„Hass im Netz“ – Breite Zustimmung in Begutachtungsverfahren
Das Gesetzespaket gegen „Hass im Netz“ stößt im Begutachtungsverfahren grundsätzlich auf breite Zustimmung. Bedenken bestehen allerdings etwa in Bezug auf die geplante Strafdrohung beim sogenannten Upskirting. Die Begutachtungsfrist endet am Donnerstag, in Kraft treten sollen die neuen Regeln mit 1. Jänner.
Das Paket besteht aus drei Teilen: Das Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz enthält die zivilrechtlichen Bestimmungen für das Mandatsverfahren samt Neufassung der Persönlichkeitsrechte im ABGB. Im zweiten Teil sind straf- und medienrechtliche Änderungen (Upskirting-Tatbestand, verschärfte Strafen und Medienrechts-Entschädigungsanspruch bis zu 100.000 Euro) zusammengefasst. Das „Kommunikationsplattform-Gesetz“ enthält die neue Plattformverantwortlichkeit.
Anwältin Maria Windhager, die unter anderem den „Standard“ vertritt und auf Medien- und Persönlichkeitsschutzrecht spezialisiert ist, und Verfassungsrichter und „Krone“-Anwalt Michael Rami haben eine gemeinsame Stellungnahme zu jenem Entwurf, mit dem straf- und medienrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass im Netz getroffen werden, vorgelegt. Der Entwurf sei „grundsätzlich auf gutem Niveau“, viele der Vorschläge seien zu begrüßen, betonen sie in der Stellungnahme.
Kritik üben sie aber etwa daran, dass das sogenannte Upskirting mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen bedroht ist. Im Vergleich zu anderen Delikten sei das zu streng. Überhaupt behandle der Entwurf verschiedene Tathandlungen mit derselben Strafdrohung, „obwohl diese einen ganz unterschiedlichen Unwert“ haben, bemängeln die Anwälte: „Die Veröffentlichung eines Fotos ist für das Opfer deutlich schlimmer als dessen Zugänglichmachung gegenüber einem Dritten, und diese wiederum ist deutlich schlimmer als die bloße Anfertigung des Fotos“, heißt es in der Stellungnahme.
Der Entwurf sieht außerdem eine deutliche Anhebung der Schadenersatzansprüche für Personen vor, die durch Medien in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt werden oder wenn der objektive Tatbestand der üblen Nachrede, der Beschimpfung, der Verspottung oder der Verleumdung hergestellt wurde. „Nicht einzusehen“ ist aus Sicht Windhagers und Ramis hier, warum die Anhebung des Höchstbetrags nicht auch auf Verstöße gegen den Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen oder die Unschuldsvermutung ausgeweitet wird.
Außerdem mache es einen Unterschied, „ob die Persönlichkeitsverletzung nur nebenbei in einem Halbsatz geschehen ist oder den Aufmacher für einen reißerischen Bericht bildet“, betonen die Anwälte und plädieren dafür, darauf im Gesetz Rücksicht zu nehmen.
Auch der Oberste Gerichtshof begrüßt in seiner Stellungnahme das Ziel, „Hass und Hetze in sozialen Medien und im Internet effektiv zu bekämpfen“. Der Entwurf sieht vor, dass auch bestimmte Angehörige von Opfern vor der Bekanntgabe ihrer Identität geschützt sind. Dadurch und durch die Aufnahme von Zeugen werde der Kreis potenzieller Anspruchsberechtigter in einer Weise erweitert, „die die Möglichkeiten medialer Veröffentlichungen nicht unerheblich einschränkt und damit in einem Spannungsverhältnis zu Art. 10 MRK (Anspruch auf freie Meinungsäußerung, Anm.) steht“, kritisiert der OGH allerdings.
Die Vereinigung der Staatsanwälte begrüßt die Änderungen insgesamt, kritisiert aber ebenfalls die Strafdrohung im Bereich Upskirting als „nicht gänzlich ausgewogen gewichtet“. So sei etwa sexuelle Belästigung im Vergleich „nur“ mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht.
Auch die Staatsanwaltschaft Wien findet die Strafdrohung „unverhältnismäßig hoch“. Angeregt wird zudem, das Delikt als Ermächtigungsdelikt zu konzipieren. „Es soll letztlich im Ermessen des Opfers liegen, ob Bildaufnahmen von dessen intimsten Bereichen, die (…) bis dahin nur dem Täter bekannt sind, in einem Strafverfahren erörtert und dadurch einem weiteren Personenkreis zugänglich gemacht werden“, heißt es in der Stellungnahme.
In mehreren Stellungnahmen wird außerdem bemängelt, dass der Schutz vor unbefugten Aufnahmen nur dann gewährt werden soll, wenn die abgebildete Person „diese Bereiche durch Bekleidung oder vergleichbare Textilien gegen Anblick geschützt“ hat. „Auch durch Vorhalten der eigenen Hände oder eines entsprechenden Gegenstandes wird zum Ausdruck gebracht, dass man die eigene Intimsphäre wahren möchte und nicht mit der Aufnahme einverstanden ist. Die Einschränkung auf Schutz durch Bekleidung oder vergleichbare Textilien sollte daher entfallen“, schreibt etwa Susanne Reindl-Krauskopf, Vorständin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Wien.
Die Vorstände der Institute für Zeitgeschichte sowie für Rechts- und Verfassungsgeschichte warnen davor, dass ein Teil der Neufassung der Persönlichkeitsrechte im ABGB, die im „Hass im Netz-Bekämpfungsgesetz“ geregelt wird, die NS-Opfer- und Täterforschung „erheblich erschweren“ könnte. Sie plädieren dafür, die wissenschaftliche Forschung generell gesetzlich vom allgemeinen postmortalen Persönlichkeitsschutz auszunehmen.
Die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works begrüßt das Vorhaben insgesamt, ortet aber „massive Rechtsschutzdefizite“ durch die Einführung neuer Ermittlungsmaßnahmen für bestimmte Privatanklagedelikte. Die Änderung ermögliche es Privatanklägern, vor der Hauptverhandlung eine Ausforschung des Beschuldigten zu verlangen. Die Wiener Linien wünschen sich ähnliche gesetzliche Regelungen wie beim Upskirting für „Unfall-Gaffer“.