ORF-Publikumsrat: Marschitz sieht Beschwerden gelassen

Die Beschwerden von Presseclub Concordia und Österreichischer Universitätenkonferenz (uniko) zur Bestellung von Räten für die ORF-Gremien haben am Donnerstag auch den ORF-Publikumsrat beschäftigt. Dessen Vorsitzender Walter Marschitz sieht sie gelassen. Die Argumente der Beschwerdeführer seien „nicht stichhaltig“. Auch werde die Medienbehörde KommAustria, sofern sie nicht ihre Spruchpraxis ändere, die Beschwerde wohl zurückweisen, meinte er.

Der Presseclub Concordia hat mittlerweile die nötigen Unterstützungserklärungen von Rundfunkteilnehmerinnen und -teilnehmern für seine Popularbeschwerde bei der Medienbehörde KommAustria im Sinne der Unabhängigkeit des ORF erreicht. 120 Erklärungen waren nötig, mehr als 300 gingen trotz kurzer Fristen und Pfingstfeiertagen ein, sagte Presseclub-Concordia-Generalsekretärin Daniela Kraus auf APA-Anfrage. Darunter finden sich auch namhafte Unterstützerinnen und Unterstützer wie Heide Schmidt, Harald Sicheritz, Doron Rabinovici, Ruth Wodak, Michael Ostrowski, Robert Menasse oder auch die Kommunikationswissenschafter Andy Kaltenbrunner, Roman Hummel und Fritz Hausjell.

Die Beschwerde zielt auf die Zusammensetzung der ORF-Gremien Stiftungsrat und Publikumsrat, die mehrheitlich von den Regierungsparteien bestimmt werden, ab. Diese biete eine „strukturelle Einfallspforte für politischen Einfluss“. Der Presseclub Concordia sieht rechtswidrige Bestellungen bei zwölf von insgesamt 17 von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) jüngst bestellten Publikumsratsmitgliedern gegeben – etwa, weil ihre Bestellung nicht auf Basis von gesetzlich vorgesehenen Dreiervorschlägen erfolgte oder auch auf Basis von Vorschlägen von Einrichtungen, die für ihren Bereich nicht repräsentativ seien.

In weiterer Folge haben diese Publikumsratsmitglieder über sechs Personen für den Stiftungsrat mitgestimmt. Diese nahmen wiederum an der Wahl des Stiftungsratsvorsitzenden teil. Beide Vorgänge seien damit mit „dem Makel der Rechtswidrigkeit behaftet“, heißt es in der Beschwerde des Presseclub Concordia. Auch die uniko brachte eine Beschwerde bei der KommAustria gegen die Entscheidung der Medienministerin für den Vertretungsbereich Hochschulen im Publikumsrat ein.

Marschitz sieht die Beschwerden nicht als Sache des Publikumsrats: „Wir sind interessierte Beobachter der Angelegenheit.“ Er merkte an, dass für die Funktionsperiode von 2014 bis 2018 13 der 17 von Bundeskanzler bzw. zuständigem Regierungsmitglied zu bestellenden Publikumsratsmitgliedern nicht auf Basis eines Dreiervorschlags ins Gremium gelangten. Für die Folgeperiode waren es neun von 17 Mitgliedern. In Hinblick auf die nötige Repräsentativität von Organisationen meinte er, dass nirgendwo vermerkt sei, dass das zuständige Regierungsmitglied zwangsläufig den Vorschlag der repräsentativsten auswählen müsse.

Ohnehin habe es in der Geschichte des ORF immer wieder Beschwerden zur Publikumsratszusammensetzung gegeben. Etwa 2014 als sich der Behindertenrat über die Bestellung von Erich Fenninger von der Volkshilfe für den Vertretungsbereich Menschen mit Behinderung beschwerte. Die KommAustria habe die Beschwerde wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen, da die Kontrolle einer entsendenden Stelle nicht ihre Aufgabe sei. „Wenn die KommAustria ihre Spruchpraxis nicht ändert, ist davon auszugehen, dass sie auch diese Beschwerde zurückweist“, so Marschitz. Natürlich könnte der Fall eintreten, dass die Beschwerden in weitere Instanzen gehen.

Die Mitglieder des Publikumsrats nahmen sich für die vierjährige Funktionsperiode zum Ziel, sich Schritt für Schritt mit den 19 Punkte umfassenden öffentlich-rechtlichen Kernauftrag für den ORF zu befassen. Somit stehen etwa die angemessene Berücksichtigung aller Altersgruppen, die angemessene Berücksichtigung von Menschen mit Behinderungen, die Förderung des Verständnisses für wirtschaftliche Zusammenhänge oder auch die Darbietung von Unterhaltung im ORF-Programm im Mittelpunkt der kommenden Sitzungen.

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann erinnerte am Donnerstag daran, dass es „festes Ziel“ sei, das Jahr 2022 wirtschaftlich nicht negativ abzuschließen. „Aber die kommenden Jahre werden finanziell sehr herausfordernd werden. Wir werden jeden Euro ein drittes Mal umdrehen müssen“, kündigte er an. ORF-Finanzdirektorin Eva Schindlauer sprach von einer „angespannten“ finanziellen Situation. Auf Erlösseite sei man damit konfrontiert, dass man steigende Kosten nicht an Kunden weitergeben könne und zudem die Streaminglücke weiter aufklaffe. Einig sei man sich, dass die vorhandenen Mittel ins Programm fließen sollen.

In Hinblick auf die baldige Besiedelung des neuen multimedialen Newsrooms am Küniglberg zeigte sich Weißmann überzeugt, dass man einen der, wenn nicht den modernsten Newsroom Europas gebaut habe. In den neuen Räumlichkeiten werden auch viele Radiomitarbeiterinnen und -mitarbeiter Platz finden. Das ORF-Funkhaus in der Argentinierstraße werde dennoch „ein wichtiges Standbein der ORF-Kultur“ bleiben, so ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher. Bleiben doch das Radiosymphonieorchester (RSO) und das Radiokulturhaus als „Kulturcluster“ in einem neuen adaptierten Teil des Gebäudes.