IPI-Kongress: „Gefahr für Journalisten nicht unterschätzen“
Der dreitägige Weltkongress des Internationalen Presse Instituts (IPI) in Wien geht heute, Freitag, zu Ende. Am dritten Tag standen der weltweit zunehmende Druck auf unabhängige Journalistinnen und Journalisten sowie Strategien, um dennoch kritische Arbeit leisten zu können, im Fokus. Vera Jourova, Vizepräsidentin der EU-Kommission, gestand ein, dass diesen Themen lange Zeit zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Dies solle sich nun ändern.
„Wir bitten die EU-Mitgliedsstaaten, die Gefahren für Journalistinnen und Journalisten nicht zu unterschätzen“, so die Tschechin mit Verweis auf mehrere ermordete Medienschaffende in den vergangenen Jahren. Deren Schutz sei wichtig für Demokratie und Gesellschaft, die Arbeitsbedingungen würden aber zusehends schlechter werden. Mehr als 900 Angriffe auf Journalisten wurden im Vorjahr in der EU verzeichnet. Viele davon ereignen sich im Zuge von Demonstrationen. Frauen seien häufig Zielscheibe von Drohungen, so Jourova. Um gegenzusteuern hat die EU-Kommission am Donnerstag Empfehlungen für Mitgliedstaaten vorgelegt.
Darin werden etwa die Schaffung von unabhängigen nationalen Unterstützungsdiensten gefordert. Helplines, Rechtsberatung und psychologische Unterstützung sollen ausgebaut bzw. etabliert werden. Mitgliedsstaaten sollen Straftaten „energisch“ untersuchen und geltende rechtliche Möglichkeiten ausschöpfen. „Wir haben versucht, so praktisch wie möglich vorzugehen“, meinte Jourova. Sie kündigte an, die Umsetzung der rechtlich nicht bindenden Empfehlungen genau zu beobachten und im kommenden Jahr ein Medienfreiheitsgesetz vorzustellen. Möglichkeiten, mithilfe des Rechtssystem kritische Journalisten in ihrer Arbeit einzuschränken, sollen zurückgedrängt werden. „Viele Journalistinnen und Journalisten müssen den Großteil ihrer Zeit und Geld in Gerichtsverfahren investieren, anstatt sich ihrer Arbeit zu widmen“, so die Vizepräsidentin der EU-Kommission.
Maria Ressa kennt dieses Problem nur zu gut. Die Geschäftsführerin der Online-Nachrichtenseite „Rappler“ setzt sich für Pressefreiheit auf den Philippinen ein. Daher sieht sie sich mit mehreren vom Präsidenten der Philippinen Rodrigo Duterte angestrengten Klagen konfrontiert. Gerichte verbaten ihr, für den Kongress nach Wien zu reisen, weshalb sie online zugschalten wurde. Sie betonte, wie wichtig es sei, international gut vernetzt zu sein. Nur so sei sie trotz mehrerer Verhaftungen immer noch frei. Für ihre kritischen Berichte über Duterte stützt sich „Rappler“ auf Crowdfunding. „Spenden helfen, die explodierenden Gerichtskosten zu schultern“, erklärte Ressa. Um die Unterstützung aufrechtzuerhalten, müsse man das Publikum daran erinnern, „warum wir Journalisten Drohungen in Kauf nehmen und Gefängnis riskieren.“ Einfach sei dies heutzutage nicht. Algorithmen diverser Online-Plattformen ermöglichen es Lügen und Gerüchten sich schneller zu verbreiten als Fakten. „Das ist ein großes Problem“, so Ressa.
Auf ihre Leserinnen und Leser stützt sich mittlerweile auch das in Lettland aufgezogene Nachrichtenportal „Meduza“. Die russischen Behörden warfen Galina Timchenko, CEO und Gründerin des Mediums, als auch ihrem Team vor, Auslandsagenten zu sein, weil sie über das „wahre Russland“ berichten wollten, so Timchenko. „Wir kamen auf schwarze Listen. Das hat unser Geschäftsmodell zerstört. Werbetreibende wollen keine Probleme mit der Regierung“, erklärte die „Meduza“-Geschäftsführerin. Auf der Suche nach alternativen Finanzierungsmethoden sprach man die Community an und stieß auf große Unterstützung: Mehr als 100.000 Menschen aus Russland und anderen Ländern spenden mittlerweile für „Meduza“.
Khadija Patel, Journalistin in Südafrika und für den „International Fund for Public Interest Media“ tätig, setzt auf einen multilateralen Ansatz, um unabhängige Medien am Laufen zu halten. Sie beobachte, dass viele kleine Medienhäuser auf einzelne Großspender angewiesen seien. Deren Interessen seien aber häufig flatterhaft bzw. von der jeweiligen politischen Lage abhängig. Gelder aus vielen verschiedenen Quellen sollen für eine stabile Basis sorgen. „Niemand finanziert jemanden umsonst. Daher muss man sehr vorsichtig sein, woher man das Geld nimmt“, mahnte Patel.
Zaffar Abbas, Editor Pakistans ältester englischsprachiger Zeitung „Dawn“, warnte vor der zunehmenden Diskreditierung renommierter Medien als „Fake News“. Viele autoritäre Regierungen würden mittlerweile ähnlich wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump vorgehen und unliebsame Berichterstattung bekämpfen. „Sie haben Geld und setzen es gegen uns ein. Wenn wir keine Lösung dagegen finden, werden sie Erfolg damit haben“, glaubte Abbas. Er selbst befindet sich mit „Dawn“ zwischen den Fronten. Man hinterfrage die Arbeit der pakistanischen Regierung und kritisiere zugleich militante islamistische Gruppierungen. „Beide Seiten üben Druck auf uns aus“, schilderte Abbas die schwierige Lage.
Die Sitzungen des IPI-Weltkongresses finden heuer aufgrund der Pandemievorkehrungen teils virtuell, teils in Präsenzveranstaltungen statt. Zum Abschluss widmet sich der Kongress Zentraleuropa und neuen Möglichkeiten, Qualitätsjournalismus zu fördern.