Nehammer bei Putin – Russische Medien zurückhaltend

In Ermangelung von Informationen aus dem Kreml haben Medien in Russland eher zurückhaltend über den Besuch von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) beim russischen Präsidenten Wladimir Putin am Montag berichtet. In einem beschränkten Ausmaß wurde aus Erklärungen Nehammers zitiert, der eigentlich verbotene Begriff „Krieg“ schaffte es sogar in die staatliche Nachrichtenagentur TASS.

„Das war die erste Reise des Vertreters eines unfreundlichen europäischen Staats in die Russische Föderation nach Beginn der Spezialoperation in der Ukraine“, schrieb die Tageszeitung „Moskowski Komsomolez“ (MK) am Montagabend auf ihrer Homepage. Obwohl Nehammer bisher nie mit dem russischen Präsidenten gesprochen hatte, gebe es keinen Grund, sich über den plötzlichen Besuch des Kanzlers zu wundern. Der österreichische Bundeskanzler sei keine „dauerhafte Figur“, schrieb die Zeitung mit Verweis auf elf Bundeskanzler seit Putins Machtübernahme im Jahr 2000.

Für Putin sei der Besuch die Möglichkeit gewesen, ein neues Gesicht in der europäischen Politik „abzutasten“ und über jene Gründe zu erzählen, die Russland gezwungen hätten, militärisch in der Ukraine vorzugehen. Da Nehammer aber kaum geheime, mit der EU akkordierte Vorschläge oder eine Botschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj überbracht haben dürfte, habe es für die beiden zur Ukraine im Großen und Ganzen nichts zu besprechen gegeben, schrieb die Boulevard-Zeitung, deren Chefredakteur Pawel Gussew seit Ende vergangener Woche auf einer EU-Sanktionsliste steht.

MK vermied in der Berichterstattung Zitate Nehammers, in denen das Wort „Krieg“ vorkam. Das galt auch für die Tageszeitung „Iswestija“, die selektiv aus der Presseaussendung des Bundeskanzleramts vom Montagnachmittag zitierte. Das Medium referierte Experten, die auch an die österreichische Abhängigkeit von russischen Erdgas erinnerten. Der österreichische Politologe Gerhard Mangott habe „Iswestija“ erklärt, dass der Kanzler dem russischen Präsidenten versichert haben könnte, dass Wien gegen ein Gasembargo in der EU stimmen werde, schrieb die Zeitung. Obwohl Nehammer im Unterschied zum früheren Kanzler Sebastian Kurz eine „technische Figur“ und ein „grauer Demokrat“ sei, brächte er eine österreichische Außenpolitik zum Ausdruck, die balancierter als jene Deutschlands sei, kommentierte der Moskauer Dozent Wadim Truchatschow in der Zeitung. Der Artikel war mit „Wiener Chance“ betitelt – im Russischen eine offensichtliche Anspielung an „Wiener Walzer“.

Die Tageszeitung „Kommersant“ spielte indes mit der Bedeutung von „Wena“, das nicht nur die russische Bezeichnung der österreichischen Hauptstadt ist, sondern gleichzeitig auch Vene bedeutet. Die Schlagzeile „In Nowo-Orgarjowo wurde Wien geöffnet“ ließ auch verstehen, dass in der Putin-Residenz außerhalb von Moskau eine Vene aufgeschlitzt worden wäre. Neben der Geschichte der bilateralen Beziehungen und der Rolle russischer Gasimporte aus Österreich referierte die Zeitung ausführlicher als andere Medien aus der Aussendung des Bundeskanzleramts. Trotz Zensur, die die Verwendung des Begriffs „Krieg“ praktisch kriminalisierte, war dabei vom „unermesslichen Leid“ die Rede, dass durch den „russischen Angriffskrieg“ entstanden sei.