ORF-Strategie: GIS-Schranke für manche Inhalte des Players
Der ORF sieht in seiner Strategie bis 2025 vor, wesentliche Inhalte des für Ende 2021 geplanten ORF-Players hinter eine GIS-Registrierungsschranke zu stellen. Zudem sollen Inhalte verstärkt mit österreichischen Medien ausgetauscht und vermarktet werden, geht aus dem vollständigen Strategiepapier hervor, das der APA vorliegt. ORF 1 erhält eine neue Kernzielgruppe (25 – 50) und die Landesstudios einen noch stärkeren Fokus auf Regionalität.
Seitens des ORF wird bestätigt, dass es sich um das Strategiepapier 2025 des Medienhauses handelt. Viele Inhalte wurden bereits im Anschluss an die ORF-Stiftungsratssitzung Anfang Dezember kommuniziert. So ist es nicht neu, dass eine Weiterentwicklung zur „Public Service Plattform“ angestrebt wird, um ein Gegengewicht zu Google, Facebook, Netflix und Co zu generieren. Künftig sollen lineare Kanäle und nicht-lineare Plattformangebote gleichberechtigt zu einem hybriden Gesamtangebot verschmelzen.
Angebote in sozialen Medien stellen künftig die dritte Säule neben den klassischen Rundfunkkanälen und dem bis Ende 2021 geplanten ORF-Player dar. Für Letzteren muss jedoch zuerst noch das ORF-Gesetz angepasst werden, damit die angestrebten „online first“ und „online only“-Strategien eine rechtliche Basis haben. Bis Ende März soll geklärt sein, wie die Umsetzung der wesentlichen Handlungsfelder aussieht. Der Stiftungsrat begleitet die Umsetzung im Rahmen eines jährlichen „Strategie-Controllings“.
Für die „digitale Souveränität des österreichischen Medienstandortes“ ist es laut Strategiepapier notwendig, Inhalte verstärkt mit österreichischen Medien auszutauschen und eine gemeinsame Vermarktungsplattform im digitalen Bereich mit gemeinsamer Log-in-Strategie zu schaffen. Bestimmte Inhalte sollen hinter einer GIS-Registrierungsschranke stehen. Dadurch soll die „Streaming-Lücke“ geschlossen und niederschwellige Abosysteme von insbesondere digitalen Printmedien gestützt werden.
Nicht nur der österreichische, sondern auch der europäische Medienstandort soll mit der Schaffung einer „European Public Sphere“ gestärkt werden. Der ORF stellt sich darunter eine Partnerschaft öffentlicher und privater europäischer, vor allem gemeinwohlorientierter Plattformen vor. Der ORF-Player soll ein Teil dieses „europäischen Ökosystems“ werden. Koproduktionen im deutschsprachigen Raum sowie im Rahmen der European Broadcasting Union (EBU) dürften verstärkt werden.
Der ORF-Player hat unter anderem „online first“ und „online only“ als maßgebliche Prinzipien. Das Strategiepapier sieht deshalb konsequenterweise vor, dass manche ausgewählte Programmhighlights noch vor der linearen Ausstrahlung online zu sehen sein werden. Derzeit großteils auf ORF Sport + gezeigte Randsportarten und das Kinderprogramm dürften mit der Durchsetzung des ORF-Players beim Publikum auf diesen migrieren. Auch die strategische Positionierung von FM4 „ist zu überprüfen und im Hinblick auf eine Migration in die Sound-/Podcast-Plattform zu entscheiden“. ORF 1 erhält mit dem Fokus des Players auf eine junge Zielgruppe eine neue Kernzielgruppe. Der Sender soll sich künftig auf 25- bis 50-Jährige fokussieren.
Die „absolute Konzentration auf das Publikum und seine Interessen“ stehen im Mittelpunkt der Strategie. Die Interaktion mit dem Publikum wird erhöht. Es soll die Möglichkeit haben, das Programm mitzugestalten. Um einen „Generationenabriss“ zu verhindern und die Gebührenlegitimation des ORF langfristig abzusichern, soll sich der ORF-Player zuvorderst an junge Menschen richten. Der ORF plant zudem eine eigene Digitalwerkstatt für „Millennials“, um Trends frühzeitig zu erkennen und Formate zu entwickeln. Das Medienhaus will die Sichtbarkeit junger Menschen im Programm erhöhen und Multiplikatoren der Zielgruppe gezielt einbinden.
