Qualität der Aufmerksamkeit wird zur zentralen Größe
Mit einem neuen Teilnehmerrekord stand beim ersten Screenforce Expertenforum des Jahres das Thema Aufmerksamkeit im Fokus – von der Messung bis hin zur optimierten Integration in die Mediaplanung.
Mit dem steigenden Mediennangebot, das auf immer mehr Devices genutzt wird, entwickelt sich modernes Marketing immer mehr zu einem multimedialen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Zuseher. Das zeigt sich auch beim ersten Screenforce Expertenforum des Jahres, das unter dem Titel „Mehr als Hinsehen – Der Wert der Aufmerksamkeit“ über die digitale Bühne gegangen ist. Matthias Rothensee und Stefan Schönherr (EyeSquare), Laura Graf (Havas) und Dirk Ziems (Concept M) präsentierten den über 1.000 Teilnehmern die neuesten Erkenntnisse aus der Aufmerksamkeitsforschung und erläuterten, warum Aufmerksamkeit in der Wahrnehmung und Wirkung von Werbung zur neuen Währung wird.
„Medienumfelder erzeugen Emotionen und beeinflussen die Qualität der Aufmerksamkeit. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse belegen einmal mehr, dass Werbung im TV am stärksten emotionalisiert und damit die ideale Voraussetzung für die Wirkung von Kampagnen schafft. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob Werbung peripher oder aktiv wahrgenommen wird“, so Screenforce-Österreich-Sprecher Walter Zinggl.
Die Qualität der Aufmerksamkeit wird zum entscheidenden Faktor
Aufmerksamkeit ist die Vorbedingung für die Wahrnehmung von Werbung, während Emotionen, Ratio und menschliche Erfahrungen die Wirkung beeinflussen. Schönherr zufolge ist es dabei vergleichsweise irrelevant, wie lange Werbung betrachtet wird. Für die Werbewirkung relevant sind die ersten 2,5 Sekunden – danach verflacht die Kurve, da der Zusammenhang von Aufmerksamkeit und Werbewirkung kein linearer ist. Entscheidend ist hingegen, ob es sich um ein freiwilliges oder erzwungenes Betrachten von Werbung handelt, wie Schönherr am Beispiel von Youtube erläutert: Obwohl Werbungen rund 3,6 Sekunden lang gesehen werden, liegt die Werbeerinnerung bei nur 32 Prozent, weil die Aufmerksamkeit in einem hohen Maß auf den Skip-Button gerichtet wird. Zum Vergleich: Mit durchschnittlich 1,6 Sekunden wird Werbung auf Instagram deutlich kürzer betrachtet, die Recognition liegt aufgrund der freiwillig getroffenen Betrachtungsentscheidung hingegen bei 39 Prozent.
Emotionen, die Medienumfelder auslösen, wirken sich auf die Qualität der Aufmerksamkeit aus. Aber auch das Werbeformat und der unterstützende Sound beeinflussen, wie Werbung wahrgenommen wird.
„Aufmerksamkeit wird künftig zu einer Art Währung werden – für Media Placement aber auch für Kreationsoptimierung. Wir müssen verstehen, was Nutzerinnen und Nutzer wollen und wie die Aufmerksamkeit angereichert wird. Denn nur so kann ein Wert sowohl für Werbetreibende als auch für Konsumentinnen und Konsumenten erreicht werden“, sind sich Rothensee und Schönherr sicher.
Bereits seit 150 Jahren beschäftigt sich die Forschung mit dem Thema Aufmerksamkeit. Mit dem Voranschreiten der technischen Entwicklungen liegen immer mehr Daten in immer höherer Qualität vor und Meaningful Attention rückt zusehends in den Fokus der Forschung. Sie steht für die Qualität von Aufmerksamkeit und schließt ein, ob das Gesehene für den Betrachter wertvoll ist, den Moment mit positiven Emotionen anreichert, aktiviert und inwieweit letztlich ein Kaufimpuls ausgelöst wird.
Mediaplanung der Zukunft verbindet Reichweite und Aufmerksamkeit
Der tägliche Medienkonsum liegt durchschnittlich bei 299 Minuten. An 84 Minuten wird dabei Werbung präsentiert, die an neun Minuten – elf Prozent – aufmerksam wahrgenommen wird. Damit kann eine effektive und effiziente Mediaplanung nicht mehr nur an Reichweiten ausgerichtet werden, sondern muss zwingend die Aufmerksamkeit einer Werbeimpression berücksichtigen. Havas legt den Fokus dabei auf die visuelle Aufmerksamkeit – nicht zuletzt, weil 40 Prozent des menschlichen Gehirns für die visuelle Wahrnehmung zuständig sind. In der Messung der visuellen Aufmerksamkeit werden dabei zwei Ansätze verfolgt: Neben dem klassischen echten Eye Tracking, das Aufmerksamkeitssekunden für die Cross-Channel-Optimierung liefert, setzt Havas auch auf KI-gestütztes Predictive Eye Tracking zur Messung. Dieses erfasst, wie viel Aufmerksamkeit auf verschiedene Bereiche in der ausgespielten Werbung entfällt, und liefert damit wesentliche Informationen für die Kreation.
