„Kurier“-GF Kralinger: „Orf.at ist uns ein Dorn im Auge“

Die Verhandlungen für eine ORF-Digitalnovelle biegen langsam in die heiße Phase ein. Im Prinzip stehe dabei nicht weniger als die Medienvielfalt des Landes auf dem Spiel, meinte „Kurier“-Geschäftsführer Thomas Kralinger. Im APA-Interview sprach er über seine Vorstellungen von der Novelle, die Entwicklung des Digitalmarktes, ÖVP-Nähe und die Glaubwürdigkeit des „Kurier“.

Die Politik müsse in Hinblick auf die ORF-Gesetzesnovelle „mit sehr viel Bedacht vorgehen“. „Es geht im Prinzip um die Medienvielfalt im Land, wenn der ORF mit einer Gebührenfinanzierung von ca. 700 Mio. Euro mehr Möglichkeiten bekommen soll“, so Kralinger. „Ein Dorn im Auge ist uns von Verlegerseite die ‚blaue Seite‘ orf.at, wo sehr gut recherchierte, qualitativ hochwertige Inhalte gratis gelesen werden können. Das erschwert die Platzierung von digitalen kostenpflichtigen Angeboten enorm.“ In diesem Umfang könne orf.at nicht frei verfügbar am Markt bleiben – noch dazu mit Werbefinanzierung, betonte der 61-Jährige.

Keine Perspektive sei es auch, den ORF – von dem er sich wünscht, dass er sich stärker auf seinen Kernauftrag fokussiere – am Werbemarkt mit noch mehr Möglichkeiten auszustatten. Generell solle man aber lieber gemeinsam Strategien gegen die Dominanz großer amerikanischer Plattformen entwickeln. Schon jetzt wandere der Großteil der Onlinewerbegelder ins Ausland, mahnte Kralinger.

Prinzipiell liege trotz Pandemie eine stabile Entwicklung des Anzeigenmarkts vor. Weit weniger erfreulich sind für die Branche die stark gestiegenen Papierpreise. Kurzzeitig stand die Verfügbarkeit von Papier infrage. „Die Liefersituation hat sich mittlerweile bereinigt. Aber aufgrund der Preissituation sind wir natürlich sehr rigide, was die Seitenumfänge betrifft“, sagte der langjährige Geschäftsführer des Medienhauses. Dass der „Kurier“ auch aufgrund dessen in Zukunft nicht mehr sieben Tage die Woche in Printform erscheinen könnte, sei „möglich, aber nicht in der aktuellen Planung enthalten“.

Denn nach wie vor greifen mehr Personen zumindest einmal in der Woche zu kostenpflichtigen Print-Tageszeitungen (31,2 Prozent) als zu kostenpflichtigen Online-Tageszeitungen (23 Prozent), wie eine vom „Kurier“-Medienhaus beauftragte und im Februar durchgeführte Umfrage unter 500 Personen zeigt. Gleichzeitig wird mit 76,3 Prozent Letzteren aber eine noch höhere Glaubwürdigkeit als den Kauf-Printtageszeitungen (73 Prozent) attestiert. Damit liegen sie beide weit vor kostenlosen Print-Tageszeitungen (38,4 Prozent) oder Social Media (28,3 Prozent).

Kralinger sieht darin eine Bestätigung, sehr stark auf digitale Vertriebserlöse – seien es E-Paper oder über eine Paywall erreichbare Inhalte – zu setzen. Für das heurige Geschäftsjahr sei bereits ein Digitalanteil von ca. 25 Prozent bei den Abos und damit rund 25.000 Stück geplant. „Wir sehen das Potenzial, bis 2025 auf mindestens 50.000 Digitalabos zu kommen.“ Um diese stärker an die Leserschaft zu bringen, wünscht er sich, dass digitale sowie Print-Abomodelle stärker gefördert werden. Mögliche Ansätze wären etwa die Reduktion bis hin zur völligen Streichung der Umsatzsteuer oder Zuschüsse im Bereich der Zustellung.

In puncto Vertrauenswürdigkeit belegt der „Kurier“ (55 Prozent) bei den Umfrage-Teilnehmern den dritten Platz unter den größten österreichischen Tageszeitungen. „Der Standard“ (67 Prozent) und „Presse“ (61 Prozent) schneiden besser ab. „Schöner wäre es, die Nummer eins zu sein – gar keine Frage. Aber mehr als die Hälfte der Befragten erachtet den ‚Kurier‘ als glaubwürdig. Das finde ich schon zufriedenstellend“, so Kralinger.

Eine allfällige ÖVP-Nähe, wie sie dem „Kurier“ von mancher Seite nachgesagt wird, wäre der Glaubwürdigkeit des Blattes nicht dienlich. „Wir sind eine bürgerlich-liberale Zeitung, die sich Europa, der Gleichheit der Menschen und Religionen verschrieben hat. Ich wüsste nicht, was das mit ÖVP-Nähe zu tun hat. Wir sind ein Land, das eine erstaunliche Neigung dazu hat, alles in parteipolitische Schächtelchen zu werfen. Wir würden alle gut daran tun, uns neutral mit den Dingen zu beschäftigen“, wies der „Kurier“-Geschäftsführer die Zuschreibung zurück.

Hinnehmen muss er jedoch die Reichweitenverluste des 2019 ins Medienhaus zurückgeholten Nachrichtenmagazins „profil“. Bei der jüngsten Media-Analyse verlor es statistisch signifikante 0,5 Prozentpunkte und kam auf nunmehr 3,2 Prozent Reichweite. „Das Leserinteresse und der Lesermarkt verändern sich sehr schnell. Auf das müssen wir Rücksicht nehmen. Wir denken deshalb auch sehr intensiv über eine Reform der Media-Analyse nach“, sagte Kralinger. Insgesamt habe er nicht den Eindruck, dass mit dem Instrument weiterhin der Lesermarkt abgebildet werde. Die Integration des redaktionell unabhängig agierenden „profil“ ins „Kurier“-Medienhaus habe sehr gut funktioniert. Allerdings würde er sich für das Magazin „etwas mehr Unterstützung der österreichischen Werbewirtschaft wünschen“.