„Man braucht Guides durch den Marketing-Dschungel“

© STunningART-AdobeStockDas passende Know-how, die richtigen ExpertInnen an den richtigen Stellen in Agenturen und werbetreibenden Unternehmen – diese Ingredienzien sind in Zukunft noch mehr erfolgsentscheidend. Aber wie kann man dies erlangen? Der MedienManager hörte sich um.

MedienManager: Welches Know-how wird im Marketing und in der Mediaplanung der Zukunft wichtig werden – und warum?

Sabine Auer-Germann, Mindshare: Agenturen verändern sich zu starken strategischen Beratern ihrer Kunden und brauchen Mitarbeiter, die das mit einem Rundumblick leisten können. Besonders wichtig wird die Kompetenz im Technologie- und Datenbereich. Künftige Data Scientists werden mit künstlicher Intelligenz zusammenarbeiten und benötigen ein fundiertes Wissen, um die menschliche Entscheidung anhand der Vorschläge des Computers zu treffen.

Markus Fallenböck, Own Austria: Wichtig ist die Kombination aus Digital-Expertise und der Fähigkeit, Geschichten zu erzählen (Storytelling). Wir sehen das etwa stark im speziellen Bereich des Finanz-Marketings. Einerseits muss man Kampagnen sehr effizient und gezielt aussteuern, andererseits geht es um Vertrauensaufbau. Letzteres gelingt nur über die Content-Seite, indem ich dem Kunden die Story hinter dem Produkt nahebringe.

Andreas Martin, Porsche Media Agentur: Die Komplexität des (digitalen) Marketing wird weiter zunehmen. Daher wird verstärkt der Trend hin zur strategischen allumfassenden Beratung gehen. Kombiniert mit einem starken Spezialistentum in einzelnen Kanälen. Ebenso ist technisches Grundverständnis eine wichtige Basis. Mobile First ist schon lange kein Buzzword mehr, sondern gelebtes Nutzerverhalten. Kampagnen müssen mobil und digital gedacht werden.

Maximilian Mondel, Momentum Wien: Ganz klar: Know-how und Skills in sämtlichen Bereichen von Digital Marketing, Digital Media und Digital Advertising. Warum? Weil ohne Digital nichts mehr geht und weil die Mediennutzung noch mehr in Richtung Digital gehen wird.

Herbert Pratter, Vizeum Austria: Generell wird Know-how in Marketing-Technologie („MarTech“) immer wichtiger. Damit verknüpft steigt der Bedarf an Know-how und Personal in den Bereichen Data Analytics, Data Science, Data Mining, Data Engineering und natürlich Data-driven Advertising. Durch die steigende Komplexität von Marketing-Agenden braucht es aber auch zusätzliches Know-how in den Bereichen Projektmanagement, Strategie und Orchestrierung von vielen verschiedenen Einzelmaßnahmen und im Bereich von Peopleund Teammanagement.

Harald Winkelhofer, Mobile Marketing Association: Im Marketing wird die Kreativität zunehmend mit technischem Know-how in Verbindung stehen müssen. Denn nur das Wissen, was auf diversen Devices alles möglich ist, wie Nutzer begeistert und angesprochen werden können, wird Erfolg zeitigen. In der Mediaplanung gilt die Frage, was überhaupt noch an Planung, wie wir sie bisher kennen, möglich ist. Denn vielleicht nehmen uns in ferner Zukunft ja Maschinen alles Planbare ab und es geht vielmehr um die Steuerung und interaktives Handeln.

MedienManager: Was muss dazu schon in der HR-Planung berücksichtigt werden?

Auer-Germann: Wir sind abhängig vom Bildungsmarkt, der die richtigen Studiengänge und Ausbildungsmöglichkeiten anbieten muss, um die Menschen für die Jobs der Zukunft zu begeistern und zu formen. Dazu ist die enge Zusammenarbeit mit den Institutionen und Universitäten sinnvoll, um praxis- und bedarfsorientierte Lehrgänge zu entwickeln. Sie bieten dann auch den Zugang zu den potenziellen Mitarbeitern. Einen Beitrag dazu leistet das iab austria auch im neuen „Digital Marketing – Grundkurs DACH“, der einheitliche Standards für den deutschsprachigen Raum schafft.

