Karrieresprung und Rollentausch meistern

Wenn der ehemalige Kollege zum neuen Chef wird

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Damit die neue Führungsaufgabe mit allen ihren Chancen und Gefahren gelingt, sollte ein beförderter ehemaliger Kollege einigen Aspekten besondere Aufmerksamkeit schenken…
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Wir alle haben jeden Tag mehrere Hüte auf, schlüpfen in verschiedene Rollen. Mal sind wir Mutter oder Vater, dann Geschäftsleiterin oder Abteilungsleiten, irgendwann wieder beste Freundin und Vereinskollege, sogar Schwester oder Patenonkel. Rollenwechsel stehen auf der Tagesordnung – privat genau wie im beruflichen Kontext. Recht schwierig gestaltet sich allerdings der Sprung vom Mitarbeiter zum Chef – dieser Rollenwechsel beherbergt so manche Tücken…

Sie werden erstmals Chef im Leben. Endlich! Der Brief kommt, die E-Mail trifft ein, das Telefon klingelt, der Vorstandsvorsitzende klopft an die Türe – die Nachricht, dass Sie gerade zum ersten Mal in eine Vorgesetztenfunktion gewählt wurden, kommt bei Ihnen an. Die Bestätigung tut gut, der nächste Schritt auf der Karriereleiter und in der persönlichen Entwicklung darf kommen. Herausforderungen werden mehr, ein spannender Job ist erfüllender – alles in allem genau das, was Sie angestrebt haben. Dass die Führungsrolle auch Schwierigkeiten beinhaltet, wissen Sie und das gehört dazu. 

Wer unter Umständen jene Mitarbeiter nun führen soll, mit denen man bisher als Kollegen und Teammitglied zusammengearbeitet hat, erlebt mitunter einen holprigen Rollenwechsel. Im gleichen Unternehmen, in dem einen alle als Mitarbeiter kennen, muss man jetzt auch als verantwortungs- und entscheidungsbewusster Chef wahr- und ernst genommen werden. Es ist eine andere Rolle – und eben nicht nur die eine. Denn erfahrungsgemäß ist das Leben doch etwas komplizierter. 

Differenziertes Rollenverständnis – echt kompliziert

Wie eng und kollegial darf zu den Mitarbeitern nun das Verhältnis sein? Wann muss man eher wieder den Chef rauskehren? Was tun, wenn einem der eine oder andere sehr persönliche Probleme anvertraut, was aber nie den Weg in eine Personalbeurteilung finden darf? Oder wenn bei bestimmten Personen plötzlich Schwächen kundgetan werden, die den Vorgesetzten in die Rolle als Coach stecken? Ganz klar: Früher war die Welt einfacher. Das war man eben Chef und das war es dann. Heute turnt man im differenzierten Rollenverständnis wie ein virtuoser Artist durch den Alltag. 

Wer die Arbeitsebene und somit auch die Führungsperspektive und -dimension wechselt, dem sei geraten, sich mit diesem Rollenwechsel auseinander zu setzen. Das gilt insbesondere dann, wenn man vom Kollegen zum Chef des Teams wird, in dem man selbst gerade noch Teammitglied war. 

Ob die Beförderung zum Chef zielstrebig angepeilt wurde oder die Ernennung eher überraschend erfolgte: Man darf sich über den Karrieresprung freuen, man wurde erwählt und zu etwas Höherem berufen, sei es wegen Talent oder Fleiß oder aus einem anderen Grund. 

Gleichzeitig verändert der Aufstieg sowohl die Verantwortlichkeiten als auch die persönliche Situation in der Unternehmenshierarchie. Im Grunde sind das beste Voraussetzungen, schließlich kennt man das nun zu führende Team aus seiner Zeit als Mitarbeiter. Das erleichtert einiges. Abläufe, Produkte und vieles andere sind vertraute Größen, genau wie die beteiligten Menschen, also die ehemaligen Kollegen.

Auseinandersetzung mit dem Karrieresprung

Nicht selten starten aus dem Team hervorgegangene Chefs mit Vorschusslorbeeren. Doch mitunter gibt es Kollegen, die mit dieser Wahl unzufrieden sind. Womöglich wären sie selbst gerne Teamleiter geworden oder es ist purer Neid. Neben den vielen positiven Aspekten einer internen Beförderung liegen da die Hauptgefahren: Entweder wird zu viel Nähe erwartet (nach dem Motto „er bleibt ja ein Kollege und ist einer von uns“) oder das Pendel schlägt auf die andere Seite, auf der sogar zu Sabotagehaltungen kommen kann (nach dem Grundsatz „das gönne ich jedem, nur dem eben nicht“). 

Damit die neue Führungsaufgabe mit allen ihren Chancen und Gefahren gelingen kann, sollte ein beförderter ehemaliger Kollege fünf Aspekten besondere Aufmerksamkeit schenken: 

1. Innere Vorbereitung

Wer eine Führungsaufgabe übernimmt, muss sich darüber bewusst sein, dass die neue Rolle eine andere sein wird als die bisherige im Team. Es gilt, Verantwortung zu übernehmen, neben der fachlichen auch personelle. Das führt nicht selten dazu, dass man freundschaftliche Verhältnisse im beruflichen Kontext einbüßt. Die Karte „everybody’s darling“ gibt man mit dem neuen Job ab. Um den eigenen Standpunkt zu bestimmen, hilft es, sich Klarheit zu verschaffen: Was will ich in dieser Position erreichen? Was will ich nicht? Mit einer Führungsposition ist immer auch Macht verbunden. Der Begriff ist oft negativ besetzt. Wichtig ist eine gesunde und positive Einstellung dazu. Nur wer sich damit wohl fühlt, kann Macht annehmen und sie im positiven Sinn einsetzen. 

2. Kommunikation 

Die richtige Kommunikation ist die Paradedisziplin für einen guten Start als Führungskraft. Der Einstieg lässt sich später nur schwer korrigieren – im positiven wie im negativen Sinn. Wer im Vorfeld und in der Anfangszeit klar kommuniziert, legt den Samen für eine blühende Zusammenarbeit. Wer den Start vergeigt, hat schwere Wochen und Monate vor sich. Aufklärungsarbeit mit den ehemaligen Kollegen und künftigen Mitarbeitern ist der zentrale Schlüsselfaktor für eine Erfolg versprechende Teamarbeit. Im offenen Gespräch mit der ganzen Gruppe lässt sich die neue Rolle anschaulich vorstellen. Es gilt, deutlich zu artikulieren, dass man innerhalb der neuen Funktion eben nicht mehr nur Kollege, sondern auch Vorgesetzter ist. 

Dass die Führungsposition Konfliktpotenzial mit der Kollegenrolle in sich birgt, sollte offen angesprochen werden und auch, dass es Situationen geben wird, in denen unliebsame Entscheidungen getroffen werden müssen. In der Verantwortung dem Unternehmen gegenüber wird es nicht ausbleiben, dass auch Maßnahmen umgesetzt oder kommunizieren werden müssen, die wenig kollegial wirken. 

3. Einzelgespräche

Möglichst früh sollten Einzelgespräche mit allen Teammitgliedern stattfinden. Später gibt es kaum mehr die Chance, die gegenseitigen Erwartungen so offen mitzuteilen und über die gemeinsame Zukunft zu reden. Einzelgespräche vor dem Dienstantritt als Chef sollten insbesondere mit Teammitgliedern geführt werden, denen man in engerer Freundschaft verbunden ist. Das gleiche gilt für diejenigen Personen, deren Loyalität fraglich ist. Ein ehrlicher Dialog kann sie ins Boot holen, während alles, was nicht auf den Tisch kommt, die künftige Arbeit unbequem begleiten und belasten wird. Auch eine Grüppchenbildung wird dadurch eher vermieden. Doch nicht nur die eigene neue Rolle soll klar dargestellt werden. Ebenso wichtig ist es, auch den anderen gut zuzuhören, um wahrzunehmen, was sie erwarten. 

