Androsch kritisiert mangelnde Digitalisierung
Österreich ist bei Digitalisierung nahezu ein Entwicklungsland, glaubt der Industrielle und ehemalige SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch. Der Aufholbedarf hierzulande sei groß, die Digitalisierung an Schulen und der Ausbau des 5G-Netzes gingen zu langsam. Notwendig sei eine „allgemeine digitale Alphabetisierung“, die der breiten Öffentlichkeit moderne Technologien näherbringt. Auch Europa habe Aufholbedarf, um nicht in eine „digitale Kolonie“ abgedrängt zu werden.
Innovation sei zum Gegenstand politischen Wettbewerbs zwischen den USA und China geworden, erklärte Androsch bei der Präsentation seines Buches „Digitalisierung verstehen“. Für Europa sei es deshalb notwendig aufzuholen und „digitale Souveränität“ zu erlangen, um nicht in eine „digitale Kolonie“ abgedrängt zu werden.
In Österreich sei der Auf- und Nachholbedarf besonders groß, „weil wir diesbezüglich nahezu ein Entwicklungsland sind“. Androsch nannte die Digitalisierung an Schulen als Problem, die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit Tablets oder Laptops schreite zu langsam voran. Auch Lehrerinnen und Lehrer brächten eine umfassendere digitale Ausbildung und müssten mit besserer digitaler Infrastruktur ausgestattet werden. Es brauche außerdem verschränkte Ganztagsschulen und den Ausbau der Kinderbetreuung.
Das sei aber nur ein Bereich, ein weiteres Problem sei der Ausbau des 5G-Netzes: „während die Schweiz schon flächendeckend ein 5G-Netz installiert hat, gibt es bei uns bestenfalls Fleckerl von einem langsam entstehenden Fleckerlteppich“. Darüber hinaus dürfe der steigende Strombedarf nicht übersehen werden. Auch das sei eine riesige Herausforderung für eine klimaneutral-orientierte Energiewende.
Eine intelligente Welt sei technisch bereits 2030 möglich, das sei eine erfreuliche Perspektive, man dürfe aber auch die damit verbundenen Gefahren nicht unterschätzen. Hier nannte Androsch stichwortartig den „Überwachungsstaat, den Überwachungskapitalismus, die Möglichkeit, jeden einzelnen als gläsernen Menschen zu behandeln und zu manipulieren oder Wahlen zu beeinflussen“.
Um die Gefahren unter Kontrolle zu halten, brauche es eine „allgemeine digitale Alphabetisierung“. In Österreich sei man in den Schulen und auch in anderen Bereichen „weit hinten“ und es gelte, das so rasch wie möglich zu ändern. Sein neues Buch „Digitalisierung verstehen“ sei ein Versuch, das Thema einer breiten Öffentlichkeit verständlich näher zu bringen.
Zum Halbleitermangel sagte Androsch: „Diese Technologie kann man nicht beim Billa oder beim Spar kaufen“. Der taiwanesische Konzern TSMC investiere über 100 Mrd. Dollar, auch Samsung und amerikanische Unternehmen würden derzeit viel investieren, um die eigene Produktion hochzufahren. Der Aufbau einer solchen Fabrik dauere drei bis vier Jahre, es werde schon alleine deshalb mindestens vier Jahre dauern, bis wieder ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage nach Halbleitern entstehe. Die Nachfrage nach Chips steige durch den Digitalisierungsschub jedoch derzeit geradezu exponentiell, Angebot und Nachfrage könnten deshalb noch länger auseinander gehen.
Beim Technologiekonzern AT&S, bei dem Androsch Aufsichtsratsvorsitzender und Großaktionär ist, stehe man deshalb vor großen Herausforderungen, von denen man gar nicht wisse, wie sie zu bewältigen seien. Man investiere gewaltige Summen in neue Werke, wenn es nach den Kunden gehe, „könnten wir gleich noch einmal vier Werke errichten“, so Androsch. Dazu würden aber Personal, Equipment und Materialien fehlen.