„Es geht immer um den Content“
Fernsehen wird immer mehr eine Frage der produzierten Inhalte und nicht des verwendeten Gerätes, das verändert natürlich auch die Werbeformen und Vermarktungsmöglichkeiten für Marketing-Entscheider.
MedienManager: Klassisch-lineares TV versus Streamingdienste/Online-Plattformen – wer wird in 5 Jahren die Nase vorne haben?
Walter Zinggl, IP Österreich: Auch in fünf Jahren wird lineares TV stärker genutzt werden als Streaming- und Online- Plattformen. Warum? Weil bei 14+ der Anteil der Bewegtbildnutzung von linearem Content über 80 Prozent beträgt und selbst bei den 14- bis 29-Jährigen noch weit über 50 Prozent. Weil die nachgefragten Formate aus der „Online/Streaming“-Welt Nischen-Zielgruppen bedienen, die für den Mainstream nicht geeignet sind.
Matthias Hranyai, schauTV: Die tägliche Nutzungszeit von Bewegtbild war noch nie so hoch wie heute. Zugleich geht es darum, diese Angebote durch mobile und zeitpunktunabhängige Nutzungsmöglichkeiten zu ergänzen. Lineares TV wird auch in vielen Jahren ein sehr maßgeblicher Distributionskanal sein, ergänzt durch mobile Angebote und verschränkt mit digitalen Angeboten.
Marcin Kotlowski, R9: Der Kanal wird meiner Meinung nach sekundär sein. Für uns ist unsere Nische wesentlich: So nahe wie möglich an der Region dranzubleiben, wird weiterhin unser USP sein. Politik auf nationaler Ebene hat immer auch Auswirkungen auf die Region, nur wird darüber nie auf nationalen Sendern berichtet. Hier liegt die große Chance für regionale Medien.
Michael Radelsberger, Sky Österreich: Es wird sicherlich zu einer weiteren Verschiebung in Richtung on demand kommen. Die verschiedenen Formen des Content-Konsums werden aber nebeneinander bestehen – und abhängig von der Art des Contents wird mal die eine, mal die andere Verwertungsform die Nase vorne haben. Der beste Weg besteht darin, dem Kunden den Zugriff auf „seinen Content“ so einfach wie möglich zu gestalten.
Gerhard Riedler, Red Bull Media House: Das klassische lineare Fernsehen wird in den nächsten Jahren leicht sinken, weil sich die Nutzungsgewohnheiten der jüngeren Generationen ändern: mehr unterwegs und zwischendurch auf unterschiedlichen Devices und Kanälen. Hier hat derjenige die Nase vorne, der diese Kanäle und User optimal bespielt und zur richtigen Zeit den richtigen Content anbietet, der für mich nach wie vor erfolgsentscheidend sein wird.
Michael Stix, ProSieben-Sat.1 PULS 4: In fünf Jahren wird klassisches TV in der Gesamtbevölkerung weiterhin die Nase vorne haben. Bei den jüngeren Zielgruppen werden unserer Einschätzung nach die Inhalte der TVSender auch vorne bleiben, wobei nicht unbedingt nur linear und nur am TV-Gerät genutzt. Wir optimieren laufend unsere Produkte und Angebote, um unsere Inhalten allen, jederzeit und überall zur Verfügung zu stellen. Derzeit liegen die TV-Inhalte sehr deutlich vorne.
Oliver Böhm, ORF Enterprise: Eindeutig klassisches Fernsehen. Es bietet den Sehern Orientierung, Mehrwert und – in unserem Falle – Information, journalistische Qualität und Relevanz. Kuratierte Inhalte, Nachrichtenkompetenz, Unabhängigkeit und Regionalbezug schaffen Verlässlichkeit und geben – konkret dem öffentlich-rechtlichen Programm – eine starke Position.
Addressable TV wird als erfolgversprechender Vermarktungsweg gefeiert. Welche Trends in der Vermarktung von TV-Werbeplätzen sind noch im Kommen?
Walter Zinggl, IP Österreich: Mit Addressable TV können wir heute ca. 1,2 Mio. „Unique Devices“ ansprechen, viele Kunden experimentieren damit – und das ist auch gut so. In der Pipeline sind erfolgversprechende Ansätze über die Ansprache von „allen Devices im Haushalt“ und vor allem HbbTV 2.0 – damit könnte dann auch der einzelne Werbeblock individualisiert werden. Für beides brauchen wir noch technische und legistische Prüfungen.
Matthias Hranyai, schauTV: Addressable TV steht in Österreich noch am Beginn seiner Entwicklung und muss im Hinblick auf rechtliche Rahmenbedingungen, Durchdringung des Marktes mit Smart-TVs und einer Vielzahl an Kabelnetzbetreibern einige Hürden überwinden. Aktuell sehen wir einen Trend im gesamten Bereich der Sonderwerbeformen.
Marcin Kotlowski, R9: R9 ermöglicht, national zu buchen und regional mutiert auszustrahlen. Wir müssen in unseren Zugängen noch digitaler und flexibler werden. Da geht es zum Beispiel um Möglichkeiten für kleinere Kunden, direkt online ihr Material beim Sender upzuloaden und zu buchen, wie sie das auch bei Google machen. Daran arbeiten wir.
