Neuer ORF-Chef Weißmann will an Taten gemessen werden
Ab 1. Jänner 2022 agiert Roland Weißmann als ORF-Generaldirektor an der Spitze des größten Medienunternehmens des Landes. Vergangene Woche setzte er sich im Stiftungsrat mit türkis-grüner Unterstützung gegen den Amtsinhaber Alexander Wrabetz durch. Seine Bestellung wurde von vielen Medien, Oppositionspolitikern als auch so manchen ORF-Journalisten kritisch hinterfragt, gilt er doch als ÖVP-Wunschkandidat. „Messen Sie mich an meinen Taten“, sagt Weißmann im APA-Interview.
„Ich empfinde Demut und Respekt vor der großen Aufgabe, bin aber gleichzeitig zuversichtlich und voller Vorfreude“, so Weißmann in Hinblick auf seine künftige Rolle als ORF-Chef. Der „Wahlkampf“ fiel hitzig aus. Der ORF wurde im Anschluss unverhohlen als „parteipolitisches Schlachtfeld“ bezeichnet. Gewichtige Bewerber von außerhalb des ORF trauten sich kaum aus der Deckung. Auf die Frage, ob es Zeit für eine wahre Entpolitisierung ist, reagiert Weißmann beschwichtigend: „Man muss die Kirche im Dorf lassen. Es war eine demokratisch und gesetzlich völlig legitimierte Bestellung eines Vorstands. Und alle fünf Jahre gibt es rund um diese Bestellung intensive, auch politische Debatten. Natürlich wird man sich, wenn man sich für so eine Position bewirbt, allen kritischen Fragen stellen – jetzt und in Zukunft.“ Er werde nun mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern daran arbeiten, wieder mit dem in die Schlagzeilen zu kommen, wofür der ORF stehe: „Nämlich das beste Programm im Radio, Fernsehen und online zu machen.“
Der bürgerliche „Freundeskreis“ kam im Stiftungsrat mit ihm nahestehenden unabhängigen Stiftungsräten auf eine Mehrheit. Über Änderungen des Entsendemechanismus könne man diskutieren, wobei es sich um eine Frage für den Gesetzgeber handle, so Weißmann. Konfrontiert mit Screenshots, die ihn zeitgleich mit dem Medienbeauftragten im Kanzleramt Gerald Fleischmann (ÖVP) bei einem Treffen des bürgerlichen „Freundeskreises“ zeigen, meinte der derzeitige ORF-Vizefinanzdirektor jüngst, es sei ganz normal, sich mit Stakeholdern auszutauschen. Doch wo enden „normale Gespräche“ und wo beginnen politische Begehrlichkeiten, die man öffentlich machen sollte? „Ich habe es von Anfang an klargestellt. Natürlich spricht man mit Stakeholdern, seien es Aufsichtsorgane oder auch politische Entscheider. Dabei geht es in aller Regel um Dinge, die der ORF will und nicht umgekehrt und es gibt keine Absprachen“, sagt Weißmann.
Auch mit der Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, habe er sich nicht abgesprochen, beteuert er. Diese gab gegenüber dem „Standard“ preis, dass mit der Zustimmung zu Weißmanns Bestellung sich die Möglichkeit, beim künftigen Führungsteam ein gewichtiges Wort mitzureden, ergebe und so der Einfluss der ÖVP möglichst geschmälert werden solle. „Es haben mich 24 Stiftungsräte aus drei politischen Fraktionen gewählt. Es waren Unabhängige und Betriebsräte dabei. Ich kann auf sehr breite Unterstützung zurückgreifen. Das ist das Einzige, was ich dazu sagen kann“, meint der künftige ORF-Chef.
„Was in den letzten Wochen zu lesen war, sind im Wesentlichen Spekulationen. Ich sage, messen Sie mich an meinen Taten“, plädiert der 53-Jährige. Er wolle die Unabhängigkeit der Redaktion wahren, „indem ich darauf achte, dass die Eckpfeiler im Redaktionsstatut und ORF-Gesetz – Unabhängigkeit, Objektivität und Binnenpluralismus – auf Punkt und Beistrich eingehalten werden“. Politische Interventionen werde er „ganz klar zurückweisen“, tatsächliche Fehler müssten aber natürlich weiterhin korrigiert werden. Dass er im Anschluss an die Wahl von den ORF-Journalisten Armin Wolf und Stefan Kappacher in Interviews nicht geschont wurde, erachtet Weißmann als „Beweis“ dafür, dass der ORF unabhängig sei und die Journalisten weisungsfrei und objektiv berichten.
