ORF-Publikumsrat wählte fehlende Mitglieder für Stiftungsrat
Der ORF-Publikumsrat hat am Donnerstag bei seiner konstituierenden Sitzung die sechs noch fehlenden Mitglieder für den Stiftungsrat gewählt. Dabei fiel die Wahl auf je drei der ÖVP und den Grünen nahestehende Personen. Erneut als Publikumsratsvorsitzender agiert der bürgerliche Walter Marschitz. Er versammelte alle Stimmen hinter sich. Als seine Stellvertreterin wurde Andrea Danmayr, von der grünen Zukunftsakademie „Freda“ entsandt, mit 28 von 30 möglichen Stimmen bestimmt.
Die Wahl der sechs Mitglieder für den gewichtigeren Stiftungsrat fiel in geheimer Wahl bei fünf Enthaltungen auf Petra Stolba (24 Stimmen), Sophie Matkovits (22 Stimmen) und Andreas Kratschmar (24 Stimmen), die allesamt bereits in der Vorperiode auf diesem Weg ins oberste ORF-Gremium gelangt waren und der ÖVP nahe stehen. Als Grün-nahe gelten die weiteren drei gewählten Personen: Andrea Danmayr (22 Stimmen), Michael Meyer (22 Stimmen) und Michaela Krömer (22 Stimmen), wobei nur erstere bereits Mitglied des Stiftungsrats war.
Im Vorfeld der Wahl äußerten manche Räte bei der Sitzung am Küniglberg ihr Missfallen an der Bestellpraxis für den Publikumsrat. 17 der 30 Räte bestimmt laut ORF-Gesetz Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) auf Basis von Vorschlägen repräsentativer Einrichtungen und Organisationen. Diese Mehrheit genügt, um die sechs Stiftungsräte aus den eigenen Reihen zu bestimmen. Vor kurzem hielt der renommierte Rundfunkrechtler Hans Peter Lehofer in einem Blogeintrag fest, dass viele Organisationen keine gesetzlich vorgesehenen Dreier-Vorschläge erstatteten. Zudem wiesen einzelne Einrichtungen, deren Vorschlag dennoch berücksichtigt wurde, nicht die geforderte Repräsentativität für ihren Bereich auf, so Lehofer.
Auf einer „Metaebene“ betrachtet sei es aus der Zeit gefallen, dass eine Ministerin Personen für den Publikumsrat auswähle, meinte Willi Mernyi (entsandt vom Österreichischen Gewerkschaftsbund). Dass aufgrund dieses parteipolitischen Vorgangs etwa eine ausgewiesene Konsumentenschützerin – Daniela Zimmer (Arbeiterkammer) – chancenlos sei, im Stiftungsrat zu landen, sei schade. Auch Zimmer monierte – etwa mit Verweis auf den Absturz Österreichs im Pressefreiheitsranking von Reporter ohne Grenzen – die Bestellpraxis und wünschte sich im Falle einer ORF-Gesetzesnovelle eine „zeitgemäßere Repräsentation“ für den Publikumsrat.
„Die Dominanz der ÖVP im ORF ist demokratiepolitisch unerträglich“, hielt SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried zur Sitzung per Aussendung fest. Anstatt Reformen für mehr Unabhängigkeit und Vielfalt auf den Weg zu bringen, beschränke sich die ÖVP-Medienpolitik auf Postenbesetzungen. Auch die Grünen würden von der gegenwärtigen Medienpolitik profitieren, wie die Wahl von drei ihnen zuordenbaren Räten für den Stiftungsrat zeige. Die SPÖ brachte erst unlängst gemeinsam mit den NEOS einen Entschließungsantrag zur Stärkung der Unabhängigkeit des ORF ein, der etwa eine Gremienreform vorsieht. Medienministerin Raab peilt eine ORF-Gesetzesnovelle an, doch stehen dabei die Möglichkeiten des ORF im digitalen Raum im Zentrum. Eine Reform von Stiftungs- oder Publikumsrat sowie deren Bestellmechanismen wurde nicht angekündigt.
Der Publikumsratsvorsitzende Marschitz kündigte vier Schwerpunkte für die vierjährige Funktionsperiode an: konsequente Weiterarbeit an den Empfehlungen für die ORF-Geschäftsführung, Verbesserung des Beschwerdewesens, Ausbau der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des Gremiums sowie an den Programmaufträgen des ORF orientierte Themenschwerpunkte. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann meinte, er freue sich auf die kommende Zusammenarbeit und rege Diskussionen. Auch wenn es nicht für „jeden Wunsch eine Sendung geben“ könne, sei es wichtig, Feedback zu bekommen und darauf zu reagieren.
Der ORF-Stiftungsrat konstituiert sich am 19. Mai. Seine 35 Mitglieder sind mit der erfolgten Wahl im Publikumsrat nun allesamt bekannt. Der ÖVP-„Freundeskreis“ behält wie in der Vorperiode mit ihm nahestehenden Unabhängigen eine Mehrheit im obersten ORF-Gremium. Der Grüne-„Freundeskreis“ wuchs auf sechs Rätinnen und Räte an – zulasten des FPÖ-„Freundeskreises“, der von vier Personen auf eine schrumpfte.