Regierung bringt Medienpaket im Parlament ein
ÖVP und Grüne bringen heute, Donnerstag, eine Novelle des Medientransparenzgesetzes, eine neue Qualitätsjournalismusförderung und das Gesetz zur „Wiener Zeitung“ als Initiativanträge im Parlament ein. Nach Behandlung im Verfassungsausschuss sollen die Gesetze beschlossen werden. Als Reaktion auf zahlreiche eingegangene Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren wurden die Gesetzesentwürfe teils adaptiert, auf manche größere Kritikpunkte ist die Regierung nicht eingegangen.
Die Änderungen am Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetzes sollen mit 1. Jänner 2024 in Kraft treten. Künftig müssen alle Einschaltungen und Medienkooperationen der öffentlichen Hand unabhängig von der Erscheinungsfrequenz eines Mediums und ab dem ersten Euro an die Medienbehörde RTR gemeldet werden. Bisher waren nicht-periodische Medien ausgenommen und galt eine Bagatellgrenze von 5.000 Euro. Die Meldepflichten werden auf Social Media, Plakat- und Kinowerbung erweitert. Eine vielfach geforderte Obergrenze für Inseratenschaltungen kommt nicht. Für Kampagnen ab 150.000 Euro muss ein Transparenzbericht, für Kampagnen ab einer Million Euro zusätzlich eine Wirkungsanalyse durchgeführt werden. Der Strafrahmen bei Nicht-Meldung der Daten wird auf 60.000 Euro und im Wiederholungsfall 100.000 Euro erhöht.
Die RTR muss die Daten künftig benutzerfreundlicher aufbereiten und länger als bisher – nämlich zehn Jahre – bereitstellen. Als administrative Vereinfachung für betroffene Rechtsträger wird der Entfall von Leermeldungen angeführt. Auch ändert sich die Veröffentlichung von derzeit quartalsweise auf halbjährlich. Die Veröffentlichung von Daten für das erste Halbjahr hat bis 15. Oktober, jene für das zweite Halbjahr bis 15. April zu erfolgen. Für Daten des vierten Quartals 2023 gilt noch die alte Rechtslage. Das Budget der RTR bzw. KommAustria wird aufgrund der neuen Aufgaben um ca. 600.000 Euro aufgestockt.
„Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, was mit den Steuergeldern passiert. Deshalb muss in Zukunft jedes Inserat und jeder Euro, der von der öffentlichen Hand ausgegeben wird, gemeldet werden“, begründete Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) die Novelle. Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, sprach in einer Aussendung von „lückenloser Klarheit ab dem ersten Euro, um einen verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeld sicherzustellen“.
Ein weiterer Initiativantrag sieht die Schaffung einer Qualitätsjournalismusförderung in Höhe von 20 Millionen Euro pro Jahr für Print- und Onlinemedien vor. 15 Mio. Euro der Förderung werden nach Anzahl angestellter Journalistinnen und Journalisten nach Kollektivvertrag oder kollektivvertragsähnlichen Verträgen und der Anzahl von Auslandskorrespondenten vergeben. Zusatzmittel fließen etwa für ein vorhandenes Redaktionsstatut, Fehlermanagement-System oder Frauenförderpläne. 2,5 Mio. Euro stehen für Förderungen zur inhaltlichen Vielfalt (regionale und internationale Berichterstattung) zur Verfügung, 1,5 Mio. Euro für die Aus- und Weiterbildung in Medienunternehmen, 700.000 Euro für Medienkompetenzförderung, 250.000 Euro zur Förderung der Selbstkontrolle der Medien und Presseclubs. 50.000 Euro fließen an die Medienforschung.
Als allgemeine Fördervoraussetzung wird angeführt, dass es sich nicht um ein reines Fachmedium, sondern ein Universalmedium handelt, das über mehrere Bereiche wie Politik, Sport, Wirtschaft, Kultur oder auch Wissenschaft und Forschung berichtet. Dass Wissenschaftsberichterstattung im Gesetzesentwurf ursprünglich fehlte, wurde vielfach bemängelt. Bei Tageszeitungen müssen mindestens sechs Journalisten hauptberuflich tätig sein, bei Wochenzeitungen wie auch Magazinen mindestens zwei, bei Onlinemedien mindestens drei. Onlinemedien müssen zudem mindestens 150.000 Unique User pro Monat aufweisen. Diese Hürde wurde im Vergleich zum Gesetzesentwurf, der 300.000 Unique User und eine Mindestzeichenanzahl in Höhe von 30 Millionen vorsah, abgesenkt. Nicht berücksichtigt wurde die Forderung, dass der Presserat anerkannt werden muss, um Förderung zu erhalten.