Neben der visuellen Gestaltung ist auch die Wahl des Kanals entscheidend: Ein 30-sekündiger TV-Spot generiert 13,8 Aufmerksamkeitssekunden, auf Pinterest ausgestrahlte Werbung hingegen nur 0,5 Sekunden. Der zweitstärkste Kanal nach TV ist Youtube – allerdings variieren die Aufmerksamkeitssekunden stark – je nachdem, ob Werbung skippable (2,7 Sekunden) oder non-skippable (4,2 Sekunden) ist.
Eine zeitgleiche Optimierung von Reichweite und Aufmerksamkeit in der Mediaplanung ist Graf zufolge nicht möglich: Eine Budgetentscheidung, die viel Aufmerksamkeit mit sich bringt, verfügt über wenig Reichweite und vice versa. Entscheidungen hinsichtlich der Budgetverteilung müssen daher immer auf Basis einer bewussten Abwägung respektive Gewichtung der Faktoren erfolgen und über Simulationen in Varianten durchgespielt werden. Insbesondere in der Cross-Channel-Optimierung verändert die unterschiedliche Gewichtung von Mediaplänen das Ergebnis substanziell.
„Wird der Fokus in der Budgetallokation rein auf Aufmerksamkeit gelegt, geht Reichweite verloren. Eine effiziente Mediaplanung muss immer in Abhängigkeit von Produkt, Marke und Kommunikationsziel erfolgen“, fasst Graf zusammen.
Messen versus Verstehen
Ziems bezeichnet TV als lebendigen, nicht endenden Bilderfluss, der die Zuseher in eine Art seelische Lauerstellung versetzt und zugleich den Alltag verarbeiten lässt. Je nach Kontext und Tagesablauf dient Fernsehen der Unterhaltung, Entspannung oder Berieselung. Das Mood-Management beeinflusst, wie Menschen die Werbung wahrnehmen: als störende Unterbrechung, willkommene Verschnaufpause, punktuelles Impulsangebot, belebende Abwechslung oder tagträumerische Fantasiereise, versetzt in unterschiedliche Stimmungstönungen.
Insbesondere auffällig sind Wahrnehmungseffekte bei der Second-Screen-Nutzung: Als „Wirkung unterhalb des bewussten Wahrnehmungsradars“ bezeichnet Ziems die unterbewusste Wahrnehmung von Werbung im TV am Big Screen, obwohl die unmittelbare Aufmerksamkeit auf das Smartphone in der Hand gerichtet wird. Insbesondere, weil Seher durch die Second-Screen-Nutzung dazu tendieren, mehr Zeit in einem Sender zu verbringen und nicht wegzuzappen. „Attention Grabbing“ ist ein weiterer Second-Screen-Effekt. Er verwandelt – meist über die Integration von Testimonials in TV-Spots – periphere in aktive Aufmerksamkeit, während „Attention Sticking“ die Aufmerksamkeit der Zuseher trotz paralleler Beschäftigung konstant hält. Der Einsatz von Sound hat insbesondere in der Second-Screen-Nutzung eine enorme Bedeutung: Sind Spots gelernt, werden Bilder über den Sound wachgerufen und haben „Kopfkino-Potenzial“.
„Über die Forschung im Alltagsstudio erhalten wir tiefe Einblicke in echtes Verhalten und Ergebnisse, die weder über Künstliche Intelligenz oder Rechenmodelle simuliert werden könnten. Messen und Verstehen sind die beiden Größen der Zukunft“, fasst Ziems abschließend zusammen.
Über Screenforce
Screenforce ist die multinationale Gattungsinitiative der deutschen, österreichischen und schweizerischen TV-Vermarkter für Fernsehen, Video und Bewegtbild. Die breite Allianz aus 13 Partnern repräsentiert über 95 Prozent des TV-Werbemarkts in der DACH-Region. Österreich ist durch die Arbeitsgemeinschaft TELETEST (AGTT) vertreten. Sie repräsentiert ihre Mitglieder: ATV, Goldbach Austria, IP Österreich, ORF, ORF-Enterprise, ProSiebenSat.1 PULS 4 und ServusTV. Mit wegweisenden Insights, aktuellen wissenschaftlichen Studien und inspirierenden Veranstaltungen bietet Screenforce Werbetreibenden und Agenturen brandaktuelle Informationen, um die beste Werbewirkung mit TV, Video und Bewegtbild zu erzielen. Weitere Informationen auf screenforce.at