ORF-Generaldirektor sieht multimedialen Newsroom auf Kurs
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sieht die Vorbereitungen für den multimedialen Newsroom auf Kurs. Manche Stiftungsräte – darunter auch der bürgerliche „Freundeskreisleiter“ Thomas Zach – hatten im Vorfeld der morgigen letzten Stiftungsratsitzung vor der ORF-Wahl im August Bedenken geäußert. Mit einer „umfassenden“ Antwort auf einen ihm übermittelten Fragenkatalog will Wrabetz diese zerstreuen.
„Wir sind mitten in der Vorbereitung und haben einen genauen Plan bis zur Inbetriebnahme des multimedialen Newsrooms im 3. Quartal 2022“, sagte Wrabetz im Gespräch mit der APA. So habe man bereits 45 Newsroomworkshops mit 500 Teilnehmern, multimediale Schulungen mit rund 800 Teilnehmern und zahlreiche Job-Rotationen durchgeführt, um die Mitarbeiter vorzubereiten. Letzteres war pandemiebedingt im vergangenen Jahr nicht möglich, werde aber ab September fortgesetzt, kündigte der ORF-Generaldirektor an.
Die wichtigsten Merkmale des künftigen multimedialen Newsrooms seien Vielfalt und Pluralismus, starke Sendungs- und Plattformteams, aber auch ein „schlagfertiger“ Newsdesk für Kurzformate. Die Struktur stelle sicher, dass es mehrere Entscheidungsträger gebe, meinte Wrabetz und verwies darauf, dass er auch bisher schon immer für Binnenpluralismus und Dezentralisierung in der Information gestanden sei. So habe er zum Beispiel die zentrale TV-Chefredaktion 2007 abgeschafft oder für die TV-Sender ORF 1, ORF 2 und ORF III Infostrukturen mit jeweils eigener Chefredaktion geschaffen.
Drei bis vier Leitungspersönlichkeiten sollen „gleichrangig“ den multimedialen Newsroombereich und damit ca. 400 Mitarbeiter führen. Dabei sollen Entscheidungen weiterhin in „sehr hohem Ausmaß“ in den Sendungsredaktionen bzw. auf niedrigeren Ebenen fallen. „Die Koordination wird aber dem Leitungsteam obliegen“, so der ORF-Generaldirektor. Was wenn dieses Führungsteam unterschiedlicher Meinung ist? „Dann müssen sie sich einigen oder mit Mehrheit entsprechend einer Geschäftsordnung entscheiden“, erklärte er.
Es werde in Zukunft weiterhin so sein, dass Sendungsverantwortliche in Fachredaktionen Inhalte bestellen – nur eben multimedial. Das ZiB2-Team werde weiterhin die ZiB2 und das Radiojournal-Team weiterhin Radiojournale gestalten. Von Änderungen werde insbesondere die Arbeit in den multimedialen Ressorts betroffen sein. Dort soll künftig vermehrt trimedial gearbeitet werden. Erfahrungen habe man bereits im Wetter-, aber auch Religionsressort sammeln können, so Wrabetz.
Neu ist auch der „Newsdesk“, der sich auf Kurznachrichten spezialisieren wird. Bei aktuellen News werde man auf der Plattform ausspielen, die als erste verfügbar ist. Das könne dann auch, sofern bis dahin gesetzlich erlaubt, in den sozialen Medien sein, meinte Wrabetz. Beim „Newsdesk“ sollen Reporterteams angesiedelt sein, die Inhalte einholen und diese allen Plattformen über ein zentrales Contentmanagementsystem zur Verfügung stellen. Hochspezifische Angelegenheiten wie vertiefende Interviews sollen jedoch monomedial bleiben, erklärte der ORF-Generaldirektor.
Im ersten Halbjahr 2022 soll bereits mit der neuen Struktur gearbeitet und Workflows implementiert werden, im zweiten Halbjahr dann auch schrittweise im neuen Newsroom. Früher könne man mit der Umsetzung nicht starten, da man ansonsten mit Doppel-Strukturen konfrontiert wäre. „Das kann nicht funktionieren“, meinte Wrabetz.
Die Inbetriebnahme des Newsrooms werde ca. zwei Millionen Euro kosten. „Ansonsten gehen wir davon aus, dass wir im laufenden Betrieb keine Mehrkosten haben, sondern dass es durch Synergien Kostenreduktionen geben wird“, prognostizierte der ORF-Chef. Diese benötige man auch, um bei Social Media und dem geplanten ORF-Player wachsen zu können. Letzterer soll mit ersten Modulen heuer starten. Genehmigungsverfahren seien im Gange. Ein umfassender Start sei nur mit einer Novelle des ORF-Gesetzes möglich. „Derzeit finden meines Wissens keine Verhandlungen statt“, so Wrabetz. Er strebe an, im Anschluss an die Wahl die Gespräche mit Verlegern zu intensivieren. Im Herbst hofft er auf eine Realisierung der gesetzlichen Änderungen.
Um Refundierung für Ausfälle bei den Gebührenzahlern will Wrabetz nicht bei der Regierung ansuchen. Das forderte zuletzt der SPÖ-„Freundeskreisleiter“ Heinz Lederer. Die Ausfälle seien „nicht so hoch wie angenommen.“ Die Erfüllung einer weiteren Forderung aus dem obersten ORF-Gremium werde er „anstreben“: ein höherer Frauenanteil auf der Führungsebene. Es sei ein „absolutes Ziel“, dort wo bereits Ausgewogenheit herrscht, diese zu halten und auf anderen Ebenen wie den Landesstudios diese zu verbessern. Auch bei der Besetzung des neuen Newsrooms werde man darauf achten müssen und 50:50 anpeilen, so Wrabetz.
Wrabetz hat bisher als einzige Person eine Kandidatur für die Wahl am 10. August angekündigt. Weiteren Bewerbern steht er offen gegenüber. „Niemand muss sich fürchten. Ich hoffe, dass sich starke Persönlichkeiten für den Job interessieren“, sagte er. Bei vorhandenem Interesse solle man es sagen. Schließlich sei man dem Publikum gegenüber verantwortlich und dieses habe ein Recht darauf, dass die Besetzung dieser wichtigen Führungsfunktion nicht „im stillen Kämmerchen“ ausgemacht werde. „Wenn man sich im ORF betätigen will, muss man eine gewisse öffentliche Diskussion aushalten“, meinte der amtierende Generaldirektor.