Parteimedien sind wie Nachrichtenagenturen von der Förderung ausgeschlossen. Medien, die in den vergangenen Jahren wiederholt zum gewaltsamen Kampf gegen Demokratie oder Rechtsstaat oder auch zu Hass oder Gewalt gegen Menschen oder Gruppen aufgestachelt haben, sind ebenfalls exkludiert.
Die Fördervergabe obliegt der KommAustria. Sie wird von einem fünfköpfigen ehrenamtlichen Fachbeirat beraten, der sich aus Personen aus dem Medienbereich zusammensetzt und für die Dauer von drei Jahren von der Bundesregierung ernannt wird. Das Gesetz soll mit 1. Juli 2023 in Kraft treten, muss aber zunächst von der EU-Kommission geprüft werden.
Raab sprach von einer Maßnahme, die „unabhängigen und kritischen Journalismus, der für jede Demokratie unerlässlich ist“, fördert. „Die neue Qualitätsjournalismusförderung markiert einen längst überfälligen und historischen Paradigmenwechsel in der heimischen Medienpolitik. Weg von der Förderung bedruckten Papiers, hin zur Förderung journalistischer Arbeit“, meinte Blimlinger. Was sie besonders freue, sei der Wegfall der Mindestzeichenanzahl bei Onlinemedien, so die Grüne Mediensprecherin.
Ernst macht die Regierung auch mit ihrem vielfach kritisierten Vorhaben, die republikseigene „Wiener Zeitung“ nicht länger als tägliche Printzeitung erscheinen zu lassen. Sie soll unter „Bedachtnahme auf einen hohen journalistischen Qualitätsstandard und unter Beachtung eines Redaktionsstatutes“ als Onlinemedium und nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel mindestens zehn Mal jährlich in Printform erscheinen. Dafür stehen 7,5 Mio. Euro der insgesamt 16,5 Mio. Euro, die der Bund jährlich beisteuert, zur Verfügung. Zur Unterstützung der Redaktion soll ein Beirat eingerichtet werden. Die Abberufung und Bestellung von Chefredakteuren ist in Zukunft ausschließlich im Einvernehmen mit dem Herausgeber – der Wiener Zeitung GmbH – möglich. Auch das soll die journalistische Unabhängigkeit stärken.
Auch ein mit 6 Mio. Euro pro Jahr ausgestatteter „Media Hub Austria“ wird bei der Wiener Zeitung GmbH eingerichtet. Er soll Journalistinnen und Journalisten ein „Praxisprogramm“ bieten, das auf zukünftige Erfordernisse des Medienmarkts vorbereitet und primär „Training on the Job“ bietet. Praxisplätze sind bei der „Wiener Zeitung“ und bei Kooperationspartnern vorgesehen. Auch soll der Media Hub Austria Gründer im Medienbereich fördern und Bürgern Medienwissen vermitteln. Zur Beratung soll ein Beirat eingerichtet werden.
Für die in Printform abgeschafften Pflichtveröffentlichungen im Amtsblatt der Zeitung wird ein digitales „schwarzes Brett“ als Verlautbarungs- und Informationsplattform eingerichtet, wo die Veröffentlichungen entgeltfrei möglich sein sollen. Zusätzlich soll die Wiener Zeitung GmbH eine „Content-Agentur Austria“ betreiben. Diese besorgt Content- und Agenturleistungen für den Bund und Unternehmen, bereitet Informationen im öffentlichen Interesse auf und soll langfristig auch Leistungen als Media-Agentur übernehmen.
Das Gesetz zur „Wiener Zeitung“ soll mit 1. Juli in Kraft treten. Bis Jahresende müssen die Änderungen „vollumfänglich“ umgesetzt werden. Blimlinger meinte, dass die „Wiener Zeitung“ nun ein „innovatives und investigatives Medium“ mit Fokus auf nationale und internationale Kooperationen werden solle. Die Umstellung auf online sei ein „Zukunftsmodell und eine Aufwertung“. „Die Zugriffszahlen werden bald zeigen, dass die ‚Wiener Zeitung‘ so viel mehr Relevanz erzielen kann – und Tag für Tag wesentlich mehr Leserinnen und Leser als bisher erreichen wird“, zeigte sich Blimlinger überzeugt. Die Redaktion befürchtete wie zahlreiche Vertreter diverser Bereiche der Gesellschaft in den vergangenen Monaten eine Zerschlagung der „Wiener Zeitung“ und massive Personalreduktionen.