Fallenböck: Ideal ist natürlich die beschriebene Kombination in einer Person – was aber eher selten ist. Insofern muss man Ausschau halten nach Datenspezialisten mit einschlägiger Ausbildung und Kreativen. Natürlich kann man gewisse Kompetenzen auch extern zukaufen.

Martin: Gesucht werden sollen Menschen, die mit stetiger Veränderung umgehen können und die motiviert sind, sich laufend weiterzubilden. Stressresistenz ist ebenso gefragt.

Mondel: Auch für HR und Recruiting gilt: Ohne Digital geht nichts mehr. Die Personalsuche und die Personalentwicklung funktionieren heute ganz anders als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Bei Momentum Wien tragen wir dem Thema durch die Etablierung einer eigenen Fachkonferenz Rechnung, die sich im März 2020 den aktuell spannendsten HR-Themen wie Social Recruiting, Digital Recruiting, Onboarding und Employer Branding widmen wird.

Pratter: Es gibt im Vergleich zu fünf Jahren zurück deutlich mehr und auch andere Rollenbilder zu berücksichtigen. Einher mit der Änderung der fachlichen Skills geht die Veränderung der kulturellen und strukturellen Anforderungen an das Konzept „Agentur“, folgende Fragen ergeben sich daraus: Wie arbeiten interdisziplinäre Teams agiler und effizienter zusammen? Wie stellt man Teams mit den erforderlichen fachlichen, emotionalen und sozialen Skills, die den Anforderungen des modernen Kunden entsprechen, zusammen?

Winkelhofer: Neben Social Skills ist das Fachliche natürlich zu beachten. Je früher man sich als Unternehmen in der Bildung und Ausbildung einbringen kann, umso besser wird es für jedes Unternehmen, die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden.

MedienManager: Wie sehen die Marketing-Abteilungen in den werbetreibenden KMU in Zukunft aus?

Auer-Germann: Große Konzerne tendieren teilweise zu Inhousing. KMU sind aufgrund der steigenden Komplexität und Diversifizierung fast zu Outsourcing gezwungen, da sich weder das Know-how noch die Ressourcen in kleineren Unternehmen wirtschaftlich darstellbar aufbauen lassen. Marketingmanager in KMU müssen Generalisten mit vertiefenden technischen Kenntnissen sein, die ihre externen Partner und Berater gut koordinieren können. Die spitzen Zielgruppen der KMU verlangen nach einer noch spezifischeren Ansprache.

Fallenböck: Ich kann da nur für Own Austria als KMU sprechen: Wir versuchen, die zentralen Positionen im Kampagnenmanagement und der Kreation mit Festangestellten zu besetzen, die mit einem Netzwerk im Hintergrund arbeiten.

Martin: Es bedarf kleiner und schlagfertiger Teams, die über die notwendigen Grundkompetenzen verfügen und in der Lage sind, „Marketing Tools“ auch selbst zu bedienen. Darüber hinaus müssen diese Teams auch in der Lage sein, jederzeit externe Spezialdienstleistungen auf dem freien Markt zuzukaufen, und diese externen Dienstleister müssen gemanagt und koordiniert werden. Eine externe Agentur ist nur so gut wie das Briefing des Kunden.

Mondel: Schon heute kann es sich kein Marketingmitarbeiter mehr leisten, keine Ahnung von Digital Marketing, Digital Media und Digital Advertising zu haben. Es braucht in den Marketingabteilungen die Generalisten und es braucht Spezialisten. Aber: Man muss nicht überall Spezialist sein, denn dafür gibt es ja Spezialagenturen und -dienstleister. Trotzdem muss man ständig up to date sein.

Pratter: Die Marketing-Abteilungen in KMU sind hoch effizient in ihrer Struktur, treten als geeintes „Omnichannel“-Team auf und haben das gemeinsame Ziel Unternehmenserfolg im Fokus. Ein Agenturpartner, der sowohl Spezial-Know-how (z. B. MarTech, Daten & Research) als auch Generalisten-Know-how („Orchestrierung“) hat, ist heute und in Zukunft unerlässlich. Im Zeitalter der zunehmenden Technisierung im Marketing braucht es Analysten und Guides durch den Marketing-Dschungel.

Winkelhofer: Es wird maximal ein bis zwei generalistische, technisch kreative Steuerfrauen und -männer geben, die einige externe SpezialistInnen als Dienstleister beschäftigen und koordinieren.