Am besten ist es, gemeinsam einen Weg zu finden, diese anspruchsvolle Situation zu meistern. Allerdings darf im Team kein Zweifel an der neuen Führungsrolle aufkommen. Das lässt sich durch festgelegte Spielregeln unterstützen. Zeichnet sich dennoch eine unlösbare Situation ab, braucht es zielgerichtete und lösungsorientierte Handlung, bevor sie unerträglich wird und dauerhaften Schaden anrichtet. Zu den unangenehmen Anfangsaufgaben gehört es, unter Umständen bereits klare Entscheidungen zu fällen. Wer wartet und die Klärung hinausschiebt, macht es für alle Beteiligten nur schwieriger. 

4. Handlungen

Gemessen wird die neue Führungskraft schlussendlich an Handlungen. Es ist also nicht ratsam, am Anfang gleich alles auf den Kopf zu stellen. Zu leicht passiert es, dass Unerfahrene sich in die Nesseln setzen. Besser ist es, die gute Arbeit des Teams unter dem Wirken des Vorgängers offen anzuerkennen und als Basis für Verbesserungen heranzuziehen. In der ersten Phase geht es darum, einen Überblick zu gewinnen, anschließend lassen sich Änderungen umso sorgfältiger umsetzen. Gerade weil der gute Draht zu den Mitarbeitenden bereits besteht, können diese frühzeitig und maßvoll in Entscheidungen mit eingebunden werden, ohne die Führungsrolle zu beeinträchtigen. 

5. Rollenverhalten

Auch im Alltag ist das eigene Rollenverständnis von Bedeutung. Wer zum Feierabendbier mitgeht, sollte auf dienstliche Gespräche verzichten. Die Chefrolle kann getrost an der Unternehmenspforte zurückgelassen werden. In geselliger Runde nach Dienstschluss ist der Kollege dabei, nicht der Chef. 

Es irritiert mehr als es nützt, wenn sich die Rollen vermischen. Unter Umständen ist es aber sinnvoll, nicht bei jedem Anlass dabei zu sein, den Besuch von Festen etwas einzudämmen und erst recht nicht mehr unter den Letzten zu sein, die ein privates Fest verlassen. Müssen dem Team Entscheidungen aus der Führungsrolle mitgeteilt werden, sollte das gerade in der Anfangszeit klar deklariert werden. Zum Beispiel kann eine Ansage so lauten: „Auch wenn ich euch schon lange kenne, ich rede jetzt zu euch als euer Chef.“ Als nützlich erweist sich ein regelmäßig eingeholtes Feedback von gut bekannten und offen kommunizierenden Mitarbeitern. Das hilft, die neue Chefrolle zu justieren, bis sie eines Tages alltäglich und gewohnt für alle Beteiligten ist.

©Stefan Häseli
Stefan Häseli, Kommunikationstrainer, & Keynote-Speaker

Über den Autor
Stefan Häseli ist Kommunikationstrainer, Keynote-Speaker, Moderator und Autor mehrerer Bücher. Er betreibt ein Trainingsunternehmen in der Schweiz. Der Kommunikationsexperte begleitet seit Jahren zahlreiche Unternehmen bis in die höchsten Vorstände von multinationalen Konzernen. Er doziert an Universitäten und Fachhochschulen im Themenfeld Kommunikation. Als Experte nimmt er im Radio und TV-Stationen immer dann Stellung, wenn Kommunikation irgendwo auf der Welt gerade eine entscheidende Rolle spiel, wie beispielsweise die ersten Wochen „Donald Trump“ oder der Blick auf das Kommunikationsverhalten von Boris Johnson.

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