannter Experten, die sich mit ihren Darstellungen als Fake-News-Verbreiter anprangern lassen müssen. Der thematische Bogen spannt sich dabei ausgehend von dramatischen, die Welt erschütternden Ereignissen wie 9/11, über vermeintliche Machenschaften der WHO und Pharmaindustrie bis hin zum derzeitigen Dauerbrenner Covid-19.
Im Interview spricht Florian Schmidt, seines Zeichens Verification Officer der APA, über Ursachen, Auswirkungen und Gefahren von Fake News.

MedienManager: Der Begriff Fake News steht wohl ganz klar für einen Mangel unserer Zeit – resultierend aus der allgegenwärtigen und für die Medien-Konsumenten unkontrollierbar gewordenen Informationsflut. Was verursachen Fake News in unserer Gesellschaft?
Florian Schmidt: Wenn man sich ansehen möchte, warum es überhaupt Fake News gibt, muss man zwei Perspektiven berücksichtigen. Zum einen die der Erzeuger von Fake News und zum anderen die der Rezipienten, also der Konsumenten von Fake News. Blickt man auf die Seite der Erzeuger, dann findet man im Wesentlichen zwei Motive. Zum einen möchten diese Leute auf den Meinungsbildungsprozess innerhalb der Gesellschaft einwirken. Das heißt, dass sie beispielsweise gewisse politische Spins entstehen lassen wollen. Und zum anderen steht dahinter, dass sie einfach viel Spaß daran haben, dass sie Leute aufs Glatteis führen. Und auf der anderen Seite muss man sich ansehen, warum Fake News überhaupt konsumiert werden. Am Beispiel der Coronakrise kann man erkennen, dass sehr viele Menschen sehr verunsichert sind. Und so werden einfach oft Scheinantworten gesucht, weil einige Fragen derzeit weder Politik noch Wissenschaft beantworten können. Und das öffnet natürlich Tür und Tor für Schein­antworten, die die Menschen offensichtlich gerne aufnehmen.

MedienManager: Das heißt, auf der Seite der Sender von Fake News lässt sich eine Art von Machtspiel und Selbstdarstellungsdrang erkennen. Sind Fake News gefährlich?
Schmidt: Man muss sagen, dass sehr viele Fake News nicht gefährlich sind, weil sie einerseits leicht zu überführen sind und andererseits können diese auch durchaus lustig sein. Es gibt demgegenüber natürlich auch Fake News, die sehr gefährlich und bedrohlich sind und die Gefahr beinhalten, dass sie die Errungenschaften der Menschheit aus den letzten Jahrzehnten aus dem Bereich der Wissenschaft wirklich gefährden, weil sie alternative Erklärungsmodelle bieten, die eben nicht auf Fakten beruhen und somit für richtige Fakten gehalten werden können.

MedienManager: Welche Arten von Fake News sind derzeit verbreitet und welche spezifischen Gefahren verbergen sich hinter diesen?
Schmidt: Es gibt natürlich sehr viele verschiedene Arten von Fake News, gerade bei Formaten, da gibt es Bilder, Videos, Nachrichten usw., aber vom Thema her sind derzeit sehr viele gesundheitliche Falschnachrichten im Umlauf und werden gerne geteilt. Das hat natürlich mit der Coronakrise zu tun, weil sich derzeit auch alles um Gesundheit dreht. Und gerade das ist natürlich auch gefährlich. Wenn man sich die ersten Monate der Coronakrise ansieht, dann hat es hier sehr viele Meldungen gegeben, was nicht alles gegen Corona hilft und was nicht. Da waren beispielsweise Meldungen, dass Knoblauch und andere Hausmittel gegen eine Corona-Infektion helfen, und wenn es dann in Richtung Bleichmittel geht, kann es unter Umständen auch gefährlich werden.

