BESCHWERDEBILANZ 2021

 Der ÖWR-Jahresbericht über Beschwerden des Jahres 2021 stellt u. a. „Stopp“- Entscheidungen, die „Top 3“-Beschwerdegründe, Werbemedien sowie die Beschwerdeentwicklung im 8-Jahresvergleich vor. 

Trotz steigender Anzahl an Entscheidungen wurden gleich viele Stopp-Entscheidungen wie im Jahr zuvor getroffen. So sprach sich das Werberats-Gremium in 11 beanstandeten Fällen für einen Stopp aus. Die Anzahl an Sensibilisierungssprüchen in 19 Fällen hat sich mehr als verdoppelt (2020: 8) und 31-mal wurde mit „Kein Grund zum Einschreiten“ (im Vergleich 2020: 28) bewertet. 

„Die neuerliche geringe Anzahl an Stopp-Entscheidungen ist für uns ein positives Signal für das anhaltende verantwortungsvolle Agieren von werbetreibenden Unternehmen“, erklärt ÖWR-Präsident Michael Straberger. Und nicht nur das: Zeigten sich doch bei 9 der 11 Stopp-Entscheidungen die betroffenen Unternehmen sofort kooperativ und haben die Sujets entfernt. 

„Das haben wir vor allem der hohen Entscheidungskompetenz unseres Gremiums und der damit einhergehenden gewachsenen Akzeptanz des Werberats in der werbetreibenden Wirtschaft zu verdanken“, ergänzt Straberger. „Zusätzlich dazu konnten wir unsere Durchsetzungskraft bei der Umsetzung, vor allem bei Stopp-Entscheidungen, massiv erhöhen. Grund dafür sind die strengeren Sanktionsmaßnahmen, die, im Zuge der Novellierung des KommAustria-Gesetzes, unsererseits umgesetzt wurden“. 

Inhaltlich ist die anhaltend hohe Anzahl von Beschwerden im Bereich „Ethik und Moral“ auffallend, die erstmals den Beschwerdegrund der „Geschlechterdiskriminierenden Werbung“ ablöst: „Beschwerdegründe sind für uns immer ein gutes Barometer dafür, in welche Richtung sich die Wahrnehmung von Werbung und somit auch gesellschaftliche Trends im Bereich Ethik und Moral bewegen“, berichtet ÖWR-Geschäftsführerin Andrea Stoidl. „Bereits im Jahr 2020 haben wir einen massiven Anstieg von Ethik und Moral als Grund einer Beschwerde festgestellt. Diese Tendenz hat sich im Jahr 2021 bestätigt. Erstmals wurde sogar die Geschlechterdiskriminierende Werbung abgelöst. Eine Entwicklung die eine hohe Sensibilität seitens der Konsumenten und Konsumentinnen zeigt. Kommerzielle Kommunikation wird zunehmend bewusster wahrgenommen und entsprechend kritisch betrachtet“, erklärt Stoidl. 

„Dieses Faktum ist auch der überwiegenden Mehrheit der werbetreibenden Unternehmen völlig bewusst und entsprechend werden Werbemaßnahmen gestaltet“, ergänzt Michael Straberger. „Die Aufgabe der Selbstregulierung ist es, diese Breite auszubauen und mit allen Marktteilnehmern Verantwortung wahrzunehmen. Nur so wird es auf lange Sicht gelingen, in Österreich sowie im Verbund mit allen europäischen Werberäten auf EU-Ebenen weiterhin immer wieder drohenden Werbeverboten entgegenzuwirken. 

Detailanalyse – Beschwerdebilanz 2021 

Insgesamt wurden 413 Beschwerden (2020: 411) von Konsumenten und Konsumentinnen eingegeben, die zu 258 (2020: 241) Entscheidungen geführt haben. Der deutliche Anstieg an Entscheidungen bei nahezu gleichbleibender Beschwerdeanzahl zeigt vor allem, dass es keine allzu großen „Werbeaufreger“ gab, sondern vielmehr eine Vielzahl einzelner Beschwerden zu unterschiedlichen Werbemaßnahmen. „Die Anzahl an Beschwerden zu einer Werbemaßnahme ist dabei nicht relevant“, erklärt Andrea Stoidl, „wir behandeln und prüfen jede eingehende Beschwerde nach den gleichen Kriterien.“ 

Der Österreichische Werberat forderte in 11 Fällen den „sofortigen Stopp des Sujets bzw. der Kampagne“. In 9 Fällen wurde dieser Aufforderung sofort bzw. innerhalb der ersten gesetzten Nachfrist nachgekommen und in zwei Fällen wurde die weitere Behandlung entsprechend dem Sanktionskatalog eingeleitet. 

