Fair Work

Ab jetzt nimmt die „Fair Work Charta“ des Creativ Club Austria Gestalt an, um das Miteinander in der Kreativwirtschaft neu zu ordnen und zukunftsorientierte, faire Arbeitsbedingungen zu gestalten.

Die Arbeitsbedingungen der Zukunft in der Kreativwirtschaft stehen im Zentrum der „Fair Work“-Initiative von Creativ Club Austria und Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien. Basierend auf den Ergebnissen einer groß angelegten Umfrage aus dem Frühjahr 2023, werden ab jetzt konkrete Maßnahmen in dialogorientierten Workshops entwickelt, um die Kreativwirtschaft nachhaltig als Arbeitgeber attraktiv zu halten und neue Talente anzusprechen. Die hohe Qualität der heimischen Kreativlandschaft ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von Menschen, die sich in einem fundamentalen Wandel befindet, der durch die „Fair Work Charta“ als kollektives Bekenntnis aktiv geformt werden soll.

Erste Anregungen aus den Umfragedaten leiten Soziologin Finja Pfundner und Matthias Pöll (Brainds) am Dienstagabend im Wiener Top Kino ab, wobei sie die Branche in den Spiegel schauen lassen. „Es geht um ‚Fair Work‘ unter erschwerten Bedingungen, weil Kreativität subjektiven Bewertungen unterliegt und das Business von temporären Projektbeziehungen geprägt ist, in denen über Probleme leicht hinweggesehen wird“, meint Pöll.

Der Kampf um Aufmerksamkeit gehört zu den Grundaufgaben der Kreativwirtschaft, was sich häufig in den internen Karriereentwicklungen in Agenturen abzeichnet, wo Narzissmus belohnt wird. „Kreative tragen doppelte Verantwortung, weil sie den öffentlichen Diskurs mitgestalten“, betont Pfundner. Kollektive Veränderung beginne bei uns allen, ist die Soziologin überzeugt.

Strukturelles Problem im deutschsprachigen Raum

Ein Problem stellt das Mindset in den Agenturen im deutschsprachigen Raum dar, das Kreative häufig in Führungsverantwortung und Mangementaufgaben drängt. Der Generationenkonflikt über das Verständnis von Arbeit ist virulent und die hohe Arbeitsbelastung verhindert die tiefergehende Auseinandersetzung mit fairen Arbeitsbedingungen und die Entwicklung zukunftsfähiger Perspektiven. Marken, Menschen und Unternehmen sind gleichermaßen gefordert, sich in Selbstreflexion zu üben.

„Als Teil des Systems kann die Kreativwirtschaft es verändern, indem sie für Themen und Probleme sensibilisiert, sie erkennt und besprechbar macht“, formuliert Pöll die Chance für den Change-Prozess.

Lenker der Aufmerksamkeit für gesellschaftliche Veränderung

Pfundner und Pöll empfehlen Proberäume, die – vergleichbar mit dem Theater – als experimentelles Umfeld dienen, bevor neue Verhaltensmuster auf der großen Bühne der Arbeitswelt umgesetzt werden. In diesem Safe Space können Tabus thematisiert und gebrochen sowie neue Lösungswege versucht werden, die sich später in der Praxis bewähren. Denn der Preis, den die Branche für Tabus zahlt, ist hoch – es gehen individuelle und gemeinsame Entwicklung, Veränderung und letztlich Wettbewerbsfähigkeit verloren.

Die Ausformulierung der „Fair Work Charta“ muss auf Augenhöhe mit der Arbeitgeberseite vorgenommen werden, die sich durch stark steigende Kollektivverträge, sinkende Arbeitszeiten und die hohe Inflation ebenfalls mit Herausforderungen konfrontiert sieht. Die Arbeitswelt der Zukunft lässt sich im besten Fall als konsensuales Modell realisieren, um wirtschaftlich tragfähig zu sein.

„Als professionelle Lenker der Aufmerksamkeit ist die Kreativbranche eine Probebühne für die Veränderung der Gesellschaft – hinter und auf der Bühne“, schließt Pfundner.

Der Arbeitsgruppe „Fair Work Charta“ im Creativ Club Austria gehören Melanie Pfaffstaller, Rita-Maria Spielvogel, Helena Giokas, Florian Kowatz und Reinhard Schwarzinger an.