Geplant ist, die neun Landesstudios schrittweise in kleinere, regionale Plattformen zu verwandeln. Sie bekommen eine digitale Erneuerung. Noch 2021 sollen die Studios technologisch und architektonisch neu konzipiert werden. Regionalität ist ein strategischer Schwerpunkt der kommenden Jahre. Um das zu würdigen, wären „etwa ein regionales Kurznachrichtenformat für den Spätabend oder ein regionales Diskussionsformat am Wochenende“ denkbar.
Obwohl mit einer „Ausweitung der Finanzierungsbasis nicht zu rechnen ist“, soll nicht beim Personal gespart werden. Im Gegenteil: Der bevorstehende Generationenwechsel im ORF – bis 2025 gehen rund 20 Prozent der Mitarbeiter in Pension – wird als Chance gesehen, um „multimedial ausgebildete und möglichst flexibel einsetzbare Mitarbeiter/innen“ einzustellen. Abgänge dürften kompensiert werden. Punktuell ist von Kapazitätsausweitungen die Rede – etwa im IT-Bereich im Rahmen des ORF-Players. Frauen will das größte Medienhaus des Landes gezielt gefördert und die Diversität im Unternehmen erhöhen.
Die duale Finanzierung des ORF durch Gebühren und Werbung soll aufrechterhalten und zeitgemäß weiterentwickelt werden. Die „Streaming-Lücke“ plant das Unternehmen durch einen Mix aus legistischen Maßnahmen und der bereits genannten Log-In-Strategie beim ORF-Player zu schließen. Im Bereich der TV-Werbung „hat sich der ORF auf die verstärkte Nutzung von Addressable TV einzustellen“, heißt es im Strategiepapier. Darunter ist die gezielte haushaltsgenaue Ausspielung von TV-Werbung zu verstehen. Auch hierfür ist eine gesetzliche Anpassung vonnöten.
Im Strategiepapier sind nötige legistische Adaptionen wie folgt skizziert: Der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF „ist zu adaptieren“. Online-Verbote sollen auf das von der EU-Kommission zwingend vorgegebene Ausmaß reduziert und Verfahrensregeln so ausgestaltet werden, dass sie „die rasche Umsetzung geplanter Medieninnovationen befördern, anstatt diese zu verunmöglichen“. Für den ORF-Player baut der ORF auf einen direkten Auftrag im ORF-Gesetz, der verstärkt auf personalisierte Nutzererfahrung und Crossmedialität Rücksicht nimmt.
Bestimmungen des Versorgungsauftrags und der Programmentgeltpflicht sind laut dem Strategiepapier überholt: „Dass als (entgeltpflichtige) Rundfunkempfangseinrichtungen nur jene Geräte gelten, die „Rundfunktechnologien“ verwenden, ist sachlich nicht mehr gerechtfertigt“, heißt es. Die entstandene Gebührenlücke „ist daher vom Gesetzgeber zu schließen“. Auch wünscht sich der ORF, dass gesetzliche Werbebeschränkungen evaluiert werden. Einer Anpassung bedarf es in den Augen des Medienhauses noch hinsichtlich des Verbots für den ORF, Synergien zwischen seinen Radio- und TV-Sendern zu nutzen. Das wäre „geradezu anachronistisch“.
Im Detail berichtete am Dienstag auf der Plattform „netzpolitik.org“ der Betriebswirt und Jurist Leonhard Dobusch über das Papier, der den strategischen Ansatz des ORF als „durchaus ambitioniert“ betrachtet, sich zugleich allerdings fragt, ob der ORF-Player den globalen Plattformen tatsächlich nennenswert Paroli bieten könnte. Der im Medienbereich umtriebige Dobusch war zuletzt als Partner von Stefan Apfls (Ex-„Datum“-Cheferdakteur) neuem Projekt „Hashtag“ medial präsent.