Helmut Brandstätter wechselt in die Politik
Nun ist es also offiziell: Der frühere „Kurier“-Herausgeber Helmut Brandstätter verlässt den Journalismus, um bei den NEOS anzudocken. Der langjährige Medienmacher, der sich selbst als „Bürgerlichen mit christlich-sozialem Hintergrund“ beschreibt, erhält den zweiten Platz auf der pinken Bundesliste. Zum Einstieg in die Politik veröffentlichte er eine Abrechnung mit Türkis-Blau in Buchform.
Der 64-Jährige war zuletzt acht Jahre lang Chefredakteur des „Kurier“. Im vergangenen Herbst löste ihn Martina Salomon als Chefredakteurin ab, Brandstätter blieb Herausgeber. Dass er aus dieser Funktion ausscheidet, ist seit Dienstag bekannt – nun machten die NEOS auch seine Kandidatur offiziell: über eine „Wildcard“, wie sie 2017 auch Irmgard Griss hatte, soll Brandstätter auf Platz 2 der Bundesliste kandidieren.
Brandstätter wurde am 24. April 1955 in Wien geboren. Seine journalistische Karriere startete – nach einem Studium der Rechtswissenschaften und dem Besuch der John-Hopkins-Universität in Bologna – 1982 in der Auslandsredaktion des ORF-Fernsehens. Zwischen 1984 und 1991 berichtete er als Korrespondent aus Bonn und Brüssel. Größte Bekanntheit erzielte er bei der tödlich verlaufenen Entführung vor Gladbeck, bei der ihm wie anderen Medienvertretern vorgeworfen worden war, zu nah an den Entführern dran gewesen zu sein und diesen so unnötige mediale Präsenz gegeben zu haben. 1991 übernahm Brandstätter im ORF die Leitung der Hauptabteilung Dokumentation. ORF-Sehern ist er auch als Präsentator des Polit-Magazins „Report“ in Erinnerung.
1997 verließ der Journalist den öffentlich-rechtlichen Sender, um in Berlin als Trouble Shooter die Geschäftsführung des Nachrichtensenders n-tv zu übernehmen. Dem heimischen TV-Publikum erschien er zwischenzeitlich auch als Hauptdarsteller eines TV-Spots für einen japanischen Autohersteller in den 1990er Jahren. Bis zum Einstieg des Privatsenders RTL im Jahr 2003 war Brandstätter auch n-tv-Chefredakteur. Nach der Übernahme kehrte er nach Österreich zurück, dockte kurz beim damals neu gestarteten Wiener Privatsender Puls TV an und machte sich 2005 als Kommunikations- und Medienberater selbstständig.
2006 bewarb sich Brandstätter, der mit der ORF-Journalistin Patricia Pawlicki verheiratet und Vater von drei Kindern ist, für den Posten des ORF-Generaldirektors. Im Hearing vor dem ORF-Stiftungsrat hinterließ der für sein großes Selbstbewusstsein bekannte Medienmacher einen guten Eindruck, die politischen Entscheidungen im Hintergrund waren jedoch längst für Alexander Wrabetz gefallen. Brandstätter widmete sich seiner Kommunikationsagentur BBC (Brandstätter Business Communications). Anlässlich der Bestellung zum „Kurier“-Chefredakteur 2010 verkaufte er seine Anteile an der Agentur.
Acht Jahre lenkte Brandstätter die Geschicke der Wiener Tageszeitung, bis er 2018 als Chefredakteur durch Salomon ersetzt wurde. Brandstätter sei wegen seiner kritischen Kommentare auf Regierungswunsch via Eigentümer Raiffeisen abgelöst wurden, wurde darauf in der Branche gemunkelt.
Von der ÖVP hat sich Brandstätter seither sichtlich entfremdet. Dem Druck der Mannschaft um Ex-Kanzler Sebastian Kurz auf die Medien im Allgemeinen und auf den „Kurier“ im Besonderen widmet er in seinem aktuellen Buch „Kurz & Kickl – Ihr Spiel mit Macht und Angst“ breiten Raum. Brandstätter warnt darin vor einem schleichenden Umbau Österreichs in einen autoritären Staat nach ungarischem Vorbild, sollte Türkis-Blau im Herbst eine Neuauflage feiern.
Dabei wurde Brandstätter eigentlich in einem bürgerlichen Umfeld sozialisiert: sein Vater war über ein Vierteljahrhundert Generalsekretär der Landwirtschaftskammern, Brandstätter selbst war als Vertreter der ÖVP-nahen Studentenunion zwei Jahre lang Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH). Seine eigenen Überzeugungen hätten sich seither nicht geändert, hat Brandstätter zuletzt betont: „Ich fühle mich als Bürgerlicher mit christlich-sozialem Hintergrund.“ Die Auseinandersetzung mit der ÖVP kann er nun im Wahlkampf weiter führen.