Forderung nach „Neustart“ für Wissenschaftsvermittlung
Covid, Klimawandel, Digitalisierung und KI oder Quantentechnologie – wissenschaftliche Themen ziehen viel Aufmerksamkeit auf sich. In einigen Redaktionsstuben bildet sich das jedoch nicht in Form von Stellen für Wissenschaftsjournalisten ab. Zum 50. Geburtstag des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten wurde Donnerstagabend die Forderung nach einem „Neustart der Wissenschaftskommunikationspolitik“ laut. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) gab sich gesprächsbereit.
Für die Idee, das Vorhandensein einer Wissenschaftsredaktion mit angestellten Wissenschaftsjournalisten und -journalistinnen zum Förderkriterium für die Presseförderung zu machen, setzt sich der 1971 gegründete Klub bereits seit Jahren ein. Bisher habe man allerdings „auf Granit gebissen“, so Klub-Vorsitzende Eva Stanzl von der Wiener Zeitung bei der Diskussionsveranstaltung zum Jubiläum. Trotz Covid, Klimawandel und Co. und deutlicher Bekenntnisse zur Wichtigkeit der kritischen Übersetzungsleistung wissenschaftlicher Inhalte in Richtung eines breiteren Teils der Gesellschaft werde die Anzahl der einschlägig arbeitenden Journalisten kleiner. Man beobachtet ein stetiges Abwandern von Kollegen in die Wissenschafts-PR. Der Klub vereint unter seinen rund 150 Mitgliedern daher mittlerweile nicht nur Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten aus allen relevanten Medien Österreichs, sondern auch eine erkleckliche Anzahl an Wissenschaftskommunikatoren.
Wenig Vertrauen, Interesse und Ahnung an Wissenschaft
Dass die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte wahrlich Früchte tragen könnte, legte „Der Standard“-Wissenschaftsredakteur und Wissenschaftsforscher Klaus Taschwer anhand von Daten der aktuellen Eurobarometer-Umfrage dar. Bei der zuletzt im April und Mai dieses Jahres durchgeführten internationalen Erhebung mit rund 37.000 Befragten tun sich Herr und Frau Österreicher dadurch hervor, besonders wenig Vertrauen, Ahnung und Interesse an Wissenschaft zu haben – ein Befund, der sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum geändert hat. Eine Verbindung dieser Einstellung zur im Vergleich mit anderen westlichen Ländern frappant niedrigen Covid-Impfrate liege sehr nahe, so Taschwer, der von einem „Fiasko der Wissenschaftsignoranz“ sprach.
Das ließ auch Faßmann grübeln, der sich „vom stabilen Muster des Skeptizismus“ hierzulande erstaunt zeigte. Für Taschwer lässt sich das auch damit begründen, dass die Skepsis in vielen Bereichen nicht als Problem angesehen wird, Vermittlungsangebote fehlen, Forschern, die ihre Arbeit der Öffentlichkeit vermitteln wollen, noch immer zu wenig unter die Arme gegriffen wird und eben auch manches Medium den Bereich stiefmütterlich behandle. Diesen „zu negativen“ Befund wollte Faßmann zwar nicht ganz teilen, ohne politische Unterstützung werde sich eine weitere Professionalisierung, wie sie etwa in Deutschland in den vergangenen Jahren stattfand, aber kaum einstellen, so der Tenor am Podium. Die Einrichtung einer breiten Arbeitsgruppe, die sich mit der Zukunft der Wissenschaftsvermittlung in Österreich beschäftigt, ist für den Minister daher eine „gute Idee“.
Wissenschaftsressorts brauchen Unterstützung
Ö1-Wissenschaftsredakteurin Elke Ziegler hat für ihr Engagement, im Verlauf der Covid-Pandemie „darzustellen, was die wissenschaftliche Evidenz zu einem Zeitpunkt ist“, zuletzt den eigentlich Politikredakteuren vorbehaltenen Robert-Hochner-Preis entgegengenommen. Trotz all des Einsatzes steht auch für sie fest, dass die Wissenschaftsressorts in Medien Unterstützung brauchen. Hier müsse man auch die politische Verantwortung einfordern, denn guter Wissenschaftsjournalismus alleine könne zwar keineswegs den Weg zu einer informierteren Öffentlichkeit ebnen, die sich möglichst nicht fadenscheiniger und unwissenschaftlicher Meinungsmache in Social Media und Co. unterwirft, aber einen wichtigen Beitrag dazu leisten.
Um der um sich greifenden Desinformation sinnvoll zu begegnen, gebe es leider bis dato noch kein Patentrezept, so der Geschäftsführer des deutschen Science Media Center (SMC), Volker Stollorz. Es brauche daher große Anstrengungen von möglichst allen Seiten der Gesellschaft, um dem entgegenzuwirken. Für Ziegler ist im Verlauf der Pandemie jedenfalls deutlicher zutage getreten, dass ein gewisses wissenschaftliches Grundverständnis in vielen Bereichen schlichtweg fehlt. Wenn bei Personalmangel an Schulen etwa fachfremde Pädagogen naturwissenschaftliche Fächer unterrichten, sei dies ein Zeichen, „dass zu wenig passiert“. Dementsprechend ist womöglich auch der Austro-Wissenschaftsskepsis ein ähnlich langes Leben beschert wie etwa den Folgen des Klimawandels.
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