Die Ethik-Kodex-Punkte der Österreichischen Werbewirtschaft „2.1. Geschlechter-diskriminierende Werbung“, „1.1. Allgemeine Werbegrundsätze“, „2.2. Kinder und Jugendliche“, „1.3. Gewalt“ und „1.2. Ethik und Moral“ wurden laut dem unabhängigen Entscheidungsgremium bei den getroffenen Stopp-Entscheidungen missachtet. 

19 Mal (im Vgl. 2020: 8) lauteten die Entscheidungssprüche des Österreichischen Werberates „Sensibilisierung – Aufforderung in Zukunft bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen oder einzelner Sujets sensibler vorzugehen“. 

„Kein Grund zum Einschreiten“ & Kleiner Senat 

Doch nicht alle Werbemaßnahmen, die von Konsumenten und Konsumentinnen als problematisch erachtet werden, verstoßen nach Ansicht des Werberat-Experten-Gremiums tatsächlich gegen den Ethik-Kodex der Werbewirtschaft. 

So sahen in 31 (im Vgl. 2020: 28) Fällen die Werberäte und Werberätinnen „Keinen Grund zum Einschreiten“ gegeben. 

Mehr als verdoppelt hat sich die Anzahl an Entscheidungen, die durch den „Kleinen Senat“ als „offensichtlich unbegründet“ eingestuft und somit noch vor Bearbeitung durch das große Gremium zurückgewiesen wurden. Insgesamt 47 Entscheidungen (im Vgl. 2020: 24) wurden von diesem vorgeschalteten Gremium bearbeitet und 45 (im Vgl. 2020: 22) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. 

„Der Kleine Senat ist in den vergangenen Jahren ein unverzichtbares Gremium geworden“, berichtet Andrea Stoidl aus der Werberatspraxis, „dadurch können wir sicherstellen, dass der Aufwand unserer 200 ehrenamtlich arbeitenden Werberäte und Werberätinnen überschaubar bleibt. Gleichzeitig kann jede einzelne Beschwerde dennoch von einem unabhängigen Gremium begutachtet werden“. 

Sujet-Rücknahmen 

Wie in den Jahren zuvor spiegelt sich die Bereitschaft zur Kooperation mit dem Österreichischen Werberat in der Anzahl der sofortigen Sujet-Rücknahmen durch das jeweils betroffene Unternehmen wider. So haben 27 Unternehmen (2020: 36) ihre Werbe- 

maßnahmen nach der ersten Kontaktaufnahme durch die Geschäftsstelle des Österreichischen Werberates sofort zurückgenommen oder abgeändert. 

„Die transparente und dialogorientierte Abwicklung von Beschwerden schafft zunehmendes Vertrauen“, weiß Straberger. Denn: „Wir wollen mit und für die Branche agieren. Uns ist wichtig immer zuerst mit den Werbeverantwortlichen ins Gespräch zu kommen und nach Lösungen zu suchen. Eine nicht immer einfache Aufgabe, die die Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle mit unglaublicher Serviceorientierung und Überzeugungskraft sowie manchmal übermenschlicher Geduld leisten“. 

Nicht zuständig zeichnete der Österreichische Werberat in 81 Fällen. Diese Beschwerden wurden je nach Ressortzugehörigkeit an den Verband für unlauteren Wettbewerb, den Verein für Konsumentenschutz, der Bundesarbeiterkammer, das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, die ÖGK, die österreichische Plattform für Gesundheitskompetenz oder dem PR-Ethik-Rat zur weiteren Bearbeitung mit Zustimmung der Beschwerdeführer/innen weitergeleitet. 

Da es sich um keine Wirtschaftswerbung handelte, konnte der ÖWR in 30 Fällen nicht tätig werden. 3 Fälle – sogenannte Cross-Border-Complaints – wurden an die zuständigen Institutionen im Ausland weitergeleitet. 

© ÖWR
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Top3 und weitere Beschwerde-Gründe 

Gemessen an der Anzahl eingegebener Beschwerden führt erstmals der Grund „Ethik und Moral“ das Ranking mit 116 Beschwerden (im Vgl. 2020: 115) an. Gefolgt von „Geschlechterdiskriminierender Werbung“ mit 105 Beschwerden (im Vgl. 2020: 126) und „Irreführung und Täuschung“ mit 59 Beschwerden (im Vgl. 2020: 50). 

Aufgrund von Beschwerden mit Bezug zur Corona-Pandemie ist der Grund „Gesundheit“ mit 31 Beschwerden im Vergleich zum Vorjahr (2020:19) deutlich häufiger als Beschwerdegrund eingegeben worden. 

