Digitaler Wandel: Berufsbilder vor rasantem Umbruch
Der digitale Wandel verändert die Arbeitswelt in einem rasanten Tempo. Etablierte Berufsbilder verschwinden, neue Jobprofile entstehen. Wie Unternehmen und Bildungseinrichtungen mit den neuen Herausforderungen umgehen, erklärten Expertinnen und Experten bei einer Podiumsdiskussion der Plattform „Digital Business Trends“ (DBT) in Wien.
„Viele Jobprofile haben sich schon jetzt verändert. Für die mittelfristige Zukunft lassen sich aber maximal Tendenzen ableiten: Die Ansprüche an die Qualifikation werden steigen, manuelle Routinetätigkeiten weiter an Bedeutung verlieren“, so Julia Bock-Schappelwein vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). Am Arbeitsmarkt gefragt seien künftig eine gewisse Anpassungsfähigkeit und alles, was den Menschen von Robotern und Algorithmen abhebe – wie beispielsweise die Lösung unstrukturierter Probleme. Im Vordergrund stünden Fachwissen und formale Qualifikationen sowie Erfahrungswissen und vernetztes Denken gemeinsam mit digitaler und sozialer Kompetenz.
„Das funktioniert aber nur, wenn gewisse Basiskompetenzen wie Kreativität und Teamfähigkeit vorhanden sind. Wichtig ist, diese Kompetenzen zu stärken, einen existenzgesicherten Zugang zur Weiterbildung zu bieten und nachgefragte Qualifikationen, die in Österreich noch nicht verfügbar sind, anzubieten“, so die Arbeitsmarktökonomin. Auch wenn Studien mittelfristig den Wegfall von bis zu 50 Prozent der Jobs prognostizierten, würden sich vorerst nicht die Berufe, sondern vor allem die Tätigkeiten und Arbeitsbündel ändern.
Jobprofile ändern sich stark
„Unser Mitarbeiterstand wird sich in den kommenden Jahren relativ stabil entwickeln, aber jeder dritte bis vierte Job ändert sich stark in Richtung IT“, sagte Wien Energie-Geschäftsführer Peter Gönitzer. In den kommenden fünf Jahren seien insgesamt rund 250 neuartige Stellen geplant. „Da geht es zum Beispiel um Smart-Service-Spezialisten, um Entwickler für digitale Kundenservices oder um Data Scientists“, so Gönitzer. Er geht davon aus, rund die Hälfte der neuen Positionen durch interne Umschulungen und Weiterbildungen besetzen zu können.
Welches Potenzial die Digitalisierung habe, zeichne sich schon jetzt ab. So würden inzwischen Drohnen zur Inspektion von Windrädern eingesetzt. „Während früher drei Industriekletterer den ganzen Tag daran gearbeitet haben, erledigen das jetzt zwei Personen in einer Stunde. Das ist eine irrsinnige Effizienzsteigerung“, erklärte Gönitzer. Im Kundenkontakt wiederum seien rund 60 Prozent Routineanfragen, der eigene Chatbot werde aber nur zu fünf Prozent angenommen. Menschlicher Service sei in Europa also noch sehr wichtig.
Kognitive Systeme auf dem Vormarsch
Rasante Umbrüche prophezeit Gerhard Zakrajšek, HR-Leiter bei IBM Österreich: „In den nächsten zehn bis 20 Jahren wird die Hälfte der Jobs wegfallen, weil kognitive Systeme immer besser werden. Das betrifft auch hochwertige Arbeitsplätze. Eine gute Ausbildung alleine ist keine Garantie mehr.“ Neben Soft Skills wie kritisches Denken, Kreativität oder kommunikative Fähigkeiten würden digitale Kompetenzen künftig eine große Rolle in der Berufswelt spielen. Diese seien in Österreich aber noch nicht ausreichend in den Bildungsplänen etabliert, sagte Zakrajšek: „Speziell informatisches Denken – also ein Grundverständnis von neuen Technologien – und Programmieren fehlen meist gänzlich am Bildungsweg der österreichischen Schülerinnen und Schüler.“
Dass digitale Bildung viel früher ansetzen muss als an der Uni, kann auch Christian Huemer von der Technischen Universität (TU) Wien unterschreiben. An den Hochschulen selbst werde auf das Themenfeld mit spezialisierten Angeboten reagiert. Dementsprechend startet die TU Wien mit dem kommenden Wintersemester das interdisziplinäre Masterstudium „Data Science“, das angehende Datenwissenschafter auf künftige Herausforderungen vorbereiten soll. Die digitale Transformation müsse aber auch verstärkt in bestehende Lehrangebote integriert werden.
In der Berufswelt würden sich die Rollen rasant verändern, so Eva-Maria Huysza, HR-Leiterin bei Dimension Data Austria. Es gehe darum, seinen Job zu hinterfragen und auch entsprechend zu verändern. Neben einer digitalen Grundkompetenz seien absoluter Lernwille, Veränderungsbereitschaft, Neugierde und eine schnelle Umsetzungsfähigkeit gefragt. „Erst darauf können weitere Kompetenzen aufgebaut werden, um mit den neuen Anforderungen zurecht zu kommen“, erklärte Huysza.
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