EGMR: Anonymisierungsforderung für Zeitungsarchiv rechtens
Die Forderung zur Unkenntlichmachung des Namens eines Unfallfahrers im Online-Archiv einer belgischen Zeitung verstößt dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zufolge nicht gegen die Meinungsfreiheit. Der Straßburger Gerichtshof folgte mit seiner Entscheidung vom Dienstag den belgischen Behörden. Konkret ging es in dem Rechtsstreit um einen Artikel im Online-Archiv von „Le Soir“ über einen tödlichen Unfall im Jahr 1994.
Der damalige Unfallfahrer hatte in Belgien erfolgreich seine Anonymisierung in dem Artikel eingeklagt, dagegen war der Chefredakteur der Zeitung vorgegangen. (Nummer 57292/16)
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass man mit der Zeit die Chance haben solle, seine Reputation wiederherzustellen, und verwies auf das belgische Recht, vergessen zu werden. Der Unfallfahrer von damals sei keine Person des öffentlichen Lebens. Er habe seine Strafe bereits abgesessen und sei rehabilitiert. Eine Art elektronisches Strafregister dürfe es durch archivierte Texte nicht geben. Das Gericht verwies darauf, dass die Suche nach dem Namen des Fahrers unmittelbar den strittigen Artikel angezeigt hatte. Die Entscheidung der belgischen Gerichte, der Forderung nach Anonymisierung stattzugeben, sei verhältnismäßig gewesen. Auch mit unkenntlichem Namen könne der Artikel nach wie vor im Archiv gelesen werden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat. Gemeinsam setzen sich die von der Europäischen Union unabhängigen Organe für den Schutz der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten ein.