Hermann Petz, Vorstandsvorsitzender der Moser Holding, über den Einfluss von Online auf die Printgestaltung, den Verzicht auf sophisticated Tracking- und Retargeting-Modelle als schlagendes Verkaufsargument zu etablieren
MedienManager: Herr Petz, wie schätzen Sie die Situation der österreichischen Regionalmedien im Jahr 2018 ein?
Hermann Petz: Wir bemerken, dass unsere gesamten Lebensbereiche zunehmend global digitalisiert werden. Dadurch gibt zunehmend ein besonderes Bedürfnis – bei der re:publica in Berlin hat es geheißen: „Regional ist das neue Bio“ – sich real zu erleben. Das passiert regional und damit man sich dort entsprechend bewegen kann, dafür braucht es Regionalmedien. Übersetzen muss man es so, dass sich die Menschen nur dort real erleben können, wo sie sind, und das ist eben die meiste Zeit in einem regionalen Umkreis.
Welche Geschichten funktionieren laut Online-Statistik derzeit am besten?
Petz: Bei regionalen Medien funktionieren natürlich die chronikalen Geschichten am besten. Dabei ist es allerdings wichtig, dass man sich nicht zu sehr von der Online- Statistik treiben lässt. Der regionale Leser hat das Recht, dass chronikale Ereignisse qualitativ aufgearbeitet und gut recherchiert sind, und das braucht seine Zeit. Ich bin fest davon überzeugt, dass das noch an Bedeutung gewinnen wird und dass gute Recherche einen Wert hat, auf diesen man sich bei etablierten Medienmarken verlassen kann.
Nutzen Sie die Onlinestatistiken für die Gewichtung der Artikel in der Printausgabe?
Petz: Nein. In der Zeitung wird das anders gemacht. Die Statistik soll zeigen, welcher Artikel online entsprechend performt, sodass man den auch angemessen bearbeitet, zum Beispiel durch mehr Updates. Das Wissen fließt ein, bestimmt aber nicht die Reihenfolge. Das ist genau der Unterschied in dem Fall der Tiroler Tageszeitung. Die eigentliche Leistung ist die Kuratierung des gesamten Inhaltes nach anderen Kriterien als der Häufigkeit der Zugriffe. Wenn man 25 Jahre zurückdenkt, konnte ein Verkehrsunfall auf dem Cover sein. Das weiß heute bis zum Erscheinen der Printausgabe jeder, deshalb sind jetzt andere Themen auf der Titelseite. Die Besonderheit der Kuratierung liegt nicht nur in der Bewertung der Inhalte, eine große Leistung ist es auch zu wissen, was man weglässt.
Den Lesern gefällt das Produkt offensichtlich. Bei der Media-Analyse 2017 hat die Tiroler Tageszeitung ein Plus von mehr als 2 Prozentpunkten eingefahren. Worauf führen Sie das zurück?
Petz: Bei der Media-Analyse wird ja eigentlich nur eine Schwankungsbreite erhoben. Aber natürlich ist es erfreulich, wenn der Trend nach oben zeigt. Natürlich waren es auch Wahlzeiten, eine Abfolge von Nationalratswahl, Landtagswahl, jetzt die Innsbrucker Stadtwahlen. Bei diesen Themen ist es uns offensichtlich gelungen, sie gut aufzuarbeiten. Es werden natürlich auch die Journalisten immer erfahrener, weil wir kaum Fluktuation haben. Zudem war die Verlässlichkeit von Information im letzten Jahr viel mehr Thema.
Werden sich diese Entwicklungen auch auf die Bilanz des abgeschlossenen Geschäftsjahres auswirken? Gibt es dazu schon erste Zahlen?
Petz: Insgesamt ist das Ergebnis zufriedenstellend. Es war so, dass wir am Anfang einen Vorsprung aufgearbeitet haben, das zweite Quartal hat etwas geschwächelt. Aus meiner 28-jährigen Erfahrung kann ich sagen, das hat es immer gegeben. Aber insgesamt sind wir mit dem Geschäftsjahr sehr zufrieden. Ich bin davon überzeugt, dass Printwerbung im Marketing-Mix einfach einen wesentlichen Anteil haben muss. Da gibt es unterschiedliche Diskussionsprozesse in internationalen werbetreibenden Unternehmen. Dabei ist Österreich natürlich ein besonderes Printland, und wenn ein Konzern international gesteuert wird, dann kann es schon zu stärkeren Veränderungen kommen. Aber das kann man mit Argumenten wieder hinbringen, und so gesehen bin ich überzeugt, dass man den Status zumindest konstant halten kann. Ich kann mir sogar vorstellen, dass wir mittelfristig wieder Zuwächse zuwege bringen.
Für Print war das letzte Jahr besonders in puncto Vertrauen sicherlich ein gutes, verglichen mit den Transparenzproblemen im Onlinemarketing.