Keinen Konflikt mit Wrabetz sieht Weißmann bei der Besetzung der Führungspositionen im künftigen multimedialen Newsroom gegeben: „Ich kann alle beruhigen: Es wird sicher keinen Konflikt geben. Der amtierende Generaldirektor und ich werden diesen Punkt sehr konsensual im Sinne des unabhängigen Journalismus lösen.“ Armin Wolf, Matthias Schrom und Gabi Waldner brachte Wrabetz nach seiner Abwahl für eine Führungsposition im neuen Newsroom ins Spiel. Weißmann erachtet sie allesamt als „exzellente Journalisten und Journalistinnen“.
Zu seinem künftigen Team hält sich der Linzer noch bedeckt, schließlich wolle er dem Bewerbungsprozess nicht vorgreifen. Fest steht jedoch, dass er auf ein „ausgewogenes, homogenes Team der besten Köpfe“, in dem auch Platz für ORF-externe Personen ist, setzen will. Mit seinen Mitbewerbern ORF 1-Channelmanagerin Lisa Totzauer und ORF-Vize-Technikdirektor Thomas Prantner habe er „immer gut zusammengearbeitet“. „Ich denke, dass es auch in Zukunft so sein wird.“
Vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) habe er „gute Signale“ empfangen. Mit ihnen will er nachdenken, wie man künftig noch besser kooperieren könne. Diese beobachten die in den Raum gestellte ORF-Gesetzesnovelle genau. Wo Weißmann bei Verhandlungen zu Zugeständnissen bereit wäre und auf was er pochen wolle, verrät er nicht. „Ich wäre ein schlechter Verhandler, wenn ich das jetzt über die Medien ausrichten würde.“ Den ORF-Player will er wie Wrabetz als eine Plattform realisieren, die in vielfacher Hinsicht offen für Kooperationen mit anderen Medien ist.
Mit der ORF-Gesetzesnovelle erhofft sich Weißmann auch ein Ende für die Streaminglücke. „Jeder wird verstehen, dass der ORF für das Streaming seiner Produkte eine gewisse Finanzierung braucht, zumal dieser Anteil der Nutzung stetig zunimmt.“ Eine „Handysteuer“ solle aber nicht kommen. „Es geht darum, dass Medien immer mehr auf Smart-TV und Computern konsumiert werden. Hier soll angesetzt werden“, erklärt der designierte ORF-Generaldirektor. Ob man von einer Haushaltsabgabe sprechen könne, wenn bei Computern, die in praktisch jedem Haushalt zu finden sind, angesetzt werden soll? „Früher hatte praktisch jeder ein konventionelles Fernsehgerät und man nannte es auch nicht Haushaltsabgabe. Wie man es im Detail löst, ist wieder eine Frage des Gesetzgebers“, meint Weißmann, der sich für eine nachhaltige Finanzierung des ORF und damit angesichts der Inflation wohl Erhöhung der GIS-Gebühr einsetzen will.
Die GIS benötigt der ORF etwa für die Realisierung von „Dancing Stars“ oder „Starmania“. Für ein drittes großes Showformat zeigt sich Weißmann offen, wenngleich er einschränkt, dass auch die Programmdirektion an Bord sein müsste und Events viel Geld kosten. Hinsichtlich weiterer Programmvorhaben bittet er um Geduld, er wolle sich zunächst mit seinem Team besprechen.
Beinahe wäre es gar nicht soweit gekommen, dass Weißmann demnächst an die Spitze des ORF aufsteigen wird. Schließlich sah er seine Zukunft während seines Studiums bei einer Tageszeitung. „Ich stand vor der Möglichkeit, ein einmonatiges Praktikum im Radio und Fernsehen zu machen. Ich hab mir gedacht, na gut, damit du das auch kennenlernst, machst du das Praktikum eben auch noch. Seit diesem Praktikum im Februar 1995 habe ich den ORF nicht mehr verlassen“, schildert er. Ein Moment in seiner langen ORF-Karriere bewegt ihn bis heute: „Ich habe als freier Mitarbeiter begonnen. Damals war es eine irrsinnige Auszeichnung für mich, nach einem Jahr eine ORF-Jacke zu bekommen. Da kriege ich heute noch Gänsehaut, wenn ich mich daran erinnere. Das war ein Ritterschlag.“