MedienManager: Florian, du bist als Verification Officer der APA mit der Aufgabe des Faktenprüfens beauftragt und versuchst so den Wahrheitsgehalt von Meldungen zu überprüfen. Wie genau funktioniert das? Welcher Quellen bedienst du dich, die dann die Wahrheit wissen?
Schmidt: Ja, eine gute Frage. Das Problem ist nur, es lässt sich schwer erklären, da es hier kein eindeutiges Schema der Wahrheitsfindung gibt, das man bei jedem Fall anwenden kann. Man muss wirklich alle Fälle einzeln betrachten, da diese sehr unterschiedlich sind. Es ist zunächst die Frage, was es zu überprüfen gilt. Ist es ein Bild, eine Aussage, ein Video? Letztlich handelt es sich um Detektivarbeit. Wenn ich ein Bild überprüfen muss, dann muss ich beispielsweise darauf achten, was sich im Hintergrund befindet, ob ich vielleicht etwas erkennen kann, das mir zeigt, dass der Ort gar nicht stimmt, der angegeben wurde. Oder wenn ich Behauptungen von Politikern überprüfen möchte, muss ich vor allem in Datenbanken nachsehen und Statistiken einsehen, ob die angegebenen Zahlen stimmen. Es verhält sich hier jeder Fall anders.

MedienManager: Das Ergebnis deiner Arbeit nennt sich Trusted Content. Also übersetzt vertrauensvoller Inhalt. Diese Begrifflichkeit gefällt mir persönlich schon einmal viel besser als der Begriff Wahrheit. Die veränderte Aussage über Fakten garantiert letztlich immer noch nicht dessen Wahrheitsgehalt.
Schmidt: Das ist eine sehr wichtige Frage. Trusted Content ist tatsächlich ein sehr schwieriger Begriff. Ich persönlich finde es anmaßend, wenn man sein eigenes Produkt so definiert, dass man sagt, es ist vertrauenswürdiger Content. Das sollte man nicht tun. Es sollte vielmehr so sein, dass Dritte sagen: Das ist Trusted Content. Alles, was wir letztlich machen können, ist, darauf hinzuweisen, wie wir beim Prüfen von Fakten vorgehen, sprich wie wir arbeiten. Also alles transparent aufzeigen, jeden Schritt, wie wir vorgegangen sind, erklären. Dazu gehört auch das Benennen unserer Quellen, die wir verlinken, damit der Suchende selbst alles ganz konkret nachvollziehen kann, was wir in unserem Faktencheck getan haben. Das Ergebnis ist, dass wir von uns ganz klar behaupten können, in unserer Arbeit seriös und professionell vorgegangen zu sein. Und vielleicht gibt es dann eben beispielsweise soziale Medien, die sagen: Schaut euch diesen Faktencheck an, denn das ist Trusted Content.

MedienManager: Was ist nun das Angebot der APA für ihre Kunden?
Schmidt: Die APA bietet im Moment zwei verschiedene Angebote. Das eine sind die APA-Faktenchecks, von denen wir zwei bis drei pro Woche produzieren. Zu finden sind die dann auf unserer Homepage oder auf unserem Twitter-Kanal. Hierbei geht es um Aussagen von Politikern oder Facebook-Postings, die eine große Reichweite bekommen, aber möglicherweise falsch sind. Hier geben wir dann eine Einschätzung ab, ob die Aussagen richtig oder falsch sind oder sich irgendwo dazwischen bewegen. Und das zweite ist eine Kooperation mit der Deutschen Presseagentur und Facebook. In diesem Zusammenhang erstellen wir Faktenchecks zu Facebook-Postings, die nachweislich falsch sind. Facebook kennzeichnet dann diese Postings in Form einer grauen Maske und verknüpft sie mit diesem Faktencheck. Laut Facebook verursacht schon allein diese graue Maske, dass 95 Prozent der Facebook-User sich derartige Posts nicht mehr anzeigen lassen. Was natürlich wahnsinnig effektiv ist, aber keine Zensur darstellt, da man sich den Inhalt trotzdem ansehen kann.

MedienManager: Jetzt muss ich abschließend eine Frage stellen, die sich zweifellos aufdrängt. Wer stellt sicher, dass die APA hier – beeinflusst durch welche Macht dieser Welt auch immer – bestimmte Themen nicht färbt?
Schmidt: Das ist natürlich ein Thema, wo wir als Faktencheck-Unit sehr aufpassen müssen, dass wir zum Beispiel auch keine Subventionen von Politik etc. entgegennehmen und dass wir wirklich extrem genaue Kriterien und Regeln für unseren Faktencheck aufstellen. Die sind übrigens alle auf unserer Homepage nachzulesen. Wir versuchen somit extrem transparent zu sein, jede Quelle zu verlinken, die wir verwenden oder irgendwo aufgefunden haben. Ziel ist, dass der Leser quasi jeden Schritt selber nachvollziehen kann und so seinen eigenen Faktencheck mit unseren Schritten erstellen kann.


Interview:
Otto Koller