Petz: Die Diskussion wird nicht weggehen. Die DSGVO ist jetzt in Kraft. Dann kommt die ePrivacy, in welcher Form auch immer. Wir haben uns auf die Vermarktung unserer Leser konzentriert, denn wir wollen entsprechend Werbung bieten, nicht zu viel und nicht zu wenig. Wir setzen nicht auf das ganze Datenmanagement, sondern wollen nur unsere Audience vermarkten, Print und Online. Wir konzentrieren uns auf die Argumentation unserer Leser als Auswahl und nicht auf die ganzen Sophisticated-Tracking- und -Retargeting-Modelle. Nur allgemeine Cookies, nicht personenbezogen. Das haben wir nicht wegen der DSGVO so eingeführt, sondern mit der Eigenvermarktung schon im April vor zwei Jahren begonnen. Das hat sich bei uns als zusätzliches Verkaufsargument herausgebildet. Es ist sicher etwas aufwendiger zu argumentieren, aber ich bleibe zuversichtlich, dass uns da etwas Eigenes gelingt. Wie gesagt, ist diese Vorgehensweise auf regionale Medien beschränkt. Als nationaler oder internationaler Mitbewerber kann man das vielleicht nicht machen, in Tirol schon.
Könnte man als Regionalmedium eine Paywall aufziehen?
Petz: Das ePaper ist ja immer bezahlt gewesen oder im Abo inkludiert. Was unser Portal tt.com betrifft, ist es so, dass es für User viele andere Möglichkeiten gibt, Informationen gratis zu bekommen. Dies wird auf absehbare Zeit so bleiben. So sehr es grundsätzlich die richtige Überlegung wäre, eine Paywall aufzuziehen, ist es so: Würde ich das in Tirol tun, dann fielen sicher einige Nutzer weg. Derzeit sind wir mit tt.com die absolute Nummer Eins in Tirol, noch vor dem ORF und diese Position würde man dann riskieren. Wenn vielleicht einmal alle gemeinsam zu einer Login-Allianz kommen, sind wir natürlich gerne dabei. Ich finde es richtig, aber es ist kurzfristig oder mittelfristig nicht sehr realistisch.
Welchen Fokus werden Sie im kommenden Geschäftsjahr auf Bereiche wie Corporate Publishing legen und was ist aus Ihren eCommerce-Bemühungen geworden?
Petz: Wir merken, dass es speziell im Corporate-Publishing-Bereich Bedarf gibt. Nämlich etwas in einer durchaus internationalen Qualität in Tirol machen zu können. Das ist zunehmend auch für Tiroler Unternehmen interessant, und da haben wir einige schöne Herzeigeprodukte. Unsere Magazin-Tochter Target-Group produzieret zum Beispiel zweimal im Jahr das Kristallwelten Magazin, das davor in New York gemacht wurde. Mit den entsprechenden Strukturen wie bei der Tiroler Tageszeitung kann man auch Produkt-Bundels anbieten. Was den eCommerce betrifft, haben wir einiges probiert. Hier muss man zur Kenntnis nehmen, dass wir mit shop.tirol, das heute nur mehr ein Anbieterverzeichnis ist, als Regionaler schon einen schweren Stand haben. Ich bereue nicht, dass wir es probiert haben, aber in diesem Bereich regional Marktführer zu werden, ist aus meiner Sicht nicht machbar. Die Erwartungshaltung des regionalen Händlers ist ein Fullservice. Es geht aber nur mit sehr viel Engagement des Händlers. Wenn man Logistik und andere Services bieten muss, ist eine Region einfach zu klein. Man braucht schon eine entsprechend große Grundstruktur, damit sich das rechnen kann. Wir haben auch ein Bekanntschaftenportal betrieben, Herzklopfen.at. Das ist in etwa kostendeckend, aber natürlich auch regional, sodass man nicht einen rentablen Geschäftszweig daraus entwickeln kann. Dieses Portal betreibt jetzt eine private Firma, die wir unterstützen. Es ist in diesem Bereich für einen Regionalen durchaus anspruchsvoll, seine Position zu finden, aber wir bleiben weiter am Ball.
Hermann Petz (56) begann seine Karriere nach einem Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in den achtziger Jahren bei der Tiroler Sparkasse und wechselte 1990 zur Tiroler Tageszeitung als Assistent der Geschäftsleitung. Von da an arbeitete er sich bis 2004 zum Vorstandsvorsitzenden der Moser Holding AG hoch. Neben seiner Führungsfunktion beim Tiroler Medienhaus ist er seit 2003 Mitglied des Vorstandes und des Präsidiums des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ), Vorstandsvorsitzender der Austria Presse Agentur (APA), seit 2005 Delegierter für Österreich bei der ENPA (European Newspaper Publishers‘ Association) und Mitglied des Vorstandes Media-Analyse.