„Zeitschriften sind gewöhnt, in Zielgruppen zu denken“
Am Zeitschriftentag 2017 wird „Netzstrategin“ Christina D’Ilio Tipps für die richtige Digitalstrategie geben.
Christina D’Ilio verspricht nicht weniger als „digitale Handlungsfähigkeit“. Mit ihrem Beratungsunternehmen Netzstrategen berät die Expertin aus Karlsruhe Medien und andere Interessierte bei Digitalisierungsstrategien. Sie ist eine der Gast-Vortragenden am Zeitschriftentag 2017, den der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) gemeinsam mit dem Österreichischen Zeitschriften- und Fachmedienverband (ÖZV) am 14. September in Wien organisiert. Der Medienmanager sprach mit der Digital-Expertin schon jetzt.
Medienmanager: „Kennen Sie Ihre Zielgruppe?“ so lautet der Titel Ihres Vortages am Zeitschriftentag. Welche Antworten erhalten Sie üblicherweise auf diese Frage?
Christina D’Ilio: Die Antwort auf diese Frage ist leider oft betretendes Schweigen oder aber es wird eine so große Gruppe von Menschen genannt – z.B. „alle Frauen über 13 Jahre“ -, dass der Begriff Zielgruppe nicht mehr wirklich passt. Wir versuchen, Zielgruppen mit sogenannten Medien-Personas zu bestimmen. Die Grundlage dafür sind Milieu-Studien des Sinus Instituts für Marktforschung. Anhand ganz konkreter Eigenschaften und Wertvorstellungen sowie demografischen Daten und dem jeweiligen Mediennutzungsverhalten lassen sich Zielgruppen und ihre individuellen Bedürfnisse ableiten.
Medienmanager: Digitalstrategien sind mittlerweile ein wesentlicher Bestandteil jeder Verlagsstrategie. Wie unterscheiden sich Ihrer Meinung nach Digi-Strategien für Zeitschriften-Verlage von jenen in Tageszeitungsverlagen oder auch anderen Mediengattungen?
Christina D’Ilio: Im Vergleich zu Tageszeitungen, die mit ihrem traditionellen Printprodukt in der Zielgruppenaussteuerung oft nur auf das Merkmal Wohn- oder Arbeitsort im Verbreitungsgebiet gehen, sind Magazine eher daran gewöhnt, in Zielgruppen zu denken. Das hilft ihnen bei der Entwicklung der Digitalstrategie. Im Digitalen ist aufgrund des enormen Angebots eine zielgruppengerechte Ansprache und Aufbereitung noch viel wichtiger als bei gedruckten Medien. Die ursprünglichen „Spezialitäten“ der Magazine, wie eine starke Layout- und Bildsprache sowie viel Platz für die inhaltlich tiefe Beschäftigung mit einzelnen Themen, sind im Digitalen allen Akteuren zugänglich und deswegen keine Alleinstellungsmerkmale mehr. Deswegen müssen vor allem Magazine an ihrem digitalen Profil arbeiten.
Medienmanager: Können Sie aus Ihrer Sicht eine Kurz-Charakteristik des Magazine-Wesens geben?
Christina D’Ilio: Unsere Kunden kommen vor allem aus dem deutschen Markt und dort besonders aus dem Bereich der Tageszeitungen. Wir stellen aber auch dort einen starken Trend zu magazinähnlichen Formaten fest. Die digitale Konkurrenz im Nachrichtensektor ist enorm groß. Auch für regionale und lokale Publikationen. Abseits der Chronistenpflicht punkten Tageszeitung im Digitalen deswegen immer mehr mit gut und tief recherchierten Artikeln, unabhängig von der tagesaktuellen Nachrichtenlage. Genau dort sehen wir den größten Vorteil von Zeitschriften und Magazinen. Sie haben die Möglichkeit, abseits des stark auf Aktualität getriebenen Nachrichtenmarktes eigene Akzente zu setzen. Statt diese Nische auch digital auszunutzen, begeben sich Magazin- oder Zeitschriften-Webseiten aber oft in den Konkurrenzkampf um Aktualität. Bei der Beantwortung der Frage, ob das strategisch sinnvoll ist, kann ebenfalls eine genaue Zielgruppenbetrachtung helfen: Welche Inhalte und welche Tagesaktualität erwarten meine Leser von mir?
Medienmanager: Wie würde sich der Magazine-Markt in 5 Jahren vom heutigen unterscheiden?
Christina D’Ilio: Der digitale Magazine-Markt ist stark umkämpft. Es drängen neue Akteure in den Markt, die mit magazinähnlichen Formaten um die Gunst und Aufmerksamkeit der Leser buhlen. Nicht nur Tageszeitungen entwickeln sich immer mehr zu regionalen Magazinen, sondern auch Akteure ohne Verlagshintergrund spielen eine immer größere Rolle. Stichwort: Content Marketing. Jeder Firmen- (oder private) Blog ist ein potentieller Konkurrent. In Zukunft wird wichtig sein, weiterhin auf journalistische Kompetenz sowie die zielgruppengerechte Aufbereitung der Themen zu setzen.
Medienmanager: Welche Tipps werden Sie im Rahmen Ihres Vortrages geben?
Christina D’Ilio: Ich möchte die Teilnehmer dafür sensibilisieren, noch mehr auf die Bedürfnisse ihrer Leser einzugehen. Im Digitalen haben wir sehr stark differierende Nutzungsverhalten und Nutzungssituationen. Wenn ich diese bei der Entwicklung meiner Digitalstrategie nicht bedenke, kann ein Produkt trotz guter Inhalte floppen. Die Verwendung von Medien-Personas macht es deutlich leichter, sich in seine Nutzer hineinzuversetzen.