27 Beschwerden verzeichnet der Beschwerdegrund „Rassismus“ (2020: 29) und ist somit im Vergleich zum Vorjahr etwas gesunken. Der Beschwerdegrund „Gefährdung von Kindern und Jugendlichen“ ist ebenfalls zum Vorjahr 2020 (2020:22) mit 15 Beschwerden weniger geworden. 

Jeweils 10 Beschwerden gab es 2021 bei den Beschwerdegründen „Gewalt“ (2020:14) und „Werbung mit Kindern und Jugendlichen“ (2020:7). 

Der Bereich „Sicherheit“ erhielt 8 und der Bereich „Rechtswidriges Werbeumfeld“ erhielt 9 Beschwerden. Rechtswidriges Werbeumfeld meint hier Werbesujets, die auf illegalen Online-Umfeldern verzeichnet wurden. Das ist im Vergleich zu den Vorjahren deutlich mehr: (Sicherheit 2020:1) und (Rechtswidriges Werbeumfeld 2020:3). 

Beim Beschwerdegrund „Unlauter Wettbewerb“ verzeichnet der Österreichische Werberat dieses Jahr 5 Beschwerden (2020:13). 

Beim Beschwerdegrund „Alkohol“ wurden 4 Beschwerden (2020:2) und bei „Tabak und Rauchwaren“ (2020:1) 3 Beschwerden vermerkt. Ebenfalls 3 Beschwerden wurden im Bereich „Tierschutz“ (2020:1) und „Verletzung religiöser Gefühle“ (2020:0) verzeichnet. 

Jeweils 2 Beschwerden gab es 2021 beim Beschwerdegrund „Umwelt“ (2020:4) und „Diskriminierung älterer Menschen“ (2020:3). 

Eine Beschwerde wurde jeweils für den Beschwerdegrund „Kraftfahrzeuge (2020:0)“ und für den Beschwerdegrund „Herabwürdigung von Politikern“ (2020:1) im Jahr 2021 eingebracht. 

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Werbemedien 

Auch dieses Jahr wurden die meisten Entscheidungen zu Werbemaßnahmen im TV getroffen. Insgesamt 62 Entscheidungen (2020: 64) beziehen sich auf TV-Spots. 

Einen enormen Anstieg gab es bei Werbemaßnahmen, die sich auf „Social Media“ (im Vgl. 2020: 18) bezogen haben. So liegt dieser Medienkanal, gemeinsam mit „Plakat/Citylight“ (im Vgl. 2020: 31), mit jeweils 35 Entscheidungen auf Platz zwei. 

Print liegt mit 24 Entscheidungen (im Vgl. 2020: 22) auf dem vierten Platz. 

Das Medium „Website“ verzeichnet 19 Entscheidungen (im Vgl. 2020: 36), „Flyer/Prospekt“ (im Vgl. 2020: 12) und „Radio“ (im Vgl. 2020: 14) jeweils 17 Entscheidungen. Auch für „Verpackungsmaterial“ wurden im Jahr 2021 12 Entscheidungen (im Vgl. 2020: 9) getroffen. 

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Beschwerden im 8-Jahres-Vergleich 

Der Jahresvergleich lässt erkennen, dass im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr etwa dieselbe Anzahl an Beschwerden eingegangen ist, jedoch um einiges mehr an Entscheidungen getroffen wurden. 

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„Die Sensibilität der Bevölkerung bei ethischen Fragen ist hoch wie nie zuvor, umso wichtiger ist ein gut funktionierendes System der Selbstregulierung. Die Beschwerdeführer fühlen sich mit ihren Anliegen verstanden und sind auch bereit andere Sichtweisen zu erkennen“, so Michael Straberger abschließend. 

Über den Österreichischen Werberat 

Der Österreichische Werberat (ÖWR) ist ein unabhängiges Organ des Vereines „Gesellschaft zur Selbstkontrolle der Werbewirtschaft“. Der ÖWR fördert mittels freiwilliger Selbstbeschränkung der österreichischen Werbewirtschaft das verantwortungsbewusste Handeln der Werbewirtschaft und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit. Die Zuständigkeit des Werberates erstreckt sich auf alle Maßnahmen im Bereich Wirtschaftswerbung. Im Detail hat der ÖWR die Aufgabe Fehlentwicklungen bzw. Missbräuche in der Werbung zu korrigieren und dient damit sowohl den Konsumentinnen und Konsumenten als auch verantwortungsbewussten Werbeunternehmen.