„Österreich“ verletzte mit „Nikoloverbot“ Ehrenkodex
Die Tageszeitung „Österreich“ hat im Dezember 2017 mit einem Bericht über ein angebliches „Schulverbot für Christkind und Nikolo“ in Wien gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse verstoßen. Konkret habe die Zeitung das Gebot zur gewissenhaften und korrekten Recherche verletzt, heißt es in dem Urteil. Zahlreiche Leser hatten sich über den falschen Bericht beschwert.
Die jährlichen Berichte über angebliche „Nikoloverbote“ sind schon fast so traditionell wie der Besuch des Rauschebart-Trägers selbst. Im Vorjahr gab „Österreich“ am 4. Dezember jede Menge Vorwürfe von Eltern, die laut Zeitung „aus Angst vor Repressionen“ anonym bleiben wollten, wieder. An einer Floridsdorfer Volksschule laufe „Integration völlig falsch“: Sämtliche christlichen Symbole seien „verpönt“, die Kruzifixe in den Klassen abgenommen. Der Nikolo sei seit Jahren ausgesperrt, ebenso das Christkind. Statt Weihnachtsfest werde „Winterfest“ gefeiert, und Schweinefleisch gebe es schon lang keins mehr. Selbst das Staatsoberhaupt sei der Schulleitung nicht heilig, das Bild des Bundespräsidenten fehle. „Dutzende Mädchen“ ab dem Alter von sieben Jahren seien verschleiert, und Kinder mit deutscher Muttersprache müssten „verpflichtend“ Türkisch-Unterricht nehmen.
Keine Stellungnahme eingeholt
Eine Stellungnahme von Schulleitung oder Stadtschulrat wurde für den Artikel nicht eingeholt. Letzterer reagierte noch am Vormittag des 4. Dezember mit einer Aussendung, in der sämtliche Vorwürfe als falsch bezeichnet wurden. So gebe es gar kein Mittagessen an der Halbtages-Schule, folglich auch kein Schweinefleisch. „Das Bild des Bundespräsidenten hängt vor der Direktion und neben dem Christbaum“, hieß es, das Kruzifix „in einigen Klassenräumen“, zwei Mädchen – „Schulneulinge“ – würden ein Kopftuch tragen. Der „Türkisch-Unterricht“ sei ein Passus aus einem vom Bildungsministerium approbierten Schul-Lesebuch. Was den zentralen Vorwurf des Nikoloverbots betrifft, seien solche Auftritte üblicherweise Sache des Elternvereins, der habe das eben bisher nicht organisiert. Wohl aber gebe es Nikolosackerln.
Das „Winterfest“ erstrecke sich über einen längeren Zeitraum, Weihnachten sei ein Teil davon. In Online-Medien publizierte Fotos, zur Verfügung gestellt von der Schulleiterin, zeigten jede Menge selbst gebastelte wattebärtige Nikolos als Wandschmuck, den Christbaum und weitere Weihnachtsdekoration. „Österreich“ wiederum antwortete dem Stadtschuldrat in einer eigenen Aussendung und bestand darin darauf: „Die Fakten sind überprüfbar und stimmen.“
Über den „Österreich“-Artikel beschwerten sich mehrere Leser beim Presserat. Die Zeitung nahm am Verfahren teil und führte unter anderem ins Treffen, dass sie den Artikel aus Aktualitätsgründen schnell, also am 4. Dezember, veröffentlichen wollte. Am folgenden Tag habe man die Stellungnahme des Stadtschulrates eingeholt und online „extrem zeitnah“ veröffentlicht, schilderte der Presserat die „Österreich“-Position in seiner Aussendung. Es sei von vornherein geplant gewesen, in der Folgeausgabe auch die Stellungnahme des Stadtschulrates zu veröffentlichen.
Vorwürfe nicht nachrecherchiert
Der Senat empfindet es aber „aus medienethischer Sicht grundsätzlich als problematisch, derartige schwerwiegende Vorwürfe einzelner Eltern zu veröffentlichen, ohne die betroffene Schulbehörde zu Wort kommen zu lassen“, hielt er fest. Darüber hinaus fragte er sich, „inwieweit alle erhobenen Vorwürfe vor Ort auf ihre Richtigkeit überprüft und nachrecherchiert wurden“.
Dass der Stadtschulrate in der Folge zu Wort kam, sei grundsätzlich positiv; er hätte das aber für einen Artikel zu dieser „sensiblen Frage“ gleich tun sollen. Damit sei auch gegen den Punkt 2.3 des Ehrenkodex – wonach bei Beschuldigungen zumindest versucht werden muss, die Stellungnahme der betroffenen Personen bzw. Institutionen einzuholen – verstoßen worden. Das Aktualitätsargument ließ der Presserat nicht gelten: Das Nikolo-Thema wäre auch am Tag vor Nikolo oder am 6. Dezember selbst „noch aktuell gewesen“, konstatiert er.
„Österreich“ erkennt die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats an. Der forderte die Zeitung auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen.