Mit Empathie lässt sich Hass im Netz wirksam bekämpfen
Auf Empathie beruhende Gegenrede ist das wirksamere Mittel gegen Online-Feindseligkeiten, als wenn man Hass im Netz mit Warnungen oder Humor entgegentritt. Das geht aus Studie der ETH und Universität Zürich mit mehr als 1.300 Twitter-Nutzerinnen und -Nutzern hervor.
In den sozialen Netzwerken verleitet Anonymität manche Menschen zu kommunikativen Entgleisungen. Um Hassreden einzudämmen, moderieren Social-Media-Unternehmen zunehmend die Inhalte auf ihren Plattformen – sie löschen Beiträge oder versehen diese mit Warnhinweisen.
Allerdings kann dieses Vorgehen mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung kollidieren. Anders als Inhaltsmoderation zielen sogenannte Counterspeech-Strategien darauf ab, den Hass durch direkte Konfrontation mit den Tätern zu verringern. Bisher wurde aber noch kaum wissenschaftlich untersucht, wie und ob sich mit dieser Methode Hetze im Internet entschärfen lässt.
Zürcher Forschende und Studierende um Dominik Hangartner, Professor für Politikanalyse an der ETH Zürich, führten nun ein Experiment auf Twitter durch, um fremdenfeindliche und rassistische Hassreden zu bekämpfen. Öffentlich sichtbar antworteten sie Benutzerinnen und Benutzern, die xenophobe Tweets gepostet hatten.
Sie teilten die Stichprobe von 1.350 Personen in vier Gruppen ein: Der ersten Gruppe antworteten sie mit einer Nachricht, die Empathie wecken sollte, beispielsweise mit „Afroamerikanern tut es wirklich weh, wenn Menschen solche Ausdrücke verwenden“. Die zweite Gruppe warnten sie vor möglichen sozialen Konsequenzen ihres Tweets und der dritten Gruppe schickten sie ein humorvolles Meme. Darauf war etwa ein Vogel zu sehen, der einem Artgenossen den Schnabel zudrückte. Darunter stand der Satz: „Please stop tweeting“ (auf Deutsch: „Hör bitte auf zu zwitschern“.) Die vierte Gruppe diente als Kontrolle.
Es zeigte sich, dass einzig eine auf Empathie beruhende Konfrontation die Hassreden zu reduzieren vermochte, wenn auch in relativ geringem Ausmaß, wie die Wissenschafter im Fachmagazin „PNAS“ berichten. Diese Gruppe verschickte in den folgenden vier Wochen im Durchschnitt 1,3 weniger fremdenfeindliche Tweets als die Kontrollgruppe (minus 33 Prozent) und wies eine um 8,4 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit auf (plus 40 Prozent), den ursprünglichen fremdenfeindlichen Tweet zu löschen.
Das Team erfasste auch, ob und wie die konfrontierten Nutzerinnen und Nutzer reagierten. Demnach antworteten rund 15 Prozent von ihnen auf die Bots der Forschenden, „die meisten anständig, manche sogar entschuldigend“, erläuterte Studienleiter Hangartner auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Nur ein winziger Bruchteil verwendete eine hasserfüllte Sprache in der Antwort.
Die Ergebnisse der Studien sprächen eine deutliche Sprache, welche Gegenrede am wirksamsten sei. Und, wie Hangartner hinzufügte, wäre die Wirkung mehrmaliger Konfrontation wohl noch größer. Insbesondere, wenn diese Interventionen von verschiedenen Twitter-Konten stammen würden.
Service: Link zum Fachartikel nach Ablauf der Sperrfrist: