Pitch or Bitch

Wie weit lehnen sich Agenturen für neue Kund:innen aus dem Fenster?

Wenn von ruinösem Preisdumping, Rabattschlachten und Buying-Excel-Wahnsinn die Rede ist, kann es sich nur um das Thema Agenturpitch handeln. Dieses stand im Spotlight des 51. FMP TALKs, der im Audi House of Progress stattfand und von offenen, harten und emotionalen Statements geprägt war – angefangen bei der Impuls-Ansprache, in der Markus Mazuran (IAA) die IAA Pitch Charta vorstellte, sowie in der Paneldiskussion zwischen Claudia Anders (REWE GROUP), Bettina Schuckert (dentsu Austria), Martin Weinand (Martin Weinand Communication) und Walter Zinggl (IP Österreich). Die Fragen stellte Moderatorin Inez Czerny (MEDIA 1).

Dass es rund um den berühmt berüchtigten Agentur-Pitch einige Probleme gibt, stellte Markus Mazuran (IAA) bereits in seiner Keynote klar. Für ihn geht es beim Thema Pitch vor allem um den Qualitätsaspekt. Denn dieser ist schlussendlich ausschlaggebend für Agenturen und auftraggebende Unternehmen. Aus diesem Grund hat die IAA gemeinsam mit Branchen-Expert:innen eine Quality Pitch Charta erstellt, die Kriterien für einen optimalen Pitch vorgibt. Das Ziel ist es, die Qualität im Pitchprozess für alle Teilnehmenden zu steigern. Derzeit haben sich ca. 20 große Auftraggebende sowie 50 Agenturen zur Charta verpflichtet. In Zukunft soll es außerdem möglich sein, einzelne Pitches von der IAA zertifizieren zu lassen. Sein Schlusswort gestaltete Mazuran passend zum Titel des Abends: „Egal ob Pitch oder Bitch, lasst uns einfach guten Sex haben.“

© Katharina Schiffl
Die Branchen-Expert:innen des Abends (v.l.n.r.): Markus Mazuran (IAA), Claudia Anders (REWE GROUP), Bettina Schuckert (dentsu Austria), Martin Weinand (Martin Weinand Communication), Walter Zinggl (IP Österreich) und Inez Czerny (MEDIA 1).
© Katharina Schiffl

 

Es gibt Qualitätsbemühungen, aber auch noch viel Luft nach oben

Wie lässt sich die Quality Pitch Charta nun im Alltag leben? Claudia Anders (REWE GROUP) sowie Bettina Schuckert (dentsu Austria) bestätigten beide, dass man sich bemühe, den Qualitätskriterien gerecht zu werden. Allerdings gäbe es dabei immer wieder Schwierigkeiten. So fehlen für relevante Aspekte, wie z. B. Abschlagshonorare, konkrete Richtlinien. Auch lassen sich nationale Standards oft nicht bei internationalen Pitches durchsetzen. Das bekräftigte auch Walter Zinggl (IP Österreich), der den Qualitätsfortschritt in den vergangenen Jahren sehr kritisch sieht. Für ihn sprechen die oft auseinandergehenden Erwartungen von Agenturen und Auftraggebenden sowie die ausladenden Rabattversprechungen beim Einkauf dagegen. „Ich hätte ungern, dass Kunden und Agenturen guten Sex haben und ich ihn bezahlen muss“, so Zinggls Antwort auf den Appell von Markus Mazuran.

Team und Agenturkompetenz sind wichtig, aber das Buying entscheidet

Das Thema Geld scheint beim Pitch eine besonders wesentliche Rolle zu spielen. Das zeigte sich auch in der Umfrage, die das FMP Forum Media Planung im Vorfeld des TALKs durchgeführt hat. Während im Auswahlprozess vor allem das Team und die digitale Kompetenz der Agentur eine Rolle spielen, ist der wesentliche Entscheidungsfaktor schlussendlich der Mediaeinkauf bzw. das Buying – ein Grund, warum Agenturen teilweise unrealisierbare Rabatte versprechen, nur um den Auftrag zu gewinnen. Auch Agenturhonorare werden dabei oft gedrückt. Laut den Panel-Expert:innen leidet dabei aber stets die Qualität. In fairen Pitches, so der O-Ton, ist für alle Beteiligten genug da.

Rabatte führen zum Auftrag, aber auch zu Misstrauen

Wenn sich Aufträge für Agenturen rechnerisch kaum bis gar nicht mehr rentieren, stellt sich die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Dazu fand Martin Weinand (Martin Weinand Communication) deutliche Worte. Der Mediaagentur-Markt sei mehr als kaputt, den Mediaagenturen wird von Kund:innen-Seite viel Misstrauen entgegengebracht. Agenturen würden sich mit ruinösen Angeboten und Dumping-Preisen selbst herabsetzen. Auftraggebende hingegen, die nur aufgrund des Buyings entscheiden, zehren an den Kräften einer Agentur und deren Mitarbeiter:innen.

Vertrauen, Verständnis und Transparenz als Lösung

Was braucht es nun, um die Pitchkultur in Österreich zu verbessern? Geht es nach den Panel-Expert:innen so sind es vor allem Vertrauen, transparente Kommunikation und ein grundlegendes Verständnis für die jeweils andere Seite. Auch ein kontinuierlicher Ausbau der Quality Pitch Charta um Richtlinien zum Buying, den Honoraren sowie NDA-Vereinbarungen wäre sinnvoll. Zuversichtlich stimmte die Diskussionsteilnehmer:innen zudem die junge Generation, die eine frische Einstellung zum Thema mit sich bringt. Und auch wenn es noch ein weiter Weg zur perfekten Pitchkultur ist, so sind es alles Schritte in die richtige Richtung.

© Katharina Schiffl
Markus Mazuran (IAA) eröffnete mit der Vorstellung der IAA Quality Pitch Charta den TALK-Abend im voll besetzten Audi House of Progress.
© Katharina Schiffl

Das FMP Forum Media Planung bedankt sich bei den Branchenexpert:innen, den TALK-Gästen dem Hauptsponsor Goldbach sowie den Co-Sponsoren RMS und Teads.