Michael Radelsberger, Sky Österreich: Da sich die Mediennutzung im TV verschiebt, müssen wir unsere Seher dort abholen, wo sie sind. Daher richten wir unseren Fokus in der Vermarktung auch auf Second-Screen-Medien wie Smartphones, Tablets oder Laptops. Aus all dem ergibt sich eine Vielzahl an werblichen Möglichkeiten, zum Beispiel die Erweiterung des TV-Spots in die digitale Welt sowie Sonderwerbeformen wie Overlays oder Invideo Ads.
Gerhard Riedler, Red Bull Media House: Der klassische Werbeblock wird durch das sich verändernde Mediennutzungsverhalten und das immer noch steigende Angebot digitaler Nischensender immer mehr unter Druck geraten. Auch die großen Internetanbieter werden stärker in das lineare TV-Geschäft einsteigen. Die Treffsicherheit, Zielgruppen zu erreichen – wie mit Addressable TV –, und die emotionale Bindung an den Sender werden unverzichtbar werden.
Michael Stix, ProSieben-Sat.1 PULS 4: Addressable TV ist ein Erfolgsgarant, der die hohe TV-Reichweite mit der Flexibilität aus dem Online-Bereich verbindet. Dabei ist der Switch-In das zurzeit effektivste Produkt, das hundertprozentige Sichtbarkeit beim Senderwechsel garantiert. Auf Addressable-Basis werden auch die weiteren Trends stattfinden: Aus aktueller Sicht wird es klar in Richtung Kontaktklassenoptimierung und zielgruppenspezifischer Spotauslieferung gehen.
Oliver Böhm, ORF Enterprise: Erstklassige Fernsehwerbung profitiert von einem erstklassigen Programmumfeld und hoher Reichweite. Klassische Fernsehspots haben Informationscharakter und erreichen neue Interessentengruppen. Addressable TV ist mit der Filterblasen-Werbung in Social Media vergleichbar. Als Trend bleibt: Qualitätsanspruch bei Spot und Umfeld sowie Crossmedialität.
Was ist Ihr wichtigstes Argument für Ihre Werbekunden, damit sie ihre Budgets in TV investieren?
Walter Zinggl, IP Österreich: Reichweite kann durch nichts ersetzt werden – und die Effizienz von linearem TV im schnellen Reichweitenaufbau ist in großen Zielgruppen unerreicht. Um es mit Mark Pritchards Worten, dem Global Chief Marketing Officer von Procter & Gamble, zu sagen: Wenn man dies nicht beachtet, targettet man sich zu Tode.
Matthias Hranyai, schauTV: Wir verfolgen den Ansatz, plattformübergreifende 360-Grad-Kommunikationskonzepte anzubieten, die maßgeschneidert deren Bedürfnisse abdecken und TV als integralen Teil miteinbeziehen. Gerade im regionalen Bereich gelingt es dann, die Adressaten in ihren individuellen Lebenssituationen zu erreichen und so ein hohes Involvement zu generieren.
Marcin Kotlowski, R9: TV ist das reichweitenstärkste und emotionalste Medium, das belegen die Zahlen nach wie vor. Digital wächst stärker, aber auf niedrigem Niveau. Für uns ist digital und TV kein Widerspruch, denn wir produzieren regionales Bewegtbild für alle Kanäle. Unser Kunde bekommt das produzierte Material und verwendet es auf den eigenen digitalen Kanälen weiter.
Michael Radelsberger, Sky Österreich: „Thirty seconds in your face“ – unter diesem Claim wurde der TV-Spot zum effektivsten Werbemittel der Welt. Wichtigstes Kriterium, bei welchem Sender eingebucht wird, ist heutzutage neben der Reichweite der Content. Mit erstklassigen, exklusiven und emotionalen Umfeldern erhöhen wir bei unseren Sehern das Involvement und damit den Impact von Werbung.
Gerhard Riedler, Red Bull Media House: Das lineare TV verzeichnet 2018 die höchste Nutzung, TV ist in den Mediaplänen der unangefochtene Spitzenreiter und wird auch in den kommenden Jahren seinen gewohnt hohen Beitrag zur Marken- und Imagebildung und zur Verkaufsförderung beitragen. Kein anderes Medium kann Emotionen derart gut transportieren.
Michael Stix, ProSieben-Sat.1 PULS 4: Mit TV erreicht man in sehr kurzer Zeit sehr hohe Nettoreichweiten in allen Zielgruppen – auch bei den jungen Zielgruppen. Eine weitere Alleinstellung bei TV-Bewegtbild, die oft vergessen wird: Die Reichweiten-Erhebung (Teletest) ist objektiv und unabhängig. Im Gegensatz dazu, muss man sich bei Anbietern wie YouTube oder Facebook auf deren eigenen Angaben verlassen.
Oliver Böhm, ORF Enterprise: Absolute Relevanz durch Information, Unterhaltung, Sport und Kultur. Es ist identitätsstiftend, weckt Interesse und ist glaubwürdig. Das ist absolute Brand Safety mit hoher Reichweite am Fernsehscreen.